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In den letzten Wochen zeigte YoYo Games geheimnisvolle Trailer und Bilder. Der Slogan „#Time2MeetYourMaker” ließ bereits erahnen, dass es sich um GameMaker: Studio 2 handeln würde. Nun ist die Katze aus dem Sack.

cwq5yzgxyaahnjs-jpg-largeSeit zwei Tagen wird die Entwicklergemeinde nahezu mit Informationen überflutet. 20 Videos und fast ebenso viele Texte sollen die Entwicklergemeinde auf das bevorstehende, neue GameMaker: Studio 2 einstimmen. Derzeit läuft der Betatest, bis zum endgültigen Release kann es aber nicht mehr lange dauern. Ich habe alle erhältlichen Videos und Texte ausgewertet und die wichtigsten Fakten zusammengetragen. Da ich leider keinen Beta-Zugang mehr erhielt, kann ich derzeit nur aus zweiter Hand erzählen. Die zwei wichtigsten Informationen vorab: Erstens gibt es sehr viel Licht, aber auch etwas Schatten beim neuen GameMaker. Zweitens kann man ohne Übertreibung sagen, dass die aktuellste Version die größte und umfangreichste Änderung bedeutet, seit es den GameMaker gibt. Selbst der Sprung von 8.1 zu Studio fiel nicht so deutlich aus, zumindest in Bezug auf Benutzerführung und Features.

Neue Fenstertechnik

In der Vergangenheit war es oft so, dass man von Benutzern anderer Entwicklungsumgebungen als GMler müde belächelt, oder gar ausgelacht wurde. Das lag nicht nur am Namen, der ein wenig nach einem Baukasten für Kinder klingt, sondern auch an den Fenstern. Im Vergleich zu professionellen Umgebungen wirkte GameMaker immer wie ein Programm aus Windows 98 Zeiten. Wenn man mit mehreren Objekten und Events gleichzeitig arbeitete, sah das Fenster aus, als würde man einen Stapel Spielkarten auf den Tisch werfen. Diese Zeiten sind nun endlich vorbei!

Vom Aufbau und von der Bedienung her erinnert GM:S2 stark an Visual Studio, fast noch mehr, als an GM:S1. Fenster die andocken, Tabulatoren für Arbeitsflächen, das Design der Fenster, Buttons und Eingabefelder wirkt durch und durch professionell und nicht mehr so, als hätte der kleine Bruder des Programmierers mal eben in Paint ein Menü designt. Selbst der Aufbau erinnert an Visual Studio. Die Ressourcen liegen nicht mehr rechts, sondern links, wie das oft bei VS eingestellt wird. Wer von solch einer Umgebung zu GM wechselt, wird sich nun deutlich wohler fühlen.

Dazu kommt noch das neue Node-System, wie man es beispielsweise vom Blueprint aus der Unreal Engine her kennt. Sofort sieht man die Verbindungen der einzelnen Fenster. So weit man das sehen kann, wurde das System sehr intelligent eingesetzt und es zieht sich durch die komplette Entwicklungsumgebung.

In GM:S2 lassen sich mehrere Arbeitsräume in Reitern öffnen. In jedem kann man Objekte und deren Code positionieren und so bequem hin und her springen. Im Vergleich zum Vorgänger kann man hier wirklich von Übersicht sprechen. Die Fenster befinden sich jeweils in einem zweidimensionalen Raum, der sich zoomen lässt, um stets die Übersicht zu behalten. Wer einmal in den Vorgängern ein mittelgroßes Projekt erstellt hat, wird die neue Übersicht zu schätzen wissen.

Image Editor

Der Image-Editor war im GM immer eine Krücke. Ja, man konnte damit Sprites erstellen und Pixeln, aber in nahezu jedem, auch kostenlosen Programm, konnte man das besser machen. Durch die Überarbeitungen entwickelt sich der Editor im neuen GM:S2 zu einer echten Bereicherung. Vieles erinnert nun stark an Photoshop und GIMP. So lassen sich endlich verschiedene Layer, sogar mit Ordnern, erstellen um Grafiken professioneller handhaben zu können. Im Split Screen kann man eine Grafik im Zoom und in voller Ansicht bearbeiten. Das dient ebenfalls der Übersicht.

Die neue Animationstechnik lässt das Herz eines jeden pixelbegeisterten Grafikers höher schlagen! Noch nie war es so einfach, Animationen zu pixeln, vor allem dynamische Effekte wie Feuer und Rauch. Während die Animation läuft, kann man an ihr weiter pixeln, bis man mit der Animation zufrieden ist.

Abgerundet wird das Ganze durch verschiedenen Überblendungs-Modi, mit denen viele tolle Effekte möglich sind.

Tileset-Editor

Auch der Tile-Editor wurde überarbeitet. Man kann aus einzelnen Tiles sogenannte Brushes erzeugen und diese im Level positionieren. Bei Brushes handelt es sich Gruppen von Tiles, wie etwa Räumen. Der Vorteil ist, dass man Abschnitte, die sich wiederholen sollen, nur einmal baut und dann direkt im Level so oft setzt, wie man es möchte.

Auto Tiling ist nun auch endlich möglich. Damit wählt der GM automatisch das passende Tile aus, wenn man beispielsweise eine Straße oder Mauer zeichnet, die aus Anfang, Ende und T-Stücken besteht. Bisher musste man jedes Tile manuell wählen, was viel Zeit kostete, oder mit Dummys arbeiten und es durch den Code beim laden des Raumes automatisiert ersetzen. Die Zeiten scheinen nun endgültig vorbei zu sein. Dem nicht genug, können Tiles jetzt auch animiert sein. Man muss Animationen also nicht zwangsläufig mit Sprites erstellen.

Insgesamt machen die Neuerungen einen hervorragenden Eindruck und beschleunigen vor allem die Arbeitsweise. Hier hat YoYo Games einen längst überfälligen Bereich deutlich verbessert.

Room Editor

Kaum ein Bereich schreite so sehr nach Überarbeitung wie der Raumeditor. Endlich wurde hier einiges getan. Die Räume sind nun Layer-Basiert. Man platziert Objekte in selbst angelegte Layer, welche die Depth in den Objekteinstellungen ersetzen sollen. Das ist durchaus sinnvoll, weil man mit den alten Einstellungen kaum eine Übersicht darüber hatte, welches Objekt vor dem anderen steht. Mit den Layern ist dieses Problem gelöst und man hat nun die Möglichkeit, einzelne Layer und Objekte auszublenden, um beim erstellen eines Levels mehr Übersicht zu haben.

Instanzen können direkt im Raum editiert werden und man kann von hier aus auf den Code des Objekts zugreifen. Das war vorher schon möglich, durch die neue Fenstertechnik ist das aber alles übersichtlicher und viel besser geworden. Durch multiple Spalten kann man nun bequem den Code aus mehreren Events nebeneinander legen. Eine Fensterhirarchie rundet das Ganze ab. In Kombination mit der neuen Tile-Engine ist das Arbeiten im Room-Editor deutlich schneller.

Im Raum können endlich Animationen angezeigt werden. Das gilt auch für Hintergründe, wenn der Hintergrund automatisch gescrollt wird. Hier ist eine Kompilierung nicht mehr notwendig. In einem Preview-Video wird kurz gezeigt, dass man mit Raumvererbung arbeiten kann. In wieweit dies nützlich ist und was dieses Feature im Detail bedeutet, wird sich noch zeigen.

Auch wenn die Neuerungen schon sehr vieles verbessern und die Entwicklung erleichtern, so ist es leider nicht möglich, im Room Editor zu spielen. Das Spiel muss vorher ausgeführt, also kompiliert werden. Wie viel Zeit der Test in der Entwicklungsumgebung sparen kann, wissen vor allem Entwickler, die mit der Unreal Engine 4 arbeiten. Dennoch ist YoYo Games mit den Verbesserungen auf einem richtig guten Weg.

Drag and Drop System

Bevor man ein neues Projekt startet, muss man wählen, ob man D&D oder GML verwenden möchte. So weit ich das durch die Vorschau sehen konnte, ist eine Mischung, wie früher, nicht mehr möglich. Allerdings zeigte ein Video, dass man D&D Befehle in GML konvertieren kann, was immer eine gute Sache ist. Der erzeugte Code lässt aber in der Formatierung etwas zu wünschen übrig. Ob es hier individuelle Einstellungsmöglichkeiten gibt, ist mir derzeit leider nicht bekannt.

Das System wurde komplett überarbeitet, was durch die Einführung des oben erwähnten Node-Systems eine logische Konsequenz ist. Anfänger werden mit dem neuen System sicherlich schnell warm werden. Allerdings ergibt sich durch den Komfort, dass man wahrscheinlich noch weniger zu GML wechseln möchte. Wenn man bedenkt, wie wenig sich beim Code-Editor getan hat, ist das auch nicht verwunderlich, aber dazu gleich noch mehr.

So schick das neue System auch ist, scheint es auch ein paar Krankheiten zu haben. Bei komplexeren Abfragen geht durch das aufgeblähte Node-System etwas die Übersicht flöten. Früher hatte man alle Anweisungen in einer Liste und musste sich dann durch die Fenster klicken. Wirklich gut war das auch nicht, aber irgendwie hatte man noch das Gefühl, es eher im Griff zu haben. Durch die Komplexen Baumstrukturen, welche durch das neue System möglich sind, geht die Übersicht verloren und es ist kaum möglich, das Ganze mit einem Blick zu erfassen, auch wenn man das meinen könnte. Zwar gibt es ein kleines Übersichtsfenster, aber wie hilfreich das bei größeren Projekten ist, wird sich noch zeigen müssen.

Code Editor

Seit Jahren ist der Code Editor eines meiner Lieblingsthemen, wenn es darum geht, was man am GM verbessern könnte. Vielleicht wollte mir YoYo Games auch den Gefallen tun und mir dieses Thema weiterhin lassen. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum sich an einem der wichtigsten Bestandteile fast nichts verändert hat. Nahezu jeder, auch kostenlose, Code-Editor, hat mehr Features zu bieten, als der GameMaker. Aber bevor ich ins Detail gehe, möchte ich die Neuerungen vorstellen, die mir bisher aufgefallen sind.

Scripte lassen sich wie gewohnt erstellen und an anderen Code Stellen aufrufen. Ein Klick mit der mittleren Maustaste auf diesen Aufruf öffnet den Code mit dem entsprechenden Script. Das ist extrem praktisch! Und übersichtlich, weil das neue Fenster, verbunden mit einer grünen Linie, direkt neben dem Hauptfenster erscheint und sich die Fenster nicht mehr wahllos überlappen.

Die Farbgebung wurde anscheinend ebenfalls etwas verbessert, aber das kann ich leider erst beurteilen, wenn ich selbst damit gearbeitet habe. Die Anzeige der Klammern, wenn der Zeiger daneben steht, sehe ich noch immer kritisch, aber vielleicht lässt sich das in den Einstellungen ja ändern.

Apropos Klammern. Diese werden leider immer noch nicht automatisch ergänzt. In den meisten Editoren auf dem Markt, selbst beim freien Notepad++, wird automatisch eine geschlossene Klammer, Eckklammer oder geschweifte Klammer gesetzt, sobald man eine öffnet. Dieses Feature wird im neuen GM weiterhin vermisst. Gleiches gilt natürlich für Anführungszeichen und vergleichbares. GM erkannte schon immer das Fehlen selbiger, warum nicht automatisch eine Klammer gesetzt wird, bleibt eines der ewigen Geheimnisse des Universums. Leider werden selbst beim Aufruf von Scripten oder Befehlen keine Klammern automatisch gesetzt, obwohl man diese immer braucht. Von einem automatischen Semikolon ganz zu schweigen, obwohl im entsprechenden Beispielvideo extra darauf hingewiesen wird, dass das zum guten Stil gehört.

Wichtige Tastenkombinationen fehlen ebenfalls. Zeile duplizieren geht nicht mit Strg+D,ebenso wie Strg+L, um eine Zeile zu löschen. Das Ganze muss weiterhin umständlich per Copy&Paste durchgeführt werden. Von automatischen Bäumen für if-else, Schleifen, Switch u.s.w. will ich gar nicht erst sprechen. Es bleibt dabei: Der Code-Editor ist weiterhin eine riesige Baustelle und wird professionelle Programmierer absolut nicht begeistern.

Neue Funktionen

Die Liste der neuen Funktionen ist riesig. Sehr gefreut habe ich mich darüber, dass der Umgang mit Arrays verbessert wurde. So lassen sich komplexe Arrays mit einer Zeile erzeugen.

Aus der Funktionsbeschreibung (Link unten) kann man lesen, dass viele Funktionen erweitert und verbessert wurden. Allerdings kann man dem auch entnehmen, dass Windows XP nicht mehr unterstützt wird. Für manche mag das dramatisch klingen, für Gamer hat die Plattform aber schon länger keine Relevanz mehr. Außerdem wird auf Kompatibilitätsprobleme von Hardwareherstellern hingewiesen, weshalb man davon ab rät, die Zeichenfunktion für Linien in Spielen zu verwenden.

Durch den enormen Umfang der Liste lässt sich derzeit noch nicht sagen, was sich verbessert oder verschlechtert hat. Aufgefallen ist mir, dass man mit load_csv eine CSV Datei laden kann. Eine Funktion zum Schreiben oder Funktionen zur Weiterverarbeitung konnte ich bisher nicht finden.

Was ich definitiv vermisse ist die Verarbeitung von XML Dateien. Dies würde zahlreiche, nützliche Möglichkeiten bieten.

Kompatibilität

Man ist es im GameMaker mittlerweile gewohnt, dass man bei einer neuen Version zumindest die Projekte vom direkten Vorgänger importieren kann. Das ist auch mit GM:S2 grundsätzlich möglich, aber durch die vielen Änderungen wird man zwangsläufig Hand anlegen müssen. Dafür gibt es einen eigenen Artikel, der entsprechende Tipps gibt (Link unten). Wer ältere Projekte importieren möchte, sollte sich das genau durchlesen.

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es möglich, beide Version des GameMakers zu öffnen, die Version 1.4 wird also nicht überschrieben. Somit kann man auch Projekte von Hand migrieren um dabei gleich die Verbesserungen der neuen Version zu nutzen. Das ist zwar viel Arbeit, aber immerhin möglich. Einen universellen Konverter gibt es leider auch dieses Mal nicht.

Fazit

GameMaker ist erwachsen geworden! Der neue Aufbau, die neue Fenstertechnik und die zahlreichen neuen Features machen einen sehr gelungenen, professionellen Eindruck. Diesbezüglich hat YoYo Games meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Die vielen Änderungen setzen auch voraus, dass man sich erst eingewöhnen muss. Kein Schalter ist mehr dort, wo man ihn vorher fand, doch wenn man sich erst einmal eingelebt hat, wird man schneller und professioneller Spiele entwickel können als je zuvor. Immerhin ist die Grundlogik, also die Handhabung der Ressourcen und die Events, gleich geblieben. Auf der Schattenseite ist zu vermerken, dass gerade dort, wo professionelle Entwicklung beginnt, die Dinge nicht konsequent zu Ende gebracht wurden. Was das erkennen von Variablen angeht, habe ich derzeit unterschiedliche Aussagen. Laut den Videos scheint dies nicht der Fall zu sein, berichten im deutschsprachigen Forum zufolge erkennt der GameMaker dies endlich. Leider fehlen im Code-Editor weiterhin Komfortfunktionen, die man aus fast jeder anderen Entwicklungsumgebung, allen voran Visual Studio, kennt. Das Schreiben von Code fühlt sich heute noch ein wenig an wie 1996, auch wenn der Editor und die Fenster besser aussehen als damals. Dennoch hat YoYo Games einen sehr wichtigen Schritt getan und es ist zu hoffen, dass sie, neben einigen Bugfixes, den Schwerpunkt auf den Code-Editor und dessen Dunstkreis legen. Für Einsteiger ist vor allem das überarbeitete D&D System super, nun sollten auch die professionellen Programmierer bedient werden.

Weiterführende Links

 

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THTerra
Gast
3. November 2016 14:40

Ich freue mich schon 🙂