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Als 1984 Sierra On-Line mit King‘s Quest das erste Grafikadventure veröffentlichte, läutete es langsam aber sicher das Ende der Textadventure ein. Doch wirklich aussterben wollte das Genre nie.

Totgesagte leben länger

blank1986 übernahm Activision das finanziell schwer angeschlagene Infocom. Infocom war bis dahin die Referenz auf dem Gebiet der Textadventure. Große Spiele wurden auf bis zu 10 Plattformen portiert, doch das reichte nicht, um dem Unternehmen das Überleben zu sichern. Zwischenzeitlich versuchten sie, sich mit einer Datenbankanwendung ein zweites Standbein aufzubauen, doch das Scheitern dieses Unterfangens führte zu noch mehr Problemen und letztlich zum Verkauf.

Unter der Leitung von Activision versuchte man noch ein paar Grafikadventure wie Zork Zero und Journey unter das Volk zu bringen, eine finanzielle Rettung war dies aber auch nicht. Am fünften Mai 1989 wurde Infocom von Activision aufgelöst und die noch verbliebenen Mitarbeiter entlassen.

Das war aber nicht das Ende der Textadventure. Legend Entertainment veröffentlichte mit Eric the Unready noch 1993 ein Textadventure mit grafischen Elementen und erhielt sogar von den Kritikern ziemlich gute Bewertungen. Dass das Spiel seine Fans hatte zeigte, dass 2018 sogar eine auf modernen Plattformen laufende Version auf GOG.com (Good Old Games) angeboten wurde. Für knapp 6 Dollar kann man sich vom Genre begeistern lassen.

Selbst heute werden noch Textadventure entwickelt, meist von Enthusiasten, die das alte Genre für Browser und mobile Geräte aufpolieren.

Der Fluch der Texte

Textadventure hatten den unbestrittenen Vorteil, dass sie auf nahezu jeder Plattform liefen. Es war keine Grafik und kein Sound nötig, wodurch die Spiele speicherschonend waren. Aus heutiger Sicht stellen textbasierte Spiele ein Bindeglied zwischen Spiel und Buch dar und der Entwickler kann selbst wählen, wie nah er sich an dem einen oder dem anderen Kunstwerk anlehnen möchte. Gerade heute, wo das Genre keine kommerzielle Relevanz aufweist, kann man sich als Entwickler befreit von jedem Markt und jeder Zielgruppe austoben.

Doch Textadventure hatten auch einige Nachteile. Man kann sie zwar auf jede Plattform portieren, aber die Sprache stellt ein großes Hindernis dar. Textadventure mit dem eigenen Parser lassen sich nicht so einfach in jede beliebige Sprache portieren. Möglich ist das durchaus, aber mit einem hohen Aufwand verbunden. Ein flottes Arcade-Spiel mochte zwar Anfang der 1980er Jahre nicht auf jedem Heimcomputer laufen, aber die wenigen englischen Texte verstand jedes Kind und wenn nicht, war die Übersetzung eine relativ einfache Sache, die zugegebenermaßen dennoch oft misslang.

Das zweite Problem war die Zielgruppe. Um diese Spiele spielen zu können, musste man lesen und schreiben können und dies auch stundenlang wollen. Kinder und Jugendliche schieden somit als Zielgruppe nahezu aus. Eine bewegte Spielfigur mit wenigen Texten, wie in King‘s Quest I, machte einfach viel mehr Lust als seitenweise Texte auf einem flimmernden Röhrenmonitor. Man muss diese Revolution des Sierra-Titels allerdings ein wenig relativieren. Die meisten Befehle mussten noch als Text eingegeben werden und auch viele Hinweise und Beschreibungen von Räumen und Objekten lagen nur als Text vor, aber es war deutlich weniger als in den Spielen zuvor. Die 16-Farben Grafik, die kleinen Animationen und die gepixelte Spielwelt waren viel einladender und Spieler waren eher bereit, die Texte als Hindernis zur Spielwelt zu akzeptieren. Selbst wenn Kinder mit Lesen und Schreiben überfordert waren, konnten Eltern diese Spiele besser mit den Kindern genießen, da diese nicht nur Zahlen und Buchstaben, sondern eine animierte Figur auf dem Bildschirm bestaunen durften.

King's Quest 1

Der letzte große Nachteil von Textadventuren war die Vermarktungsmöglichkeit. Von Spielen wie Pitfall! konnte man sogar 1982 Screenshots zeigen und die Spieler anlocken. Bei Textadventuren konnte man höchstens mit einem guten Coverbild und einem markigen Titel punkten, aber selbst das machten andere Genres meist besser.

Sierras Revolution

1979 gründete die sympathische Blondine Roberta Williams mit ihrem Mann Kenn die Firma On-Line Systems, die 1982 Sierra On-Line hieß und erst 1998 in Sierra Entertainment umbenannt wurde. Sierra war eine kleine Spieleschmiede, wie es sie damals zuhauf gab. Mit Mystery House veröffentlichten sie 1980 ihren ersten Titel. Ein Textadventure mit einigen Grafiken, weshalb es als das erste grafische Adventure in die Geschichte einging. Eine Revolution löste dies noch nicht aus und so hielt sich die Firma einige Jahre mit mehreren heute unbekannten Spielen über Wasser, bis 1984 King’s Quest I: Quest for the Crown veröffentlicht wurde. Das Spiel mit dem etwas sperrigen Titel löste ein größeres Erdbeben in der Branche aus, war es doch das erste Grafikadventure der Welt.

King's Quest 1

Klassische Adventure bestanden immer aus einer mehr oder weniger großen Handlung, vielen Charakteren und Rätseln. Durch Interaktion mit der Umgebung trieb der Spieler die Handlung selbst voran bis er alle Rätsel löste und – meistens mit Köpfchen, die Welt, ein Königreich oder das Universum rettete – nicht mit dem Schwert sondern der Feder. Doch es gab viele Subgenres die wiederum zu eigenen großen Genres wurden, etwa RPG, Action-Adventure und viele weitere. Mit dem Sprung von Text zu Grafik gingen viele Spiele dazu über aus den klassischen Rätseln kleinere, meist weniger komplizierte Quests zu machen und den Schwerpunkt auf die Action zu verlagern.

Roberta Williams hingegen behielt die Atmosphäre der klassischen Textadventure bei und erweiterte sie um Elemente, welche die Grafik hervorragend in die erdachte Spielwelt mit einbezogen. So war ein wesentlicher Bestandteil der Spiele die „Möglichkeit“ zu sterben. Das schien auf dem ersten Blick nicht in das ruhige Genre zu passen, doch Roberta wusste genau, wie man dieses Element einbaute, ohne für zu viel Frust zu sorgen.

King's Quest 1

Bereits in King‘s Quest I gibt es am Anfang die Szene, wo der Held vor einer Burg steht und den Burggraben überwinden muss. Mit den Pfeiltasten bewegt der Spieler die Figur und läuft auf einem Steg über den Wassergraben, in dem sich einige schlecht gelaunte Krokodile befinden. Der Spieler kann die voll animierte Figur Sir Graham beliebig steuern und somit auch in den Graben fallen. Er kann sterben, bekommt aber nach dem Tod ein paar spöttische Kommentare und Tipps, wie er es besser machen kann. In Zeiten ohne Autosave mag das etwas frustrierend sein, aber Spieler waren zu dieser Zeit ohnehin frustresistenter. Das man gleich zu beginn sterben konnte, war clever. Der Spieler war sofort gewarnt und wusste, dass die Speicherfunktion sehr wichtig werden würde. Durch die Tipps beim Tod bekommen diese Szenen eine tiefere Bedeutung. Manchmal ist es besser nach dem Tod einen Tipp zu erhalten als lediglich eine Wand zu sehen, an der man nicht weiterkommt. Da viele Sterbeszenen in den Sierra-Spielen ziemlich originell waren, hatten sie einen zusätzlichen Unterhaltungswert.

Wie gesagt, konnte das Spiel nicht ganz auf Text verzichten. Abgesehen von der Bewegung musste jede Aktion vom Spieler eingegeben werden. Gespräche, Untersuchung der Umgebung und andere Interaktionen erfolgten lediglich über eine Texteingabe. Nimm dieses, gib jenes, mach dies und das waren normale Interaktionen. Dennoch war der Sprung revolutionär.

King's Quest 1

Aus heutiger Sicht kann man die Begeisterung kaum verstehen, aber King‘s Quest war damals in Sachen Grafikqualität durchaus eine Referenz. Das Spiel wurde von IBM in Auftrag gegeben um die Fähigkeiten ihres PCjrs zu demonstrieren. Hierfür entwickelte Sierra die Adventure Game Interpreter Engine, die rund fünf Jahre für zahlreiche Spiele herhalten durfte.

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