Wer hat nicht einmal davon geträumt, seine eigene Spieleschmiede zu besitzen? Oder noch besser, in das Jahr 1980 zurück zu reisen um dort in einer Garage die Videospiele-Industrie auf zu mischen? Mad Games Tycoon macht das möglich!
Vor dem Spielstart kann man bereits einige Dinge festlegen, wie etwa Firmennamen, Logo, die eigene Person und ein paar Spielbedingungen. Wir beginnen im Jahr 1980, also zu einer Zeit, als Arcade Games die Welt regierten und die ersten Heimcomputer die Wohn- und Kinderzimmer eroberten.
Die Laufbahn als Spieleentwickler beginnt, wie könnte es anders sein, in einer Doppelgarage. Mit wenigen Leuten, denen man gleich ein Gehalt zahlt, entwickelt man seine ersten Spiele. Nebenbei kann man Aufträge von anderen Firmen abarbeiten, seine eigenen Engines entwickeln und neue Technologien entwickeln. Monat für Monat wächst die Firma immer mehr. Mal landet man einen Hit, mal einen Flop. Wir werden dabei mit vielen Entscheidungen konfrontiert, die sich stets logisch und historisch passend anfühlen. Kaufen wir eine fremde Technik ein oder entwickeln wir selbst? Sollen wir Konsolentechnologie erforschen oder lieber die Finger davon lassen? Entwickeln wir wenige große Hits oder lieber mehrere kleine Spiele, die nicht so kostenintensiv sind? Brauchen wir den aktuellsten Kopierschutz? Für welche Systeme sollen wir entwickeln?
Mit der Zeit werden immer mehr Möglichkeiten freigeschaltet. Man braucht eine eigene Qualitätssicherung, die Bugs beseitigt und die Spielmechanik verbessert. Die Grafikabteilung verbessert natürlich die Optik, die Audio-Abteilung macht ebenfalls ihren Job. Noch etwas später kann man sich ein Motion Capture Studio bauen und sogar eigene Konsolen entwickeln. Im Idealfall arbeiten diese Abteilungen, deren Mitarbeiter wir selbst einstellen, wie Zahnräder eines Uhrwerks zusammen. Doch das ist eher selten der Fall, oft sieht es eher aus wie die Planungsstelle der Deutschen Bahn. Entwickler sind schnell, können aber auch externe Projekte annehmen. Wir brauchen also mehr Entwickler. Die Grafiker und Musiker sind langsamer, können aber bei einer Flaute nicht durch externe Aufträge ausgelastet werden. So hält man das Ganze entweder auf Sparflamme, damit einen die Mitarbeiterkosten nicht belasten, wenn es für eine Abteilung weniger zu tun gibt, oder man baut aus. Da man Mitarbeiter beliebig verschieben kann, ist es von Vorteil, mehrere, aber kleinere Abteilungen zu bauen und mit den Arbeitern zu rochieren. Eine zweite Qualitätssicherung kann das Spiel debuggen, während die erste das Gameplay optimiert. Doch da diese Leute sonst nur Däumchen drehen, werden die Mitarbeiter einer kleineren Entwicklergruppe dort hin verbannt. Bei Reorganisationen, die anstehen, wenn man ein neues Bürogebäude bezieht, hat man die Gelegenheit, die Mitarbeiter nach Stärken und Schwächen neu zu ordnen. Programmierer kommen in die Teams von Entwicklern, Grafiker landen im Grafikstudio oder bei Motion Capture und wer nichts kann, landet in der Qualitätssicherung.
Schnell merkt man, dass Mad Games Tycoon kein Spiel ist, bei dem man mit wenigen Klicks und kopflosen Entscheidungen weit kommt. Bewusste, gut durchdachte Handlungen führen zum Erfolg, Schlampereien und Nachlässigkeiten sehr schnell zum Ruin. Hier und da braucht man auch etwas Glück, damit ein gutes Spiel auch wirklich beim Publikum ankommt, doch letztlich hat man die Fäden selbst in der Hand. Mit einer Marketingabteilung kann man auf das Spiel aufmerksam machen. Man verteilt Flyer, kommuniziert mit der Fachpresse und macht Werbung über Radio und TV. Die Serviceabteilung kümmert sich um die Kunden und organisiert Veranstaltungen mit den Fans. In regelmäßigen Abständen kann man auf Messen einen Stand buchen und somit weiter auf sich und seine Produkte aufmerksam machen.
Wenn der Platz zu eng wird, kommt man mit der Arbeit nicht mehr nach und die Mitarbeiter werden unzufrieden. Toiletten sollten zur Grundausstattung gehören, doch schnell braucht man einen Aufenthaltsraum. Mitarbeiter arbeiten langsamer, wenn ihren Heizungen fehlen, sie gerne mehr Fernseher oder Kühlschränke hätten. Es ist also wie in einer normalen Firma. Alle meckern und der Chef zahlt zu wenig. Nein, vielleicht nicht ganz. Um Gehaltserhöhungen, Urlaub und andere Kinkerlitzchen muss man sich zum Glück nicht kümmern. Dafür um Publisher. Verhandlungen gibt es hier leider nicht, man wählt lediglich einen aus einer Liste aus, der zum entwickelten Spiel voraussichtlich am besten passt und einen selbst auch noch entlohnt. Pro verkauftes Spiel bekommt man dann zumeist 7 Dollar, manchmal auch weniger. Das bringt einen auf die Idee, selbst Publisher zu werden und auch das kann man in Mad Games Tycoon tun. Wenn man seine Spiele selbst produziert und vertreibt, macht man den größten Gewinn. Vor allem bei sehr guten spielen lohnt sich das. Sobald man eine Produktion hat, kann man auch die Spiele von anderen Entwicklern vertreiben und die Leute so ausbeuten, wie man es selbst am Anfang des Spiels erfahren hat. Mit einer Produktion kann man auch für andere Publisher produzieren, doch das ist mit Risiko verbunden. Hat man nur eine Produktion, kann man in der Zeit selbst nichts produzieren. Wie auch bei den Aufträgen in der Entwicklung, sind auch hier die Produktionsaufträge an Termine gebunden. Hält man diese nicht ein, zahlt man eine Strafe, die Bestandteil des Vertrages ist. Für eigene Produkte braucht man noch ein Lager. Es ist ratsam, nicht zu viele Spiele auf Lager zu haben. Wenn sich ein Spiel nicht mehr verkauft, wird es aus dem Handel genommen und man bleibt auf der teuer produzierten Ware sitzen. Die kann man entweder als Türstopper benutzen oder an Billighändler verramschen. Letzteres sollte man auch tun. Da man nicht so viele Türen hat, stehen die Dinger nur im Lager herum.
Dieser Schritt ist einer von vielen, wo Mad Games Tycoon Chancen verspielt hat. Hier und da mangelt es an Tiefe und weiteren Möglichkeiten. Ich kann zwar eine Zweitvermarktung starten, also ein älteres Spiel von mir billig auf den Markt werfen und sogar Spielebündel verkaufen, aber ich kann nicht mit Händlern verhandeln. Die Arbeit mit der Presse ist ebenfalls sehr monoton. Man sagt der Marketingabteilung nur, dass sie etwas machen muss, legt grob die Aktion fest, hat aber dann keinen tieferen Einfluss mehr. Die Marketingabteilung macht ein gewähltes Produkt lediglich so prominent, wie man es vorgibt. Man kann eine Spieleankündigung nicht als exklusive Geschichte über irgendeine Plattform veröffentlichen und auch bei der Interaktion mit den Fans hat man nur begrenzte Möglichkeiten.
Der Charme des Spiels kommt vor allem durch das Szenario und über dessen detaillierte Darbietung. Zwar sind alle Originalnamen verändert, Sega, Nintendo, Amiga und Co. bemerkt man aber trotz veränderten Namen und Logo. Die zahlreichen Systeme der letzten 40 Jahre wurden aufgenommen und selbst die Marktanteile erscheinen größtenteils realistisch. Dazu kommen noch die vielen Spieleentwickler und die teils kuriosen Spieltitel. Fast alles lehnt sich an echte Vorbilder an.
Im Laufe der Karriere erforscht man Genres und bedient mehrere von über 180 Themen, die man ebenfalls erforschen muss. Hat man noch die passende Engine, kann man seltsam anmutende Spiele kreieren. Zum Beispiel einen Mix aus Sport und Echtzeitstrategiespiel mit Elfen und Aliens. Den Titel wählen wir selbst und auch, in welcher Güteklasse das Spiel entwickelt werden soll. Natürlich gehört auch die Zielgruppe dazu, genauso die Plattform und der Kopierschutz. Auch wenn wir das als Spieler nicht gerne hören, der Entwickler scheint dies aus irgendwelchen Gründen zu brauchen.
Je mehr wir in unserer heutigen Zeit ankommen, umso mehr werden Genres wie MMOs und Free2Play Spiele populär. Wenn wir auf den Zug aufspringen, müssen wir vielleicht Lehrgeld bezahlen, doch das Geschäft lohnt sich und die Kasse klingelt mehr als bei jedem Titel, der nur über die Ladentheke wandert. Regelmäßige Updastes und Addons halten die Spieler bei Laune, ebenso unsere Buchhaltung. Um keinen Ärger zu bekommen, sollte der Serverraum immer genug Kapazität haben, sonst will keiner mehr bei uns spielen.
Je mehr wir uns im Spiel dem Jahr 2016 nähern, umso weniger Dinge gibt es zu erforschen. Neue Genres gibt es schon lange nicht mehr, ebenso vermissen wir Mobile-Plattformen und reine Browsergames. Irgendwann braucht man die Forschungsabteilung nur noch, um den letzten Schrei für Konsolen zu entwickeln. Hier hätte der Entwickler gerne etwas mehr Phantasie zeigen können.
Technisch ist Mad Games Tycoon solide, man merkt aber an allen Ecken und Enden an, dass es von einem kleinen Team entwickelt wurde. Die Grafik ist sehr detailarm und die Musik hängt einem spätestens nach 30 Spielstunden zum Hals raus, weil sich die sehr wenigen Lieder doch schnell wiederholen. Leider gibt es für die Spielstände nur 11 Slots, ab dann muss man alte Spielstände überschreiben. Ebenfalls ungewohnt: Das Spiel benutzt das Logo des Herstellers als Ladebildschirm. An der Stelle meint man, das Spiel würde abstürzen und tatsächlich reagiert es nicht (zeigt Windows zumindest an) wenn man darauf klickt.
Durch die unterschiedlichen Möglichkeiten vorzugehen, hat es einen recht hohen Wiederspielwert. Immer wieder stellt man sich die Frage, wie sich die Firma einwickelt hätte, wenn man sie anders ausgerichtet hätte. Darin liegt auch die wahre Stärke des Spiels: Die „was wäre wenn” Frage.
Fazit: Wirtschaftssimulationen sind eigentlich nicht so mein Ding. Wenn ich aber vermehrt den Sonnenaufgang im Herbst miterleben darf, weil ich noch immer vor dem PC sitze, muss es etwas Besonderes sein. Ja, Mad Games Tycoon ist ziemlich simpel. Die Musik könnte abwechslungsreicher sein, das Spiel durchaus mehr Tiefgang haben, besser aussehen und vieles mehr. Aber trotz seiner Schlichtheit weiß es einen zu fesseln, weil die Spielmechanik im Kern perfekt funktioniert. Es gibt eigentlich immer etwas zu tun und zu optimieren. Nach kurzer Zeit fiebert man den Reviews entgegen, hofft, dass das Spiel in der ersten Verkaufswoche alles funktioniert und freut sich, wenn man erfolgreich ist. Doch auch der umgekehrte Fall kann eintreten und man sitzt wie ein begossener Pudel vor dem Bildschirm wenn einem klar wird, dass man die gleichen Fehler begangen hat wie die Branchengrößen der 1980er oder 1990er Jahre. Das ist einfach nur Großartig! Auch wenn es nicht ganz zu einer absoluten Spitzenwertung gereicht hat, hoffe ich, dass es bald einen umfangreicheren, hübscheren Nachfolger gibt.
Positiv | Negativ |
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+ Süchtig machende Spielmechanik | – Detailarme Grafik |
+ Hoher Wiederspielwert | – An einigen Stellen fehlt etwas Spieltiefe |
+ In Sachen Spieleentwicklung sehr Detailverliebt | – Menüs teilweise nicht optimal, an einigen Stellen wären zusätzliche Anzeigen und mehr Infos in den Tooltips hilfreich |
+ Gute Balance der einzelnen Abteilungen und Entwicklungsschritte | – Nur 11 Speicherplätze für Spielstände |
+ Ausrichtung der eigenen Firma sehr umfangreich | – Keine Motivierende Grafiken oder Animationen bei bedeutenden Erfolgen |
+ Die meisten Entscheidungen wirken sich deutlich sichtbar aus | – Präsentation allgemein etwas spröde |
+ Hilfe bei der Raumausstattung | – Review-Texten fehlt Abwechslung |
+ Umfangreiche Optionen und Anpassungsmöglichkeiten | |
+ Hilfreiche Automatismen | |
+ Erfolge und Misserfolge immer gut nachvollziehbar |