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Heinz Nixdorf

„Wir bauen keine Goggomobile“ gehört zu den berühmtesten Zitaten von Heinz Nixdorf. Es bezog sich auf Personal Computer und deren Ablehnung. Einen unterschriftsreifen Vertrag mit Apple soll er mit den Worten „Nixdorf baut Lastwagen, keine Mopeds“ abgelehnt haben. Aus heutiger Sicht war dies extrem kurzsichtig, dennoch gilt Nixdorf als Visionär.

Heinz Nixdorf wurde am 9. April 1925 in Paderborn als ältestes von fünf Kindern geboren. Sein Vater, Walter Nixdorf, kam aus Torgau in Sachsen und die Familie zog kurz nach Heinz‘ Geburt dorthin, kehrte aber 1931 nach Paderborn zurück. Nixdorf besuchte eine katholische Volksschule und zeigte früh eine Begabung für Mathematik und Naturwissenschaften. Die Familie war aufgrund der Arbeitslosigkeit des Vaters in den 1920er- und 1930er-Jahren zeitweise von materieller Armut betroffen, was Nixdorf stark prägte.

Heinz Nixdorf bei RWE in Essen 1952
Heinz Nixdorf bei RWE in Essen 1952 (Foto: Wikipedia)

Ein Stipendium ermöglichte ihm von 1939 bis 1942 den Besuch von Lehrerbildungsanstalten, aber er fühlte sich eingeengt und wollte kein Lehrer werden. Nach einer Eingabe an das Kultusministerium erhielt er 1941 die Erlaubnis, das Reismann-Gymnasium in Paderborn zu besuchen. 1943 wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und trat im selben Jahr der NSDAP bei. Nach Kriegsende half er als ältestes männliches Familienmitglied in der Landwirtschaft, um seine Familie zu unterstützen, und legte schließlich im Sommer 1946 sein Abitur ab.

Nixdorf erhielt ein Stipendium und studierte von 1947 angewandte Physik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wo er auch Seminare in Betriebswirtschaftslehre belegte. 1951 bekam er eine Anstellung als Werkstudent in der Entwicklungsabteilung der deutschen Tochtergesellschaft von Remington Rand Corp. und arbeitete an der Entwicklung von einfachen Zählgeräten mit. Als der Leiter der Entwicklungsabteilung, Walter Sprick, das Unternehmen verließ, überließ er Nixdorf seine Erfindungen und Patente, die Nixdorf später in die Entwicklung von Systemen wie dem Elektronensaldierer und dem Elektronenmultiplizierer einbrachte.

Gründung eines Labors

1952 gründete er das Heinz Nixdorf Labor für Impulstechnik (LFI) in Essen. Hierfür erhielt er 30.000 Mark von der Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE). Zusammen mit seinem ersten Mitarbeiter, Alfred Wierzoich, entwickelte er den ersten in Deutschland gebauten Röhrencomputer namens ES, der auf Lochkarten gespeicherte Daten verarbeiten konnte. Die ES wurde im Jahr 1954 an die RWE geliefert und es folgten Weiterentwicklungen, die ebenfalls bei der RWE eingesetzt wurden.

Mit dem Erfolg des Unternehmens musste Nixdorf bald die Raumkapazitäten erweitern und neue Räume in der Nähe der RWE anmieten. Trotz finanzieller Engpässe konnte Nixdorf sein Unternehmen und dessen Produkte erfolgreich am Markt etablieren. Er sah seine kleinen Rechenmaschinen als Möglichkeit, mittelständische Unternehmen mit Buchungs- und Rechenmaschinen zu unterstützen. Seine Firma wurde zum Zulieferer elektronischer Rechenwerke für bedeutende Büromaschinenhersteller wie die Exacta Büromaschinen GmbH, ab 1963 die Wanderer-Werke in Köln und die Compagnie des Machines Bull in Paris.

Innovationsfabrik

Im Jahr 1955 wurde der Elektronenmultiplizierer EM 22 entwickelt, der ein Rechenwerk zur Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division von Zahlen darstellte. Die EM-Modelle wurden insbesondere von Elektrizitätswerken genutzt, um Monatsrechnungen für Kunden zu erstellen. Ohne Multiplikation und Addition eines Festwertes wäre dies nicht möglich gewesen. Vier Jahre später wurde der Multitronic entwickelt. Er war der erste Buchungsautomat auf dem Weltmarkt mit einer elektronischen Multiplikationseinrichtung. 1962 folgte der Conti, der weltweit erste Tischrechner mit eingebautem Drucker.

Im Jahr 1963 wurde die Gamma 172 entwickelt, die statt der voluminösen und Wärme erzeugenden Röhren wie bei der ES und EM die Transistortechnologie nutzte. Die Rechengeschwindigkeit bei Multiplikation und Division betrug konstant 25 Millisekunden. 1965 markierte die Einführung der Logatronic den Beginn der Mittleren Datentechnik und war zugleich die Grundlage für die Vorreiterrolle des LFI und später der Nixdorf Computer AG in diesem Segment. Zum ersten Mal war der EDV-Einsatz für kleine und mittlere Unternehmen zu einem vertretbaren Preis-Leistungs-Verhältnis möglich.

1967 wurde der Nixdorf 820 als Weiterentwicklung der Logatronic entwickelt. Dieser Magnetkontencomputer sowie Datenerfassungssysteme und Online-Terminals führten zum Durchbruch des LFI am EDV-Markt. Im Jahr 1967 erzielte das LFI in Deutschland einen Marktanteil im Bereich Computer der Preisklasse zwischen 25.000 D-Mark und 100.000 D-Mark von mehr als 60%. Der Umsatz betrug in diesem Jahr 52 Mio. D-Mark.

Nixdorf System 820

Der Nixdorf 820 fand Anwendung in verschiedenen Bereichen wie der Lohn- und Gehaltsabrechnung, Fakturierung und Prozessautomatisierung. Das System wurde in drei Produktphasen entwickelt und vertrieben und in verschiedenen Modellvarianten über 40.000 Mal verkauft.

Nixdorf 820/23 Stabzellen-Speicherplatine, ca. 1969, ausgestellt im Computer History Museum
Nixdorf 820/23 Stabzellen-Speicherplatine, ca. 1969, ausgestellt im Computer History Museum (Foto: Wikipedia)

Die technischen Hauptbestandteile aus dem Jahr 1968 waren ein 12-Bit-Parallelrechenwerk, eine numerische Funktionstastatur, ein Serialdrucker, zwei Festwertspeicher ROM (einer für die Gerätesteuerung und der andere für Anwenderprogramme) sowie ein Magnetkernspeicher. Es gab zwei Bauformen des Festspeichers, nämlich den Ringkernspeicher und den Stäbchenspeicher. Ein Kassettenrekorder diente dazu, Daten frequenzmoduliert digital zu speichern.

Der Magnetkernspeicher diente üblicherweise nur zur Aufnahme der Anwenderprogramme während der Entwicklung. Nachdem das Programm ausgetestet wurde, wurde es auf dem Einschubmodul für den Stäbchenspeicher „gefädelt“. Spätere Korrekturen und Erweiterungen waren schwierig zu handhaben, da eine Trennung von Programm- und Datenspeicher vorlag. Der Nixdorf 820 basierte auf einer Harvard-Architektur und war somit im Gegensatz zu Von-Neumann-Rechnern nicht „frei programmierbar“. Die verwendeten Festspeicher hatten jedoch den Vorteil, dass der Rechner nach dem Einschalten sofort betriebsbereit war und keine Programme geladen werden mussten.

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