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Nach dem großartigen Film „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug” von 1989 warteten Fans sehnsüchtig auf einen Nachfolger. Dieser erschien als Computerspiel und viele Fans wünschen sich heute, es wäre auch dabei geblieben.

Es war einmal das Abenteuer

Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber es gab eine Zeit, als das beliebteste Genre auf dem PC Point-and-Click-Adventure waren. Dabei taten sich vor allem zwei Firmen hervor. Sierra On-Line, mit seinen Serien King’s Quest, Space Quest, Police Quest, Quest for Glory, Gabriel-Knight und Leisure-Suit-Larry, begeisterte vor allem Spieler, die noch irgendwie im Zeitalter der Textadventures hängen geblieben sind. Es gab zwar viele, meist recht minimalistische Grafiken und Animationen, die Bedienung erfolgte aber über Texteingabe. Und dann gab es da noch Lucasfilm Games, die 1991 in LucasArts umbenannt wurden.

LucasArts! Schon der Name lässt die Herzen Millionen Spieler höher schlagen. Wenn heute jemand von den guten alten PC Spielen spricht, meint er vor allem die SCUMM-Adventures. Maniac Mansion, Zak McKracken and the Alien Mindbenders, The Secret of Monkey Island, Day of the Tentacle, Sam & Max und viele weitere Spiele veränderten nicht nur den Standard für das Genre, sondern brachte auch viele Spieler dazu, sich in dieses Medium regelrecht zu verlieben. Nicht nur, aber besonders bei den rätsellastigen Abenteuerspielen wurde LucasArts zur Benchmark. Wer auch immer ein Adventure auf den Markt brachte, musste sich an diesen Spielen messen lassen – und verlor. Das ist in den allermeisten Fällen heute noch so.

Hut und Peitsche

Bereits der dritte Film wurde 1989 als Adventure auf den Markt gebracht. Indiana Jones and the Last Crusade war ein gutes Spiel und für Fans des Films durchaus das Richtige. Man spielte die Handlung des Hollywood-Streifens durch, löste dabei viele Rätsel und prügelte sich in Boxkämpfen mit Nazis. Ein herrlicher Spaß, der aber noch keine Maßstäben setzte. Als negativer Knackpunkt gilt heute noch Venedig. Erst sucht man schier Endlos nach Büchern in den Regalen, dann irrt man in den Katakomben herum. Aus heutiger Sicht gilt dies nicht als gutes Gamedesign.

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1992 kam mit Fate of Atlantis endlich der lang ersehnte Nachfolger raus und begeisterte Fachpresse und Spieler gleichermaßen. Das Spiel glänzte nicht nur durch seine, für damalige Zeit, extrem gute Grafik und Sound, sondern auch durch seine Handlung, Rätsel und dem ganzen Indy-Charme, der einen von der ersten Sekunde an einfängt.

Doch worum geht es eigentlich?

Ein Agent des Dritten Reiches entwendet Indy eine mysteriöse Statue, die der Archäologe keiner bekannten Hochkultur zuordnen konnte. Die Geschichte führt den Helden mit der Peitsche zu Sophia Hapgood, einer ehemaligen Assistentin und Geliebten von Indiana Jones. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach Atlantis, um die Pläne der Nazis zu vereiteln.

Wie so oft, dreht die Handlung auch dieses Mal am ganz großen Rad. Sie ist eine gelungene Mixtur aus verschiedenen Atlantis-Theorien und führt den Spieler über den halben Globus.

Es gibt verschiedene Wege, das Spiel durch zu spielen und entsprechend zwei unterschiedliche Enden. Der dabei entstehende Charme entsteht nicht nur durch die aus den Filmen bekannte Musik, sondern auch durch gewohnte Slapstick, rauen Sprüchen und der hemdsärmeligen Art des untypischen Professors.

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Stärken und Schwächen

Aus heutiger Sicht muss man dieses Spiel durchaus differenziert betrachten. Die Atmosphäre, die unterschiedlichen Lösungswege, Handlung und Charaktere sind selbst heute noch überragend. Die Steuerung mit den Aktionsverben ist zwar schon ewig ausgestorben, entfaltet aber, wie das ganze Spiel, seinen eigenen Zauber. Manche Rätsel und kleinere Durststrecken würden heute aber nicht mehr funktionieren. Damals, 1992, war es durchaus angebracht, heute würde das Rätseldesign die Wertung ordentlich in den Keller ziehen.

Ein paar Beispiele. In Algiers brauchen wir von einem Lebensmittelhändler etwas zum Essen, damit wir dies bei einem Bettler für eine Ballon-Fahrkarte eintauschen. Wir haben aber kein Geld. Bei einem anderen Händler können wir aber Gegenstände tauschen. Eines dieser Gegenstände braucht der Lebensmittelhändler, aber wir wissen nicht, welches. So kann durchaus eine halbe Stunde nur damit vergehen, dass wir tauschen und zwischen den beiden Händlern pendeln, bis wir endlich das richtige Objekt haben. Dass das Objekt der Begierde per Zufallsprinzip gewählt wird, macht es nicht besser.

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In Monte Carlo brauchen wir von einem Mann namens Trottier eine Steinscheibe. Der ganze Weg, bis man an diese Scheibe kommt, ist ziemlich nervig, da man sich durch lange Dialoge kämpfen muss. Immerhin gibt es am Ende der Passage zwei Lösungswege, wovon uns der zweite viel Zeit erspart, aber weniger Punkte bringt.

Der Flug mit dem besagten Ballon kann ebenfalls nervig sein. Wir können die Richtung nur indirekt steuern, also hoch und runter, wodurch sich die Flugrichtung ändert. Dies führt dazu, dass wir immer wieder irgendwo in der Wüste landen, nach dem Weg fragen müssen um dann neu aufzusteigen.

Entwicklungsgeschichte

Als die Fortsetzung von Indiana Jones and the Last Crusade: The Graphic Adventure beschlossen wurde, waren die meisten Mitarbeiter von Lucasfilm Games mit anderen Projekten wie The Secret of Monkey Island und The Dig beschäftigt.

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Auf Kreta entdecken wir ein geheimes Labyrinth

Der Designer Hal Barwood hatte zuvor nur zwei Computerspiele selbst entwickelt. Dennoch wurde er aufgrund seiner Erfahrung als Produzent und Autor von Spielfilmen mit dem Projekt betraut. Ursprünglich sollte er ein Spiel auf der Grundlage von Indiana Jones and the Monkey King/Garden of Life entwickeln, einem abgelehnten Drehbuch von Chris Columbus für den dritten Film, in dem Indiana in Afrika nach chinesischen Artefakten suchen sollte. Nach der Lektüre des Drehbuchs entschied Barwood jedoch, dass die Idee minderwertig war. Er bat darum, stattdessen eine originelle Geschichte für das Spiel zu entwickeln.

Zusammen mit seinem Kollegen Noah Falstein besuchte er die Bibliothek von George Lucas’ Arbeitsplatz Skywalker Ranch, um nach möglichen Handlungselementen zu suchen. Sie entschieden sich schließlich für Atlantis, als sie sich ein Diagramm in „irgendeinem billigen Bildband über die ungelösten Rätsel der Welt” ansahen, auf dem die Stadt in drei konzentrischen Kreisen dargestellt war.

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Gelegentlich müssen wir auch die Peitsche schwingen

Falstein und Barwood hatten ursprünglich das mythische Schwert Excalibur als Handlungselement für die Geschichte in Erwägung gezogen. Die Idee wurde verworfen, weil es Indiana Jones nicht ohne weiteres einen Grund gegeben hätte, irgendwohin außer nach England zu reisen.

Recherchen

Das Schreiben der Geschichte erforderte umfangreiche Recherchen in einer Fülle von pseudowissenschaftlichen Büchern. Die Inspiration für die Mythologie im Spiel, wie die Beschreibung der Stadt und das Auftauchen des Metalls Orichalkum, stammte in erster Linie aus Platons Dialogen Timaios und Kritias sowie aus Ignatius Loyola Donnellys Buch Atlantis: The Antediluvian World, das das Interesse an dem Mythos im neunzehnten Jahrhundert wiederbelebte.

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Die magischen Eigenschaften von Orichalcum und die im Spiel dargestellte atlantische Technologie wurden teilweise aus den Veröffentlichungen der russischen Spiritistin Helena Blavatsky über die Kraft Vril übernommen. Der riesige Koloss, der Götter hervorbringt, basierte auf einem Gerät zur Konzentration von Kräften, dem so genannten „Feuerstein”. Dieser wurde früher vom amerikanischen Hellseher Edgar Cayce beschrieben.

Drehbuch und Produktionsbeginn

Nachdem Barwood und Falstein den groben Entwurf der Geschichte fertiggestellt hatten, schrieb Barwood das eigentliche Drehbuch. Das Team begann, die Rätsel zu entwerfen und die Umgebungen zu gestalten. Die atlantischen Artefakte und die Architektur, die vom leitenden Künstler William Eaken entworfen wurden, sollten denen der minoischen Zivilisation ähneln. Das Spiel wiederum impliziert, dass die Minoer von Atlantis inspiriert wurden.

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Barwood wollte, dass die Kunst von Atlantis „außerirdisch” wirkt, wobei die Maschinen anscheinend eher auf einer noch unbekannten Physik als auf Magie beruhen.

Grafiken und Musik

Die Hintergründe wurden zunächst mit Bleistift skizziert, mit einer Schicht Grundfarbe versehen und dann in 256 Farben konvertiert und ausgebessert. Meistens wurden sie mit der Maus in Deluxe Paint gezeichnet, aber etwa zehn Prozent waren gescannte Gemälde.

Aufgrund regelmäßiger Designänderungen mussten die Bilder oft von den Künstlern überarbeitet werden. Die Animationen der Charaktere wurden vollständig mit Videomaterial von Steve Purcell für die Bewegungen von Indiana und Collette Michaud für die von Sophia rotoskopiert. Das Haupt-Art-Team, das aus Eaken, James Dollar und Avril Harrison bestand, wurde manchmal von Barwood konsultiert, um bei den eher grafischen Rätseln im Spiel zu helfen, wie z. B. einem kaputten Roboter in Atlantis.

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Gelegentlich ist Teamwork angesagt

Die Illustration der Verpackung von Fate of Atlantis wurde von den Indiana-Jones-Filmplakaten von Drew Struzan inspiriert. Sie wurde von Eaken innerhalb von drei Tagen gezeichnet, nachdem es zu Unstimmigkeiten mit der Marketingabteilung und einem externen Art Director über das zu verwendende Konzept gekommen war.

Clint Bajakian, Peter McConnell und Michael Land schufen den Soundtrack für das Spiel, indem sie John Williams’ Hauptthema „The Raiders March” für eine Vielzahl von Kompositionen arrangierten. Die DOS-Version verwendet sequenzierte Musik, die entweder von einem internen Lautsprecher, der FM-Synthese einer AdLib- oder Sound Blaster-Soundkarte oder der Sample-basierten Synthese eines Roland MT-32-Soundmoduls wiedergegeben wird.

Drei Pfade und die Stimmen

Die Hinzufügung von drei verschiedenen Pfaden wurde von Falstein vorgeschlagen und verlängerte die Entwicklungszeit um etwa sechs Monate. Dies hauptsächlich wegen all der zusätzlichen Dialoge, die für die Interaktion zwischen Indiana und Sophia implementiert werden mussten. Insgesamt dauerte die Fertigstellung des Spiels etwa zwei Jahre, beginnend Anfang 1990 bis zur Veröffentlichung auf Diskette im Juni 1992.

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Da ist das Ding! Atlantis ist aber kleiner als gedacht

Der einzige Aspekt, an dem Barwood überhaupt nicht beteiligt war, war die Produktion der Stimmen für die erweiterte „Talkie”-Edition, die im Mai 1993 auf CD-ROM veröffentlicht wurde, die stattdessen von Tamlynn Barra übernommen wurde. Die Voice-over-Aufnahmen für die etwa 8000 Dialogzeilen dauerten etwa vier Wochen und wurden mit Schauspielern der American Federation of Television and Radio Artists durchgeführt. Harrison Ford stand für die Aufnahme der Stimme von Indiana Jones nicht zur Verfügung, so dass ein Ersatzschauspieler, Doug Lee, eingesetzt wurde.

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Indiana Jones ist nun Kapitän eines Nazi-U-Boots

Victor Entertainment veröffentlichte das Spiel im August 1993 für FM Towns. Die „Talkie”-Version wurde später als zusätzlicher Spielmodus in die Wii-Version des Actionspiels Indiana Jones and the Staff of Kings aus dem Jahr 2009 aufgenommen und im Juli desselben Jahres über die Software zur Bereitstellung digitaler Inhalte Steam als Portierung für Windows XP, Windows Vista und Mac OS X vertrieben. Die Versionen für die Wii und auf Steam haben verbesserte MIDI-Versionen des Soundtracks sowie Stimmen und Text.

Kritikpunkte

Aus heutiger Sicht gibt es ein paar Punkte, die man sich als Spieleentwickler auf die Liste der vermeidenswerten Dinge schreiben sollte.

Die drei Pfade wurden eingeführt, um das Spiel für ein größeres Publikum schmackhaft zu machen. Anfang und Ende sind dabei immer gleich. Dazwischen kann man wählen, ob man als Team mit Sophia, im Actionmodus oder in Rätselmodus spielt. Das eigentliche, vollwertige Spiel ist der Teammodus. Zwar sind die Szenen und teilweise auch Charaktere in den anderen Modi unterschiedlich, diese fühlen sich aber nie vollwertig an.

Viele der Rätsel sind vom Anspruch her sehr schwankend. Es gibt kaum Kettenrätsel, meistens werden die Dinge einfach gehandhabt. Wirklich geistig anspruchsvoll ist dabei keines der Knobeleien.

Die Zufallselemente im Spiel sollen den Wiederspielwert steigern, aber an vielen Stellen nerven sie oder sind schlicht unfair. Zum Beispiel muss Sophia einmal erraten, wie viele Finger Trottier hinter seinem Rücken hat. Als Spieler kann man nur raten und wenn man falsch rät, muss man den ganzen Dialog neu starten. Das Spiel hat zum Glück nur wenige solch nervige Stellen, aber es gibt sie und somit besteht jedes Mal das Risiko, dass Spieler aufgeben.

Indiana Jones U-Boot-Szene
Indiana Jones U-Boot-Szene

Eine nervige Stelle ist auch die U-Boot Fahrt. Zu Atlantis gibt es mehrere Eingänge. Welcher aktiv ist, hängt vom Zufall ab. Bei einem dieser Eingänge ist die Steuerung besonders nervig. Man muss, ohne es richtig erkennen zu können, das U-Boot rückwärts einparken. Alleine mit dieser Aufgabe kann man als Spieler eine halbe Stunde beschäftigt sein.

Presse

Trotz der Schwächen ist das Spiel eine Zeitreise wert. Es ist ein würdiger Nachfolger der drei Filme und man fragt sich immer wieder, warum nicht diese Handlung als vierter Film produziert wurde. Auch die damalige Presse war davon begeistert. Die Australian Commodore and Amiga Review vergab 94 von 100 Punkten und meinte:

Wenn Sie ein erfahrener Abenteurer sind, ist dieses Spiel ein Muss. Wenn Sie noch nie ein Abenteuerspiel gespielt haben, sollten Sie dieses Spiel einmal ausprobieren. Äußerst empfehlenswert.

Auch die Amiga Joker war im Januar 1993 völlig aus dem Häuschen:

Summa summarum als eine gewaltige Präsentation, eine gewaltige Konvertierungs-Leistung und last but not least ein gewaltiges Spiel!

Gamers.at kam ebenfalls zu einem sehr positiven Schluss:

Es mag zwar fast ein Sakrileg sein, aber Dr. Jones Atlantis-Ausflug gefällt mir besser als jeder einzelne Kinofilm, und ist gleichzeitig so gekonnt geschrieben, dass ich ihn am liebsten verfilmt sehen würde – ob man Harrison Ford wohl nochmal in Indys Lederkluft und nach Atlantis bringen kann? Ich gebe mich allerdings auch gerne mit dem Adventure zufrieden: Drei Pfade und eine ausreichende Spiellänge für nur einen Storyweg sorgen für Abwechslung, die Puzzles stellen vor Herausforderungen, ohne zu überfordern. Großes Lob an LucasArts – weiter so!

Auch die PC-Spiele ’93 wusste die Vorzüge des Abenteuers zu schätzen:

Lucasfilm hat einen dermaßen hohen Qualitäts-Standard bei seinen Grafik-Adventures erreicht, dass Quantensprünge von Programm zu Programm schwerlich noch möglich sind. Der neue Indiana-Jones-Titel erfüllt alle hohen Erwartungen, bietet langen Spielspaß, eine hohe Motivation und lässt die Konkurrenz weit zurück.

Fazit

Jeder, der den Mann mit dem Hut liebt, sollte dieses Spiel einmal gespielt haben. Es ist heute noch auf Steam und bei Good old Games erhältlich. Stellenweise muss man allerdings ein bisschen frustresistent sein. Dafür bekommt man aber ein grandioses Abenteuer.

Weiterführende Links

Die Geschichte der Adventure Teil 1 – Im Anfang war das Wort
Die hohe Kunst des Rätseldesigns
Geschichten richtig erzählen

Externe Links

MobyGames-Seite zum Spiel
Das Spiel bei GOG

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