Was tun, wenn man für ein Spiel schwärmt, aber der Nachfolger erfüllt nicht die Erwartungen? Genau, man muss eben einen inoffiziellen Nachfolger selbst erschaffen. So oder so ähnlich müssen sich das die Profis und begabten Amateure rund um das Projekt The Dark Mod auch gedacht haben. Nach Thief I und Thief II war das Sequel eher eine Enttäuschung. Doch für Fans von The Dark Project und The Metal Age gibt es bei The Dark Mod noch viel zu erleben.
Aus der Not eine Tugend machen
Im Mai 2004 erschien Thief III, Deadly Shadows, doch viele Fans waren enttäuscht. Die liebgewonnene Geschichte um die Hammeriten und ihren Maschinenwesen wurde nicht weiterverfolgt, und Fans der Serie fühlten sich nach dem grandiosen zweiten Teil (Thief II, The Metal Age, März 2000) enttäuscht. Doch waschechte Diebes-Fans veröffentlichten 2009 bereits eine Mod für die Doom 3 Engine und nannten diese „The Dark Mod“. Im Jahre 2011 passierte etwas, was die Doom-3 Modder-Herzen höher schlagen lies: ID-Software veröffentlichte ihre Doom 3 Engine samt Sourcecode unter der GPL. Als Resultat konnte das TDM- (The Dark Mod) Projekt mit Version 2.0 nun als Stand-Alone-Projekt realisiert werden, auf Basis des professionellen Doom 3-Quelltextes.
Dark Radiant sorgt für reichlich Missionen
Mittlerweile ist TDM bei Version 2.09 (Febr. 2021) und wird aktiv weiterentwickelt. Das anspruchsvolle Gothic-Steampunk-Stealth-Game ist kostenlos auf dem Webauftritt des Spiels zum Download erhältlich. Doch nicht nur das Game lockt mit einer überzeugenden Grafik und Gameplay, auch der Editor Dark Radiant ermöglicht den Bau eigener Fan-Missions. Dark Radiant basiert auf GtkRadiant, einem 3D-Map-Editor der wiederum auf dem Quake-Editor-Quellcode von ID-Software basiert.
Der Editor Dark Radiant verwendet zahlreiche Assets. Diese erhält er durch eine Installation von TDM. So benötigt man das Game um mit dem Editor sinnvoll zu arbeiten. Für die Verwendung des Editors sind keine C++ Kenntnisse erforderlich, das übliche KI-Verhalten und übliche Missionsziele sind bei Bedarf bereits vordefiniert.
Kinderleichte Missions-Verwaltung
Das Team von TDM liefert also eine kostenfreie Engine samt Editor. Der Rest liegt in den Händen der Fans. Und diese waren fleißig. Es gibt über hundert von fertig erstellten Fan-Missions, welche auch innerhalb des Games gelistet, gefiltert und gedownloadet werden können. So entfällt ein lästiges separates Runterladen und Kopieren in das richtige Verzeichnis. Stattdessen ist die Installation von neuen Fan-Missionen mit ein paar Mausklicks innerhalb von TDM kinderleicht. Das gleiche gilt für Updates der installierten Missionen – so kann man seine Lieblings-Missionen über die Menus von TDM stets aktuell halten.
Manche Fan-Mission bilden kleine Kurzserien mit fortführender Story. Andere Missionen wurden mit professionellen Sprechern, selbst erstellten Assets oder tiefgehender Kenntnis des Editors zu einem besonderen Erlebnis. Wie häufig bei solchen Projekten sind die Missionen allerdings fast immer auf Englisch. Dabei gelang es mir mit meinem angestaubten Schulenglisch immer, der Handlung soweit zu folgen.
An dem Projekt TDM + Editor arbeiten sieben sehr aktive Teammember, zudem eine Reihe von Testern und Entwicklern, die sich gelegentlich einbringen. Programmiert wird das Game und der Editor in C++, sowie auch manche Management Tools in Python. Und bei so viel Einsatz ist es nicht weiter verwunderlich, wenn das nächste Update schon in den Startlöchern steht: Version 2.10 ist für Dezember 21/Januar 22 vorgesehen.
Doch wie spielt sich The Dark Mod?
Eigentlich wie die großen Vorbilder. Es handelt sich um ein First-Person-Stealth-Game, wo der Aufenthalt in dunklen Ecken einen fast unsichtbar macht und man gut daran tut, Licht und Lärm zu vermeiden. So schleicht man von Schatten zu Schatten, knackt Schlösser, sucht Schlüssel, löst knifflige Aufgaben oder entledigt sich auch schon mal einer Wache auf die harte Tour. Doch im offenen Kampf zieht man schnell den Kürzeren. Wenn es schon nicht anders geht, dann schleicht man sich am besten von Hinten an und zieht der Wache mit dem KO-Schläger eins über. Doch Vorsicht: manche Wachen tragen Helme.
In für mich gut designten Levels gibt es immer einen Weg ohne Gewalt, so dass man wie ein unsichtbarer Ninja durch die Straßen, Wohn- und Schlafzimmer der Bürger schleicht, Safes leerräumt und seine Missions-Aufträge erfüllt.
Für manche vielleicht eher ungewohnt ist der knallharte Schwierigkeitslevel der Missionen. Ein Lauf durch die dunkle Stadt ohne Quicksave/Quickload ist mir beispielsweise selten vergönnt. Dennoch empfinde ich das eher als Ansporn, eine bestimmte Stelle erneut zu probieren. Dabei geht es manchmal um Geschick, doch meistens um Überblick, Kalkül und auch schon mal eine Portion Glück.
Die Werkzeuge eines Diebes
Klassische Hilfsmittel sind dabei ein Lichtindikator am mittleren unteren Rand des Bildschirms – er gibt Auskunft darüber, wie gut sichtbar wir gerade sind. Generell sind Lichtquellen und Geräusche unser Feind, und so arbeiten wir mit Wasserpfeilen gegen Kerzen und Fackeln oder Moospfeilen gegen laute Bodenbeläge. Bogen, Dietrich und KO-Schläger sind die wichtigsten Utensilien bei der Diebestour.
Dabei ist die KI der Zivilisten und Wachen zu berücksichtigen. Gerne entzünden diese gelöschte Lichtquellen neu, und auch leblose Körper sollte man nicht einfach herumliegen lassen. Findet eine Wache den Körper eines Kollegen, so ist dieser Gegner für den Rest des Spiels hochgradig alarmiert!
Das ganze macht das Spiel knifflig und manchmal auch zur Geduldsprobe. Doch wenn man dann ein Rätsel löst, wenn man endlich den Safe knackt oder mit den Taschen voller Gold das Level abschließt, so ist das ein sehr befriedigendes Gefühl. Man atmet erleichtert auf (bzw. durch, da man vielleicht auch unwillkürlich die Luft angehalten hat), und plant schon den nächsten Raubzug.
Neben Zivilisten, Stadtwachen und fiesen Spinnen gibt es auch das eine oder andere Ungeheuer (vom Team als Werebeast und Manbeast bezeichnet – ich bin diesen Monstern aber (zum Glück) noch nie begegnet).
Wäre es nicht kostenfrei, wäre dies eine Kaufempfehlung
Für mich war damals die Thief-Reihe der Prototyp aller Stealthgames, an denen sich alle anderen messen lassen mussten. The Dark Mod muss sich hinter seinen Vorbildern nicht verstecken. Alleine die Vielzahl von Fan-Missionen, die kostenfreie Verfügbarkeit von Game und Editor sowie die Tatsache, dass das Projekt immer noch aktiv weiter entwickelt wird, sprechen für sich.
Vielen Dank an nbohr1more vom TDM-Team für die Beantwortung meiner Fragen!
Informationen:
Spielname: The Dark Mod
Entwickler: OpenSource-Team
Jahr: 2009
Plattform: Windows PC
Links
The Dark Mod – Webseite und Download
Positiv | Negativ |
+ tolle Gothic-Steampunk-Atmosphäre | – geringe Gegnervielfalt |
+ knifflige Stealth-Levels – mit roher Gewalt kommt man hier nicht weiter | – manche Levels sind für mich so schwer, das ich dann gefrusted bin |
+ über hundert Fan-Missionen | – Spielen ohne Sound ist nahezu nicht möglich, da Geräusche extrem wichtig sind |
+ sehr gute Missionsverwaltung |
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+ eigener Editor für eigene Missionen ebenfalls kostenfrei erhältlich |
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+ toller Sound – Schrittgeräusche alarmieren KI-Gegner |
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+ wird aktiv weiterentwickelt |
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+ lebendige Community im Dark-Mod-Forum |
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