Um Projekte, die mit RPG Maker realisiert wurden, habe ich immer einen großen Bogen gemacht. Ich hatte gehört, RPG Maker-Games wären minderwertige Spiele, welche sich alle ähnlich sind. Neulich habe ich zwei dieser Projekte angespielt. Beide wurden mit dem Tool aus dem Hause Kadokawa (Publisher Degica) erstellt. Meine bisherige Haltung musste ich noch einmal überdenken.
RPG Maker – Was ist das überhaupt?
Was ist RPG Maker überhaupt? Im Prinzip handelt es sich um einen kostenpflichtigen grafischen Editor zur Erstellung von Rollenspielen. Genauer gesagt ist es ein Tool zur Erstellung von Spielen im Stil von JRPGs (Japanese Role-Playing Games). Das ganze funktioniert mit vereinfachten Scripting und ohne komplexe Programmierung. Hierzu kann über die grafische Benutzeroberfläche das Spiel erstellt werden. Das Tool erzeugt die nötigen Scripte automatisch, welche bei Bedarf noch angepasst werden können. Für das grafische Erscheinungsbild des zu erstellenden Spiels werden eine Vielzahl an Tiles für die Map, 2D-Figuren und andere Ressourcen mitgeliefert. Nach Abschluss des Projektes kann eine lauffähige Version exportiert werden.
Im Jahre 1997 erschien der erste RPG Maker für Windows – der RPG Maker 95. Im Laufe der nächsten Jahre wurden weitere Versionen veröffentlicht. Die aktuelle Version ist der RPG Maker MZ, welche im August 2020 erschien. Somit kann die Reihe dieser Entwicklungsumgebungen auf über 20 Jahre Versionsgeschichte zurückblicken. Während frühere Versionen ab dem RPG Maker XP als Scriptsprache noch Ruby nutzten, verwenden die beiden letzten Projekte Javascript.
Kein All-inklusiv-Paket
Natürlich sind viele Ressourcen im Software-Paket mit enthalten. Im RPG Maker MZ bieten 120 Animationen, 44 Sprite Sheets von diversen Kreaturen und verschiedene Kampfhintergründe einen umfangreichen Baukasten. Details wie Haar- oder Augenfarbe von Charakter-Sprites lassen sich individuell festlegen. Was jedoch bei Freunden der Software übel aufstößt, ist die Tatsache, das zwar Grafiken aber eben nicht gekaufte Plugins des Vorgängers in der aktuellen Version lauffähig sind. So zahlt man nicht nur einen Preis von über 65 € für die neueste Version (aktueller Steam-Preis), sondern bei Bedarf auch noch für diverse kostenpflichte Plugins und Erweiterungen. Hier muss man jedoch anmerken, dass die älteren Versionen des Tools teilweise deutlich günstiger sind.
Dennoch – beim ersten Hinsehen erscheint der RPG Maker als tolle Möglichkeit, ein eigenes RPG zu erstellen. Doch es gibt einen Pferdefuß. Denn Spiele, die mit RPG-Maker erstellt wurden, ähneln sich im Normalfall stark – und dies gilt sogar versionsübergreifend. Denn die Möglichkeiten des Tools schränken das grafische Erscheinungsbild des Spielprojektes trotz umfangreichen Tilesets stark ein. Zudem ähneln sich auch die spieltechnischen Mechaniken. Kämpfe und Itemverwaltung haben beide etwas sehr typisches an sich.
Cast Away – The Oddysee – ein gelungenes Rollenspiel, erstellt mit RPG-Maker XP
Nichts für Profis?
Bei professionellen Gameengines benötigt man ungleich mehr Einarbeitungszeit. Dies gilt zum Beispiel für Unity, die Unreal Engine oder auch Game Maker Studio. Dafür bieten diese jedoch nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten. Genau das erwarten sehr viele Spieler von einem Game: ein individuelles „Look and Feel”. Zudem legen viele Spieler Wert auf originelle Spielmechaniken. Allerdings fällt bei RPG-Maker Projekten beides oft eher standardmäßig aus. Kennt man eins, kennt man alle! Oder etwa nicht?
Tribulation – ein Projekt von Ombladje erstellt mit dem neuesten RPG-Maker MZ
Schlechte Spiele – Gute Spiele
Trotz aller Kritikpunkte können diese Spiele im Stil von typischen JRPG noch punkten. Während so mancher bei der Erwähnung von RPG Maker die Nase rümpft, sind andere begeistert. Interessanterweise können die Story und die Qualität der Dialoge je nach Fähigkeit des Entwicklers nämlich überzeugen. Dem Entwickler wird enorm viel Arbeit abgenommen. Schließlich muss er sich nicht zwingend mit lästiger Programmierung herumschlagen. Und so kann er sich voll und ganz auf die Erzählung seiner Geschichte konzentrieren. Das gleiche gilt im übrigen für die Freunde und Spieler von RPG Maker Games. Orientierungsarbeit ist nur beim ersten Mal erforderlich. Somit findet sich ein Liebhaber von RPG Maker-Spielen in einem solchen schnell zurecht und kann sich ganz auf die Story konzentrieren. Was für die einen eher ein K.O. Kriterium, ist für andere ein willkommener Vorteil.
RPG Maker Projekte angespielt
Bei beiden Spielen, die ich kürzlich getestet habe, hatte ich viel Freude an der Story. Auf beide zur Zeit kostenfreie Demo-Projekte bin ich bei Pewn aufmerksam geworden. Das erste Projekt war Cast Away – The Oddysee des Entwicklers „TheLuigiplayer”. Dieses Projekt wurde mit dem RPG Maker XP (2005) erstellt. Der Begriff „Oddysee” ist dabei ein Wortspiel mit „odd” (engl. seltsam) und einer eigenwilligen Schreibweise.
Bei Cast Away – The Oddysee erforscht man so manche dunkle Höhle
Es ist die Geschichte um den schiffbrüchigen Steuermann John Maynard auf einer fernen Insel. Hier gehen seltsame Dinge vor sich. Die Story ist spannend und gut erzählt. Die Liebe des Entwicklers für sein Projekt merkt man an vielen Kleinigkeiten. Beim strukturierten Aufbau der Story als auch von der Interaktion mit der Umwelt wurde ganze Arbeit geleistet. Der neugierige Spieler kann nahezu jede Kiste, jede Flasche oder jeden Steinhaufen anklicken und erhält einen kleinen, atmosphärischen Text dazu. Man spürt förmlich die Begeisterung von TheLuigiplayer für das eigene Projekt. Die vielen kleinen Texte motivieren beim Spiel enorm und wecken Entdeckerfreuden. Ich bin jetzt bei Kapitel 7 von geplanten 10 Kapiteln und bei einer Spielzeit von 10,5 Stunden.
Das zweite von mir getestete Game war eine Demo des Spiels Tribulation des Entwicklers „Ombladje”. Ich wurde mit einer dichten Geschichte rund um Engel und Dämonen konfrontiert. Für mich ungewohnt war eine oft jugendliche Sprache. Diese wurde aber bewusst als Stilmittel gewählt. Dabei hatte das für mich etwas so erfrischend junges und unverbrauchtes, dass ich mich gerne auf die spannende Geschichte eingelassen habe. Als mitten in der Demo der Protagonist wechselt, ändert sich sogar die Schreibweise im Stil. Auch hier war ich schließlich über die erzählerische Dichte und Qualität der Dialoge erstaunt. Das Projekt wurde mit dem RPG Maker MZ erstellt. Insgesamt betrug die Spielzeit der 1. Demo/Intro ca. 1,5 Stunden.
Tribulation besitzt ein umfangreiches Menu, wie man es aus vielen anderen Rollenspielen kennt
Schwerpunkt Story
RPG Maker liefert in zwei von drei Kriterien (Grafik, Spielmechanik) also eher Standardkost. Die Qualität der Story allerdings hängt ganz allein von der Leistung der Entwickler als Geschichtenerzähler ab. Und mit einer spannenden Handlung kann ein solches Projekt durchaus faszinieren. Wenn die Story und die Sprache zu unterhalten wissen, dann verzeihe ich einem Projekt gerne einen Unterbau „von der Stange”. Natürlich macht man irgendwo Abstriche. Letztendlich ist es aber eine Frage der eigenen Einstellung. Und wo die Prioritäten liegen.
Für mich sind mit RPG Maker erzeugte Spiele also eine ganz eigene Kategorie. Der Look und die Mechanik stellen im Prinzip oft nichts Neues bereit. Somit konzentriere ich mich beim spielen auf andere Elemente. Und immer wieder finden Entwickler doch eine Möglichkeit, den gewohnten Rahmen der Muster-Anwendung zu durchbrechen. Dann denkt man sich „Oha – das war jetzt aber schön gelöst!”. Und freut sich, etwas Besonderes erlebt zu haben.
Vielleicht ist RPG Maker kein Tool für echte Profis in der Spieleentwicklung. Ob es ein Tool für unterhaltsame Spiele ist, muss jedoch jeder für sich selbst entscheiden.
Links
Games
RPG Maker XP bei Steam
RPG Maker MZ bei Steam
Cast Away – The Oddysee
Tribulation
Makerblog
Titelbild
Bild von Bruno /Germany auf Pixabay
Hi, ich habe für den RPG Maker MV (Konsolenversion) einige Tutorials auf meinem Youtube Kanal Big Frank Gaming erstellt und muss dir recht geben, die Spiele ähneln sich natürlich alle irgendwo, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn wenn man sich so einige Projekte anschaut die mit dem MV/MZ am PC gemacht worden sind muss ich doch ehrlich sagen das die Spiele kaum nochwas von RPG Maker haben. Klar viele Einsteiger nutzen die Ressourcen Out of the Box, an der Konsole hast du z.B. keine andere Wahl, schaut man sich aber Projekte wie “No one lives in Heaven”… Weiterlesen »
AAAAAber ich bleib mal an deinem Blog dran, das darfst du gerne als große Ehre sehen, denn eigentlich habe ich mit Youtube und meinem eigenen Magazin genug zu tun, aber ein maker Blog der sich NICHT mit dem RPG Maker beschäftigt interessiert mich schon…. aktuell bin ich an Unreal mit dem Blueprint System dran… sehr interessant… hat was vom Nintendo Spielestudio…. das übrigens Crap war…
Naja, hab da gemischte gefühle. Manche Spiele mögen sich ähneln, aber definitiv nicht alle. Manche erschaffen damit echte Meisterwerke, die aus der Masse hervorstechen und sofern eine gute Story dahinter steckt, ist sowieso alles gut, denn das macht ein gutes Spiel aus. Dazu noch stimmige Musik und interessante Charaktere. Dann ist es schon spielenswert. Es kommt aber auch allgemein darauf an, ob man selber auf RPGs im Allgemeinen steht oder nicht. Wenn einem schon Titel wie Final Fantasy nicht zusagen, wird man auch mit RPG maker Spielen keinen Spaß haben. Aber gerade da ich selbst ein RPG Maker Spiel (Das… Weiterlesen »
Das Problem ist nicht der RPG Maker, sondern der Umstand, dass die “Entwickler” zu faul oder talentfrei sind, um die Grafiken selbst zu machen. Und dann sehen halt 1000 Spiele nahezu identisch aus. Oft kommt noch die Spielmechanik zu kurz, weshalb sich viele dieser “Spiele” anfühlen wie ein interaktives Buch. Es gibt natürlich auch positive Ausnahmen.