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Marketing

Zur Einführung des neuen Computers ließ sich Commodore nicht lumpen. Auf einer Gala im Vivian Beaumont Theater im Lincoln Center in New York City mit Stars wie Andy Warhol und Debbie Harry wurde die Wundermaschine vorgestellt. Warhol war ein sehr bekannter US-amerikanischer Künstler, Filmregisseur und Produzent, der zu den führenden Vertretern der als Pop Art bekannten visuellen Kunstbewegung gehörte. Live führte er Grafikfunktionen des Amigas vor, indem er Debbie Harry porträtierte und bspw. die Füllfunktionen zeigte. Diese waren noch fehlerhaft und er wurde von Commodore vorher gebeten, diese nicht zu nutzen. Zum Glück für alle Beteiligten ging die Livedemostration gut.

Amiga 1000 Innenleben
Amiga 1000 Innenleben (Foto: Wikipedia)

Doch Commodore hatte ernsthafte Probleme, den Amiga richtig zu bewerben. Einerseits, weil sie glaubten, dies nicht zu müssen, schließlich hatten sie mit dem C64 eine Gelddruckmaschine. Andererseits konnte der Amiga so viel, dass ihn das Marketing nicht eindeutig einer Zielgruppe zuordnen konnte.

Das erste offizielle Amiga-Logo war ein regenbogenfarbenes Doppelhäkchen. In späterem Marketingmaterial ließ Commodore das Häkchen weitgehend fallen und verwendete Logos mit verschiedenen Schrifttypen. Obwohl es nie als Markenzeichen von Commodore übernommen wurde, ist der „Boing Ball“ seit seiner Einführung ein Synonym für den Amiga. Er wurde zu einem inoffiziellen und dauerhaften Thema nach einer visuell beeindruckenden animierten Demonstration auf der Winter Consumer Electronics Show im Januar 1984, die einen karierten Ball zeigte, der hüpfte und rotierte. Nach dem Kauf von Commodore durch Escom im Jahr 1996 wurde das Boing-Ball-Thema in ein neues Logo integriert.

Amiga Boing Ball
Amiga Boing Ball (Foto: Wikipedia)

Frühe Commodore-Werbungen versuchten, den Computer als universell einsetzbare Business-Maschine darzustellen, obwohl der Amiga als Heimcomputer kommerziell am erfolgreichsten war. Insgesamt verkaufte sich der A1000 in Deutschland, einem der stärksten Commodore-Märkte, nur 27.500 Mal. Das Marketing schaffte es, insbesondere in den USA, bei allen Werbeformen auf die außerordentlichen Grafikfähigkeiten des Computers zu verweisen. Es konnten 32 Farben aus einer Palette von 4096 Farben angezeigt werden, dem Kunden wurde diese Information erfolgreich vorenthalten. Hinzu kam der, verglichen mit dem Atari ST, sehr hohe Preis. Ohne Monitor war der A1000 für 1285 $ zu haben. Der Atari ST ging mit Monitor bereits für 999 $ über den Ladentisch. Für den Kunden war nicht ersichtlich, warum er für den Amiga mehr zahlen sollte.

Also begann man mit einem Strategiewechsel. Man splittete den Amiga für zwei Märkte auf. 1987 erschien zunächst der A2000 für den professionellen Markt. Sieben Monate später kam der A500, der auf Spieler zugeschnitten wurde. Während die Modelle A1000 und A2000 ein hässliches Desktopgehäuse hatten, war der A500 in der Tastatur integriert, wie man es vom Atari ST, C64, C128 und anderen Computern gewohnt war. In den 1980ern und frühen 1990ern Jahren schaltete Commodore hauptsächlich Werbung in Computerzeitschriften und gelegentlich in nationalen Zeitungen und im Fernsehen.

Das neue Design des Amiga 500 hatte nicht zwingend ästhetische, sondern viel mehr Kostengründe. Das Ziel bestand darin, einen Amiga zu erschaffen, der bei 500 $ oder darunter lag, um dem Atari ST weiter Konkurrenz zu machen. Dafür mussten vor allem die externe Tastatur und das eingebaute Netzteil wegfallen, was zwangsläufig zu einem Design führte, wie er vom C64 bzw. VIC 20 bestens bekannt war, wobei dem Amiga 500 der C128 unmittelbar Pate stand. Zudem wurde aus der vierlagigen Platine des A1000 eine zweilagige. Laut Jeff Porter, dem führenden Projektleiter des A500, waren die 500 US-Dollar ein magischer Preispunkt: „Du verkaufst doppelt so viele Exemplare für 500 US-Dollar, als wenn der Preis 600 US-Dollar wäre.“ (Interview RETURN-Magazin Sonderausgabe 1; 2022)

Amiga 2000
Amiga 2000 (Foto: Wikipedia)

Die Verkaufszahlen besserten sich, konnten aber mit dem C64 und anderen Computern kaum mithalten. Der A2000 kam in Deutschland auf 124.500 Stück, der A500 auf immerhin 1.081.000. Zum Vergleich: Der C64 wurde alleine in Deutschland über drei Millionen Mal verkauft.

Der Erfolg des A500 brachte zudem das Problem mit sich, dass der Amiga als „Daddelkiste“ verschrien war. Sicher, er war dafür genial und funktionierte sogar teilweise wie eine Konsole. Man legte eine Diskette ein und das Spiel startete sofort. Jeder noch so Minderbegabte konnte etwas damit anfangen. Aber der Amiga war mehr, was vielen Kunden ebenso verborgen blieb wie dem Commodore-Marketing. Im Vergleich zu den US-Verkaufszahlen waren die aus Deutschland ausgesprochen gut, weil der Amiga, ebenso wie in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden, anders beworben wurde.

Das große Hecheln

Eines der wenigen Vorteile eines IBM-PCs war die Erweiterbarkeit. Man konnte ein günstiges Grundsystem kaufen und dieses fast beliebig erweitern. Speicher, neuer Prozessor, Grafik- und Soundkarten konnten durch neuere, bessere Modelle ausgetauscht werden. Der Amiga war beinahe so flexibel. Durch die zahlreichen Steckplätze wurden vor allem Arbeitsspeicher und Geschwindigkeit gesteigert.

Commodore PC 20 III
Commodore PC 20-III (Foto: Wikipedia)

Commodore brachte mit den Jahren weitere Versionen des Amigas heraus, von denen einige floppten oder zu spät auf den Markt kamen. Letzteres gilt für die AGA-Systeme A1200 und A4000 (beide 1992). Kommerzielle Misserfolge waren CDTV, CD32, Amiga 500+ und Amiga 600 (immerhin 193.000-mal in Deutschland verkauft). Während die Amigas in Europa zumindest in Kinder- und Jugendzimmern beliebt waren, hatten sie in den USA einen sehr schweren Stand. Neben der PC-Sparte machte auch Apple das Leben von Commodore schwer. Der private Krieg mit Atari und somit mit Jack Tramiel, machte es der Marke nicht leichter, sich durchzusetzen.

In Bezug auf Macintosh kämpfe Commodore weniger gegen Hard- und Software, sondern gegen eine Marke und ihren guten Ruf. Obwohl man technisch größtenteils überlegen war, gelang es Apple immer, sich klar zu positionieren. Die Produkte dieser Firma waren selten die besten am Markt und nie die günstigsten, aber das Marketing konnte den Kunden stets suggerieren, das beste und edelste Produkt zu erhalten. Technische Daten, reine Fakten, waren irrelevant.

Commodore PC 30 III
Commodore PC 30-III (Foto: Wikipedia)

Die Situation gegen den PC war eine andere. PCs waren nicht sexy, schon gar nicht von IBM. Das Betriebssystem MS-DOS wirkte im Vergleich zu AmigaOS wie aus der Steinzeit. Statt tolle Musik bekamen PC-Spieler nur Pieptöne zu hören, sofern sie nicht in eine Soundkarte investierten. Und selbst dann war nicht sicher, ob diese vom Spiel unterstützt wurde. Doch der PC hatte einige Vorteile: Eine enorme Zahl an Software, große Flexibilität und den Umstand, dass jede Komponente von vielen verschiedenen Firmen geliefert wurde.

Das bedeutet: Commodore kämpfte am PC-Markt nicht gegen eine Firma, sondern tausende. Während PC-Besitzer immerhin zwischen Intel- und AMD-Prozessoren wählen konnten, war Commodore auf die Weiterentwicklung bei Motorola angewiesen. Entwicklung von Grafik- und Soundchips klebten ebenso an Commodore wie das Betriebssystem selbst. Das hatte durchaus Vorteile, da man sicher(er) sein konnte, dass alles funktioniert, aber das Marketing konnte diese Stärken nie verkaufen.

Amiga 4000T
Amiga 4000T (Foto: Wikipedia)

Stattdessen hechelte man der Konkurrenz hinterher, was teils irrsinnige Blüten trieb. So kam man irgendwann auf die Idee, Erweiterungskarten zu entwickeln, mit denen man einen Amiga zu einem voll funktionsfähigen PC umrüsten konnte, inklusive MS-DOS. Das ist so absurd, als würde Ferrari seinen Kunden ein Paket anbieten, mit dem man den Ferrari zu einem VW-Golf umbauen kann.

Zu allem Überfluss baute Commodore in Deutschland noch eine reine PC-Marke auf, die aber mit den bereits vorhandenen Angeboten kaum mithalten konnte. Dies zeigt die enorme Verzweiflung des Konzerns. Fuß fassen konnte der Amiga, abgesehen als Spielemaschine, nur bei Fernseh- und Videoproduktionen. Die Bürowelt blieb ihm weitestgehend verwehrt.

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