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Neue Genres

Adventure stammen aus einer Zeit, als es normal war mit Texten zu spielen. Selbst bei modernen Point-and-Click-Adventuren kann man viele Elemente als Textspiel umsetzen ohne das sich am Kern etwas ändert. Noch Mitte der 1980er Jahre bestand die Spielelandschaft vorwiegend aus Arcade-Titeln, Sportspielen, Denkspielen, Plattformern, Abenteuern (auch Rollenspielen) und ein paar „Simulationen“. Bereits 1992 begann sich dies mit den aufkommenden First-Person-Shootern wie Wolfenstein 3D zu ändern. Damit wurde nicht nur ein neues Genre erschaffen sondern auch der Grundstein für andere Genres gelegt, die mit den Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. Third-Person-Shooter, Taktik-Shooter, simulierte 3D-Welten wie Comanche (1992) waren nun möglich und ebneten bestehenden Genres die Möglichkeit in die dritte Dimension vorzustoßen.

Comanche
Comanche

Point-and-Click-Adventure versuchten, wie etwa King’s Quest 8: Maske der Ewigkeit (1998) diesem Trend zu folgen, scheiterten aber kläglich. Die Spiele schauten im Vergleich zu anderen Genres furchtbar aus und die Idee, den Schwerpunkt auf den Kampf zu verlegen, sorgte nur für Frust bei den verbliebenen Genre-Fans. Die Folge war, dass kein Publisher oder Investor mehr Geld in das Genre stecken wollte.

Gamebreaker

In Spielen zu sterben war und ist heute noch relativ normal. Adventure hatten aber eine Eigenart, die selbst dem geduldigsten Spieler die Zornesröte ins Gesicht trieb: die Gamebreaker. Dabei handelte es sich um Stellen im Spiel, an denen man nicht mehr weitermachen konnte, weil man zuvor eine falsche Entscheidung traf. Selbst wenn man hundert Stunden probierte oder überlegte, ging es einfach nicht weiter. Ein Klassiker ist in Maniac Mansion zu finden. Das grüne Tentakel lässt einen nicht vorbei, weil es Hunger hat. Bietet man ihm Orangensaft an, nimmt es dies, hat aber immer noch Hunger. Wenn man ihm genug Essen besorgte, hat es Durst, aber der Spieler keinen Orangensaft mehr.

Larry II
Nicht schon wieder! In Larry II konnte man an zahlreichen Stellen sterben

Sierra hielt lange an Gamebreakern und skurrilen Todesarten des Spielers fest und wurde für ein jüngeres, eher verwöhntes Publikum immer unzugänglicher. Als man diesen Irrtum bemerkte, war es bereits zu spät. Kaum jemand hatte noch Lust sich auf potenziellen Frust einzulassen, für den man damals auch noch 100 bis 130 DM bezahlen musste. Der Trend, ein Adventure immer mehr wie einen interaktiven Film zu gestalten, half dann auch nichts mehr. Man vergraulte eher noch die alten Fans statt neue Zielgruppen zu erschließen.

Das Ende von Sierra

Das Ende von Sierra Entertainment – wie sie zum Schluss hießen – hatte nicht nur etwas mit dem Niedergang des Genres zu tun. Sierra hatte sich in den Jahren breit aufgestellt und neben zahlreichen Serien wie Caesar, The Incredible Machine, Dr. Brain, NASCAR Racing, SWAT und andere Spiele auch Anwendungsprogramme geschrieben. Schon 1991, also vor dem WWW, bot die Firma mit The Sierra Network eine Onlineerfahrung an, bei der man in einer grafischen Umgebung sich mit anderen Leuten austauschen und spielen konnte.

Ein weiterer Weg, um in Larry II zu sterben

Dazu kam, dass das Unternehmen mehr als ein Dutzend Firmen aufkaufte, um die eigene Palette zu erweitern oder unliebsame Konkurrenz zu beseitigen. Das Problem war, dass Sierra mit dem enormen Wachstum nicht klar kam und ein schlecht organisierter, teurer Gigant wurde dem langsam aber sicher die finanziellen Mittel ausgingen. Bei dem ganzen Chaos blieb bei zahlreichen Produkten das wichtigste auf der Strecke: Die Qualität.

The Legend of Kyrandia
The Legend of Kyrandia

1993 veröffentlichte LucasArts Sam & Max und erhielt von der PC Player, einem der beliebtesten Spielemagazine im deutschsprachigen Raum, 89 Punkte. Im selben Jahr brachte Sierra Freddy Pharkas heraus und ergatterte nur 68 Punkte, trotz hohem Produktionsaufwand und dem Gamedesigner Al Lowe als geistigen Vater. Das war kein Einzelfall. Egal was Sierra herausbrachte, mindestens ein Konkurrent hatte ein gleichwertiges oder viel besseres Produkt. Neue Trends, neue Genres wurden von anderen Unternehmen erfunden, Sierra hechelte der Musik nur hinterher. Selbst das damals vergleichsweise kleine Westwood Studios konnte mit The Legend of Kyrandia (1992) im eigenen Garten das Wasser reichen, auch wenn es an ein King’s Quest VI nicht ganz ran kam.

In Freddy Pharkas war der Humor durchaus speziell

1996 verließen das Ehepaar Williams ihr eigenes Unternehmen, woraufhin die ganze Struktur zusammenbrach. In den Folgejahren wurde es immer wieder umorganisiert, aufgekauft, neu organisiert und letztlich 2008 komplett aufgelöst. 2014 wurde die Marke zwar neu gegründet, abgesehen vom Namen und dem Logo hat dies aber nichts mehr mit der ursprünglichen Firma zu tun.

Ausblick

Adventure waren nicht nur eine Sache von Sierra und Lucas, auch wenn sie das Genre enorm prägten. Erwähnenswert sind zahlreiche, teils hervorragende Spiele wie Simon the Sorcerer (1993) das wie die Lucas-Titel mit Bedienverben gesteuert wurde und sehr gute Kritiken einheimste. Discworld (1995), aber auch Alone in the Dark (1992) waren gute Spiele. Während Simon und Discworld klassische 2D Spiele waren, zeigte sich Alone in the Dark als interessantes 3D-Experiment. Ab den 1990er Jahren wandelte sich das Genre grafisch und inhaltlich sehr stark und brachte neue Firmen mit anderen Ideen hervor. Diesen Wandel möchte ich im vierten Teil der Serie beleuchten.

Weitere Teile

Teil 1 – Im Anfang war das Wort
Teil 2 – Der Berg ruft
Teil 4 – Fotorealistisch?
Teil 5 – Aufbruch in neue Abenteuer
Teil 6 – Zurück in der Gegenwart

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