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Wenn man ein Spiel entwickelt, ordnet man die Spielmechanik einem bestehenden Genre zu. Doch was macht das Genre aus? Wie ist es entstanden? Worauf ist zu achten? Um dies besser verstehen zu können, ist es hilfreich, sich mit der Historie zu befassen. In dieser kleinen Serie möchte ich das alt ehrwürdige Genre der Adventure beleuchten.

Die Grafik im Kopf

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Zork 1 – Schon damals verstand der Parser Spaß.

Ein klassisches Abenteuerspiel besteht im Kern aus einer packenden Geschichte, Rätsel und mehr oder weniger zahlreichen Heldentaten. Im Prinzip hat ein Abenteuerspiel genau die Elemente, die man auch in einem guten Abenteuerbuch findet – nur mit dem Unterschied der Interaktivität.

In den 1970er und 1980er Jahren hatten Spieleentwickler zwei große Probleme. Der Speicherplatz war extrem knapp und die Computer sehr langsam. Doch Spiele lassen sich auf den beschränktesten Plattformen realisieren – auch ohne Grafik. Es reicht, wenn man Text anzeigt und ihn so lebendig schreibt, dass eine ganze Welt im Kopf des Spielers entsteht. Dabei wiesen bereits die ersten sogenannten Textadventure eine so komplexe Welt auf, dass Spieler begannen, Karten von dieser Welt selbst zu zeichnen. Spätere Spiele machten dies dem Spieler einfacher und legten bereits gedruckte Karten der Spielwelt dem Spiel bei.

Der Textparser

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Das erste Spiel des Autors – Ein Textadventure in QBasic 1994

Irgendwie musste man durch diese Spielwelt navigieren und mit ihr interagieren. Da die Spielwelt lediglich aus Text bestand, musste die Interaktion ebenso erfolgen. Der Spieler gab Befehle ein, die vom Spiel analysiert wurden. Das Subprogramm dahinter war der sogenannte Textparser, kurz Parser.

Die einfachste Form eines Parsers wartet an bestimmten Stellen im Spiel lediglich auf feste Eingaben. Im Spiel würde das etwa so aussehen:

Spiel: „Vor dir taucht ein riesiges Monster auf. Was willst du tun?“
Spieler: „Töte Monster mit Schwert.“

Der Spieler muss dabei den Satz genau so formulieren, sonst quittiert das Spiel die Eingabe mit einem „Geht nicht“ oder „Das funktioniert nicht.“

Ein ausgeklügelter Parser würde eine Reihe von Befehlen und Synonymen akzeptieren und – falls vom Entwickler vorgesehen – verschiedene Informationen ausgeben. Der Spieler könnte das Monster oder den Raum, in dem sich die Szene abspielt, anschauen, Gegenstände im Inventar untersuchen oder versuchen, mit dem Monster zu reden. In guten Spielen werden sogar unsinnige Aktionen berücksichtigt und humorvoll kommentiert. „Natürlich kannst du das Monster streicheln. Eine zweite Hand wird eh überbewertet.“

Um dies zu erreichen, muss der eingegebene Text analysiert werden. Zunächst wird die Eingabe in einzelne Wörter zerlegt. Nun wird geschaut, ob sich vorgegebene Substantive und Verben, ggf. auch ihre Synonyme, im Text befinden und ob es dazu eine passende Handlungsvorschrift finden lässt.

So könnten folgende Sätze zum selben Resultat führen:

„Rede mit Mann“
„Quatsche mit Mann“
„Spreche mit Mann“
„Starte Konversation mit Typ“

Der Mann kann natürlich auch einen Namen oder eine Funktion haben. „Rede mit Herr Müller“ kann zum selben Ergebnis führen wie „Rede mit Schaffner“, sofern Herr Müller der Schaffner ist.

Die ersten Textabenteuer

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Primitiver Code. Der „Parser“ reagiert nur auf feste Vorgaben.

Der Vorteil gegenüber Büchern wird schnell klar. Es ist nicht irgendeine Geschichte, es ist die selbst erlebte Geschichte. Man bestimmt das Tempo, die Reihenfolge, die Gespräche und viele andere Dinge selbst. Und man löst die Rätsel alleine, was ein zentraler Punkt in Abenteuerspielen ist.

Die Reihenfolge klingt etwas banal, aber es ist ein anderes Gefühl, ein Buch Seite für Seite zu lesen als selbst zu bestimmen, ob man erst die Küche oder das Wohnzimmer untersucht. Oder ob man erst auf die Straße geht und mit dem Würstchenverkäufer spricht. Diese spezielle Erfahrung, die Spieler durch die Interaktion machen, war letztlich das Erfolgsgeheimnis.

Das älteste bekannte Adventure hieß auch Adventure und wurde Mitte der 1970er Jahre entwickelt, ein kommerzieller Erfolg war ihm aber nicht beschert. Dies schaffte die ab 1980 von Infocom entwickelte und vertriebene Spielreihe Zork, die bis heute bekannt und beliebt ist. Das Vorbild der Zork-Reihe war das bereits erwähnte Adventure, die damaligen MIT-Studenten entwickelten das Spielprinzip aber weiter und erschufen ein Fantasy-Textadventure, das bis heute als Meilenstein des Genres gilt.

Bereits damals war es wie heute: Wenn sich etwas verkauft, wird es kopiert und weiterentwickelt. Infocom selbst schuf bis zur Auflösung 1989 zahlreiche neue Abenteuer wie Deadline (1982), The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy (mit Douglas Adams, 1985) und Moonmist (1986).

Handlung im Fokus

Neben den Rätseln, auf die ich im zweiten Teil vertieft eingehen möchte, stand die Rahmenhandlung im Vordergrund der Geschichten. In Adventure ging es lediglich darum ein Höhlensystem zu untersuchen, in dem Gefahren, aber auch zahlreiche Schätze lauerten. Die Zork-Reihe war ein Fantasy-Abenteuer. Es spielt in einem altertümlichen Reich, das vom Spieler untersucht wird. Im ersten Teil geht es vorrangig darum, zwanzig Schätze zu finden. In den folgenden Teilen sammeln wir zwar immer noch Schätze, besiegen aber im dritten Teil den Dungeon Master um seinen Platz einzunehmen.

Im Abenteuer Deadline spielen wir einen Privatdetektiv und klären den vermeintlichen Selbstmord eines reichen Unternehmers auf. In The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy spielen wir die Handlung der Serie „Per Anhalter durch die Galaxis“ nach und befinden uns auf der Suche nach dem verlorenen Planet Magrathea. Moonmist macht den Spieler erneut zum Detektiv, allerdings auf einem Schloss, um dort einen Schatz und viele Geheimnisse aufzudecken.

Abenteuerspiele funktionieren textlich in jeder gewünschten Umgebung hervorragend. Zunächst lebt das Genre von mysteriösen Umgebungen, die es zu entdecken gilt. Egal ob Fantasy, Science Fiction, Gegenwart oder der kalte Krieg (Border Zone), für die Entwickler ist das Szenario mit minimalem Aufwand zu realisieren. Man braucht keine Grafiken, somit auch keine Animationen, kein gesprochenes Wort sondern lediglich die Fähigkeit, Texte lebendig zu schreiben.

Grafik auf dem Schirm

Infocom war zwar in der Lage den eigenen Parser zu verbessern und tolle Geschichten zu erzählen, aber bereits Anfang der 1980er Jahre entwickelten sich die Homecomputer rasend schnell weiter. Dies führte dazu, dass mehr Speicherplatz vorhanden und Grafiken besser angezeigt werden konnten.

Bereits 1980 zeigte Mystery House erste Grafikelemente. Auch wenn diese noch sehr spröde und lieblos erschienen, galt es als erstes grafisches Adventure. 1984 erschuf die geniale Roberta Williams, von der auch Mystery House stammt, die King’s Quest – Reihe und erfand das Genre der Grafikadventure. In 16 Farben gekleideter EGA-Grafik. Sierra On-Line, ihre eigene Firma die sie mit ihrem Mann Ken 1979 gründete, war zugleich Entwickler und Publisher der Spielereihe und läutete damit eine neue Ära ein.

Am Anfang von Kings Quest I
Am Anfang von Kings Quest I

Wie sich die Spiele weiter entwickelten, schauen wir uns im zweiten Teil genauer an. Außerdem werden wir einen Blick darauf, wie klassische Rätsel funktionieren.

Weitere Teile

Teil 2 – Der Berg ruft
Teil 3 – Lucas und die SCUMM-Lokomotive
Teil 4 – Fotorealistisch?
Teil 5 – Aufbruch in neue Abenteuer
Teil 6 – Zurück in der Gegenwart

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