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Meine Bytegame-Mitstreiterin Vanessa fragte mich vor geraumer Zeit, was eine Demoszene-Party ist und was daran so besonders sei. In den letzten Jahren wurde ich das immer mal wieder gefragt, also wird es Zeit für eine ausführlichere Antwort.

Keine LAN-Party!

Meistens beginne ich damit zu beschreiben, dass auf solchen Partys sich mehrere hundert Menschen mit ihren Computern in einer Halle treffen.

„Also eine LAN-Party!“

Das ist die gängige Reaktion. Demoszene-Partys gab es bereits lange vor den Treffen der Gamer, genauer gesagt in den 1980er Jahren. Damals waren es sogenannte „Copy-Partys“, auf denen sich Computerfreaks trafen, um Software, Spiele, Grafiken und Musik zu kopieren. Und Demos!

Mekka&Symposium 1998
Mekka&Symposium 1998, damals noch mit Röhrenmonitoren
Foto: Melwyn; Quelle: slengpung

Irgendwann hat sich die Demoszene abgespalten und ihre eigenen Veranstaltungen abgehalten. Vor allem in den 1990er Jahren war es auf den meisten Partys sogar verboten, zu spielen. Teilweise wurde man dafür angeschrien oder sogar rausgeworfen. Heute ist es etwas liberaler – auf manchen Partys vermischt es sich sogar – aber reine Gamer sind auf solchen Partys nicht gern gesehene Gäste.

Was sind Demos?

Die Demoszene ist eine Subkultur innerhalb der digitalen Kultur, die sich mit bestimmten Formen digitaler Kunst beschäftigt. Im Zentrum stehen die Demos. Dabei handelt es sich um programmierte Echtzeitanimationen, garniert mit (oft gepixelten) Grafiken und Musik. Sehr vereinfacht gesagt sind es programmierte Musikvideos, bei denen es neben den ästhetischen Dingen auch auf technische Aspekte ankommt. Demos gibt es für nahezu alle Computersysteme und Konsolen, die meisten allerdings für PCs, Amigas und den C64.

Mekka&Symposium 2000
Mekka&Symposium 2000
Foto: Melwyn; Quelle: slengpung

Außerdem gibt es Intros. Die sind im Prinzip wie Demos, unterliegen aber sehr starken Größenlimitierungen. Während heutige Demos teilweise so viel Festplattenplatz in Anspruch nehmen wie 4K-Videos derselben Länge, sind Intros im Kilobytebereich. Je nach System haben sich unterschiedliche Limitierungen bewährt. Auf dem PC sind es 64, 8 und 4 Kilobyte sowie 256 Byte. Dies erreicht man natürlich nur mit einem sehr hohen technischen Verständnis und zahlreiche Tricks.

Mehr Infos darüber gibt es hier und hier.

Und auf den Partys wird das gefeiert?

Ja, so könnte man es sehen, aber im Kern sind solche Partys Wettbewerbe. Je nach Party nehmen mehrere hundert, teilweise auch tausend Menschen und mehr teil. Sie kommen überwiegend aus Europa, sofern sie hier stattfinden, aber auch aus den USA, Kanada, Südamerika oder Japan. Die Demoszene ist sehr klein, ist aber weltweit vertreten.

Assembly 2012
Assembly 2012
Foto: Saga Musix; Quelle: slengpung

Auf den Partys gibt es viele Wettbewerbe. Zu bestimmten Deadlines muss man sein Zeug abgeben. Wettbewerbe gibt es in unterschiedlichen Disziplinen und für verschiedene Systeme. Beispiele:

  • Windows Demo
  • Retro-Demo
  • 64kb Intro
  • 4kb Intro
  • Pixelgrafiken
  • Musik
  • Fotowettbewerb

Es gibt noch viele weitere. Nachdem das abgegebene Material von den Organisatoren der Party gesichtet wurde, startet zu einem vorgegebenen Zeitpunkt der Wettbewerb. Das sieht letztlich so aus, dass bspw. alle Intros nacheinander gezeigt werden. Anschließend stimmt das Publikum über die Sieger ab. Am Ende der Party gibt es eine große Siegerehrung und alle Gewinner freuen sich.

Vor allem in den 1990er Jahren waren die Wettbewerbe sehr hart, weil es sein konnte, dass man von mehreren hundert jungen Menschen ausgebuht wurde. Heute ist die Szene, dank höherem Frauenanteil und dadurch, das teilweise ganze Familien teilnehmen, viel sozialer.

Also nur ein Wettbewerb – keine Party?

Doch, natürlich, sonst wäre es eine sehr öde Veranstaltung. Die Demoszene ist normalerweise in Gruppen organisiert, früher vielleicht noch mehr als heute. Oft sind die Gruppenmitglieder weit verstreut – solche Veranstaltungen sind eine gute Gelegenheit, sich zu treffen. Dadurch lernt man auch andere Gruppen kennen, häufig entstehen dadurch Freundschaften.

Evoke 2019
Evoke 2019
Foto: Dipswitch; Quelle: slengpung

Vor, zwischen und nach den Wettbewerben gibt es Musik, meistens sogar live durch eine Band oder DJs. Es wird getanzt, gefeiert, getrunken und geredet. Einige arbeiten noch an ihren Veröffentlichungen, der Rest feiert die Szene und sich selbst.

Saufen, Musik und Demos – mehr nicht?

Das kommt stark auf die Party an. Auf manchen Partys gibt es Live-Competitions. Da werden zum Beispiel vor Publikum Effekte programmiert. Außerdem gibt es zahlreiche Vorträge, die man in dieser Form nirgends finden würde.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Partys das soziale Herzstück dieser Subkultur sind. Zwar steht der Wettbewerb heute noch im Fokus, aber es geht vor allem um dieses ganz spezielle Erlebnis. Das betrifft einerseits die Gemeinschaft, aber auch das unglaublich tolle Gefühl, live und zum ersten Mal ein unglaublich tolles Kunstwerk zu erleben. Gewiss kann man das heute auch über den Livestream mit tollen Kommentatoren, aber selbst in dieser Halle anwesend zu sein und es zu bestaunen, ist noch einmal etwas ganz Spezielles.

Verstanden. Aber was hat das mit meinem Hobby, der Spieleentwicklung zu tun?

Mehr als man meinen sollte. Abgesehen davon, dass die Demoszene für sich gesehen ein faszinierendes Erlebnis ist, stellt es auch einen guten Einstieg in Programmierung und digitaler Kunst im Allgemeinen dar.

Spiele zu entwickeln ist recht aufwändig. Fortschritte macht man bei den ersten 10-20%, ab dann ist es Routine, bis das nächste Projekt beginnt. Wenn man aber zunächst nur Effekte programmiert, sich auf Demos spezialisiert, entwickelt man sich viel weiter. Das gilt auch für Grafiker und Musiker. Hundert Pixelanimationen für ein Spiel zu machen, da lernt man höchstens bei den ersten zehn etwas dazu. Aber immer wieder komplett neue Bilder zu pixeln, die Stile zu wechseln, da kann man sich in kurzer Zeit sehr gut weiterentwickeln.

Teamarbeit lernt man hier ebenso. Die Projekte sind meistens überschaubar, man hat schnell Erfolgserlebnisse und kann sich auf Partys sehr gut vergleichen, um zu sehen, wo man technisch steht. Das geht natürlich auch mit Spielen, aber hier kann die Entwicklung, je nach Umfang, mehrere Jahre dauern. Demos werden meist in wenigen Wochen oder Monaten erstellt.

Das ist übrigens auch der Grund, warum es auf Bytegame.de so viele Tutorials zu eher typischen Demoszeneeffekten gibt: Weil man in kurzer Zeit extrem viel lernen kann.

Zu guter Letzt kann man vielen, teils sehr erfahrenen Entwicklern über die Schultern schauen. Und natürlich kann man sich auch mit ihnen unterhalten.

Weiterführende Links

Retro-Grafik gestern und heute
Tracker: Die programmierte Musik
Die verlorene Kultur

Externe Links

Wikipedia Artikel über die Demoszene
demoparty.net
Demozoo
Pouet

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1 Kommentar
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Valentino
Gast
Valentino
6. März 2024 10:46

Sehr interessant, aber klingt ein wenig wie ein elitärer Kreis, der sich gegenseitig auf die Schultern klopft, weil er sonst kein Leben hat. 😅