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Zurück nach Paderborn

Nixdorf verlegte 1959 den Firmensitz nach Paderborn, um mehr Platz zu haben und das niedrigere Lohnniveau und größere Arbeitskräftereservoir in der Region nutzen zu können. Als die Wanderer-Werke, ein Hersteller von Fahrrädern, Motorrädern, Autos, Lieferwagen, Werkzeugmaschinen und Büromaschinen, weniger Bestellungen aufgab und Bull finanzielle Schwierigkeiten hatte, geriet das Labor in ernsthafte Schwierigkeiten. Nixdorf benötigte neue Kunden und ein neues Produkt. Er übernahm die Entwicklungsabteilung von Kienzle-Apparate GmbH in Villingen und integrierte das Labor für Impulstechnik in seine Firma.

Nixdorf 820 von 1968
Nixdorf 820 von 1968 (Foto: Wikipedia)

Otto Müller, ein Entwicklungsingenieur, half Nixdorf bei der Entwicklung des Wanderer Logatronic, dem Tischrechner auf Halbleiterbasis. Dieser wurde 1965 auf der Hannover Messe vorgestellt und ab 1967 zum besagten Nixdorf System 820 weiterentwickelt. Nixdorf baute sein eigenes Vertriebsnetzwerk auf und konnte seine Produkte bei mittelständischen Unternehmen erfolgreich verkaufen.

1968 übernahm Nixdorf die Aktienmehrheit der Wanderer AG und fusionierte sie mit dem Labor für Impulstechnik zur Nixdorf Computer AG mit Sitz in Paderborn. Durch die Übernahme verfügte Nixdorf nicht nur über leistungsfähige Entwicklungs- und Produktionsabteilungen, sondern auch über eine bundesweit tätige Vertriebsstruktur.

Über dem Großen Teich

Heinz Nixdorf reiste nach der Übernahme von Wanderer in die USA, um nach neuen Vertriebsmöglichkeiten zu suchen. Dort fand er einen Markt für elektronische Mini-Rechner, den die großen amerikanischen Computerhersteller als zu klein ansahen und nicht beachteten.

Victor Comptometer aus Chicago beauftragte die Wanderer-Werke mit einem Großauftrag von 10.000 Geräten im Wert von 100 Millionen D-Mark. Wanderer musste unter dem neuen Inhaber Nixdorf die Produktion erweitern und lieferte schließlich den Conti aus. Mit dieser Übernahme in Amerika konnte Nixdorf gegen die Marktübermacht von amerikanischen Informatikfirmen Fuß fassen.

Nixdorf Computer 1972
Nixdorf Computer 1972 (Foto: Wikipedia)

Die Nixdorf Computer AG war 1972 bereits in 22 Ländern vertreten und der Standort Paderborn wurde stetig ausgebaut. Es entstanden moderne Fertigungsstätten am heutigen Heinz-Nixdorf-Ring und die Hauptverwaltung wurde an der Fürstenallee errichtet.

Im Jahr 1970 begann die wirtschaftlich erfolgreichste Phase für die Nixdorf Computer AG. Sie wurde zum Marktführer in Deutschland im Bereich der Mittleren Datentechnik und war der viertgrößte Computerhersteller Europas mit Produktionsstätten in Deutschland, Irland, Spanien, USA und Singapur. Die Nixdorf Computer AG brachte ab 1975 eine neue Generation von Datenerfassungs- und Datenverarbeitungssystemen auf den Markt: die 88xx-Reihe. Neben der Datenverarbeitung erweiterte das Unternehmen ab 1971 kontinuierlich seine Marktsektoren, insbesondere elektronische Kassensysteme und Bankenterminals sowie Datenerfassungssysteme.

Nixdorf Computer am Sophienblatt 44 46
Nixdorf Computer am Sophienblatt 44 46

1978 überschritt der Gesamtumsatz erstmals die Milliarden-Mark-Grenze. Weltweit beschäftigte die Nixdorf Computer AG zu diesem Zeitpunkt über 10.000 Mitarbeiter. Im Jahr 1985 stieg der Umsatz auf fast vier Milliarden D-Mark, während der Gewinn 172 Millionen D-Mark betrug. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte das Unternehmen 23.300 Mitarbeiter in 44 Ländern.

Tod und die Folgen

Im März 1986 verstarb der Unternehmensgründer Heinz Nixdorf an den Folgen eines Herzinfarkts auf der Computermesse Cebit. Klaus Luft, der von Nixdorf favorisierte Vertriebschef, trat im April 1986 seine Nachfolge an. Er konnte im ersten Jahr nach dessen Tod erneut Rekordumsätze verbuchen. Der Umsatz stieg auf über 5 Milliarden DM und das Unternehmen beschäftigte weltweit mehr als 30.000 Mitarbeiter.

Nixdorf 8810 M15 tragbarer Computer aus dem Jahr 1985 mit dem BIOS-Setup-Bildschirm
Nixdorf 8810 M15 tragbarer Computer aus dem Jahr 1985 mit dem BIOS-Setup-Bildschirm (Foto: Wikipedia)

Als die Nixdorf Computer AG 1988 in den DAX aufgenommen wurde, gehörte sie zu den gelisteten Unternehmen. Jedoch konnte das Unternehmen dem grundlegenden Wandel in der Computer- und Elektronikbranche nicht folgen. Wichtige Markttrends wie der Siegeszug der Personal Computer wurden verpasst und ein rascher Preisverfall kennzeichnete den mittlerweile hart umkämpften Massenmarkt der Mittleren Datentechnik.

Darüber hinaus geriet das Unternehmen aufgrund des plötzlichen Todes von Heinz Nixdorf in eine Nachfolgekrise. Trotzdem investierte das Management massiv, obwohl es auf der Einnahmeseite keine entsprechenden Mittel gab. Ende 1989 musste der Vorstandsvorsitzende Klaus Luft nach dreieinhalb Jahren seine Position auf Druck des Aufsichtsrats mit sofortiger Wirkung räumen und wurde durch Horst Nasko ersetzt. Aufgrund der riesigen Verluste im operativen Geschäft sahen sich die Eigentümer gezwungen, das Unternehmen zu verkaufen.

Die Übernahme

Am 1. Oktober 1990 übernahm Siemens die Mehrheit der Nixdorf-Stammaktien und fusionierte zunächst die Nixdorf Computer AG mit dem Bereich der Daten- und Informationstechnik der Siemens AG zur Siemens Nixdorf Informationssysteme AG (SNI). 1992 erwarb Siemens 100% der Anteile an SNI nach einem Squeeze-out und gliederte das Unternehmen in die Siemens AG ein.

Nach einer schmerzhaften Restrukturierung mit dem Verlust mehrerer Tausend Arbeitsplätze in Paderborn in den frühen 1990er Jahren konnte sich SNI etwa ab Mitte des Jahrzehnts als größter europäischer Computerkonzern etablieren.

1995 wurde das Dienstleistungs- und Lösungsgeschäft in den Bereichen Informationstechnologie und Telekommunikation aus dem Unternehmen SNI herausgelöst und mit Teilen der Siemens AG in die Siemens Business Services GmbH und Co OHG (SBS) überführt, die damals in Paderborn und München ansässig war.

Manipulationswarnung an einem Geldautomaten in London. Wincor-Nixdorf Procash 2050 Geldausgabeautomat
Manipulationswarnung an einem Geldautomaten in London. Wincor-Nixdorf Procash 2050 Geldausgabeautomat (Foto: Wikipedia)

Am 1. Oktober 1998 wurde die SNI als Aktiengesellschaft aufgelöst und vollständig in die Siemens AG integriert, wobei weitere Teile zur SBS wanderten. Der Name Siemens Nixdorf wurde noch ein Jahr lang in Form der Siemens Nixdorf Banking and Retail Systems GmbH weitergeführt. Am 1. Oktober 1999 wurden die handels- und bankenspezifischen Aktivitäten der SNI im Rahmen einer Portfoliobereinigung aus dem Siemens-Konzern herausgelöst und von den Kapitalbeteiligungsgesellschaften Kohlberg Kravis Roberts und Goldman Sachs Capital Partners übernommen. Dabei wurde der Name in Wincor Nixdorf International GmbH geändert.

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