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In den Anfängen der Spieleentwicklung, als die Bildschirme klein und die Träume groß waren, ragte ein Name heraus: John Carmack. Sein Einfluss auf die Branche ist monumental – von bahnbrechender Grafiktechnologie bis zur Erschaffung des Ego-Shooter-Genres. Er schrieb nicht nur verdammt guten Code, sondern auch einen bedeutenden Teil der Geschichte der Spieleentwicklung.

Die meisten seiner Spiele sind voller Blut. Düster, angsteinflößend und schnell. Er war vor allem für die Technik zuständig, konnte sich aber auch mit dem Szenario und dem Gameplay identifizieren, die sich Freunde und Kollegen ausgedacht haben. Seine Engines und die damit entwickelten Spiele haben ihn reich gemacht. Doch John Carmack wirkt auf Messen und in Interviews weder blutrünstig, noch wie ein abgehobener reicher Kerl. Der am 21. August 1970 in Kansas City geborene Amerikaner wirkt heute noch wie ein netter kleiner Junge, der mit hoher Stimme begeistert über Technik spricht. Seine Intelligenz, seinen Reichtum und die schier unfassbare Lebensleistung lässt er nicht heraushängen. Sein Werdegang ist geprägt von einer früh entdeckten Leidenschaft für Computer, innovativen Entwicklungen in der Spielebranche und einem unerschütterlichen Einsatz für Open-Source-Software.

Die Pionierzeit der Spieleentwicklung

Als John Carmack seine ersten Schritte in der Welt der Computerspiele unternahm, befand sich die Branche in einer faszinierenden Entwicklungsphase. Die späten 1970er und frühen 1980er Jahre waren geprägt von einem Aufschwung in der Verbreitung von Personal Computern, insbesondere des Apple II und des IBM-PC. Diese Computer boten erstmals eine Plattform, auf der Enthusiasten wie Carmack ihre ersten Schritte in der Programmierung machen konnten.

John Carmack 2017
John Carmack 2017; Foto: Wikipedia

In den Spielhallen florierte die goldene Ära der Arcade-Spiele, und Carmack tauchte in diese Welt ein, als er 1978 das Shoot-‘em-up-Spiel Space Invaders für sich entdeckte. Die fesselnde Natur dieser Games weckte seine Begeisterung für die Möglichkeiten der digitalen Unterhaltung. Später beeinflusste ihn auch das bahnbrechende Arcade-Labyrinthspiel Pac-Man von 1980 nachhaltig. Die Nintendo-Legende Shigeru Miyamoto bezeichnete er als den Gamedesigner, den er am meisten bewundere.

Der Apple II, C64, IBM-PC und weitere Homecomputer ermöglichten es Hobbyentwicklern, eigene Programme zu schreiben. In dieser Ära war der Zugang zu Computern und Informationen begrenzt. Die Programmierung erfolgte oft durch Eingabe von Code aus Büchern oder Magazinen, und Fehlerbehebung erforderte ein tiefes Verständnis der Hardware. Die Grafik- und Soundmöglichkeiten waren im Vergleich zu heute begrenzt, was die Kreativität und Innovation der Entwickler herausforderte. Dennoch entwickelten visionäre Köpfe wegweisende Spiele, die die Grundlage für die moderne Spielebranche legten.

Weg zur Spieleentwicklung

Carmack wuchs im Großraum Kansas City auf. In der High School brach er mit 14 Jahren in eine Schule ein, um bei einem Diebstahl von Apple II Computern zu helfen. Um ins Gebäude einzudringen, mixte Carmack eine Mischung aus Thermit und Vaseline, die die Fenster schmelzen ließ. Doch sein übergewichtiger Komplize hatte beim Einsteigen Probleme. Als er stattdessen das Fenster öffnete, löste das einen lautlosen Alarm aus, der die Polizei auf den Plan rief. Carmack wurde erwischt und für ein Jahr in eine Jugendstrafanstalt gesteckt.

Nach zwei Semestern an der University of Missouri-Kansas City brach er sein Studium ab, um als freiberuflicher Programmierer durchzustarten. Seine Karriere begann bei Softdisk in Louisiana, wo er auf andere talentierte Programmierer wie John Romero traf.

Catacomb 1 (1990) von Softdisk war noch ein 2D-Spiel
Catacomb 1 (1990) von Softdisk war noch ein 2D-Spiel

Softdisk

Carmacks Einstieg bei Softdisk markierten den Übergang von einfachen Heimcomputerprogrammen zu professionellen, kommerziell erfolgreichen Spielen. Später übertrug Softdisk diesem Team die Verantwortung für ein neues, jedoch kurzlebiges Spieleabonnement namens „Gamer’s Edge“ für die IBM-PC. In dieser Zeit begann sich auch das Genre der 3D-Spiele zu entwickeln, und Carmack war einer der Wegbereiter dieser neuen Ära.

Catacomb 3D (1991) war ein Vorgänger von Wolfenstein 3D und hatte noch EGA-Grafik
Catacomb 3D (1991) war ein Vorgänger von Wolfenstein 3D und hatte noch EGA-Grafik

Die von ihm entwickelten Engines wurden auch für andere erfolgreiche Spiele wie Blake Stone: Aliens of Gold, ShadowCaster, Heretic, Half-Life, Call of Duty, Heavy Metal: F.A.K.K. 2, Star Trek: Voyager – Elite Force, Star Wars Jedi Knight II: Jedi Outcast, Medal of Honor, Prey und Brink lizenziert, um nur einige zu nennen. Dies unterstreicht deutlich seine Bedeutung in der Branche.

Blake Stone: Aliens of Gold (1993) im Debug-Modus
Blake Stone: Aliens of Gold (1993) im Debug-Modus

Carmack’s Einfluss in der Spieleentwicklung ist durch zahlreiche Technologien und Innovationen gekennzeichnet. Er leistete Pionierarbeit bei der Einführung von „adaptive tile refresh“ für Commander Keen, Ray Casting für Spiele wie Hovertank 3D, Catacomb 3-D und Wolfenstein 3D, Binary Space Partitioning für Doom, Surface Caching für Quake und weitere Technologien.

id Software

John Carmack, John Romero und Tom Hall trafen sich in den Büros von Softdisk und entwickelten mehrere Spiele für Softdisks zweimonatliche Veröffentlichung, darunter Dangerous Dave. Zusammen mit einem weiteren Softdisk-Mitarbeiter, Lane Roathe, hatten sie eine kleine Gruppe namens Ideas from the Deep (IFD) gebildet. Im September 1990 entwickelte Carmack eine effiziente Methode, um Grafiken auf dem PC schnell zu scrollen. Sie heißt adaptive tile refresh (anpassbare Kachelaktualisierung). Bei dieser Methode wird der Bildschirm in rechteckige „Kacheln“ unterteilt, und nur diejenigen Kacheln aktualisiert, die sich tatsächlich verändert haben. Diese Technik reduziert die Rechenleistung erheblich. Sie trug dazu bei, die Leistungsfähigkeit von Computerspielen auf dem IBM-PC zu verbessern. Vor dieser Technologie gab es auf dem PC nur bessere Standbilder oder sehr ruckelige Grafik.

Dangerous Dave 1 in der VGA-Version von 1990, entwickelt von John Romero bei Softdisk. Die erste Version erschien 1988 für den Apple II mit sechs Farben
Dangerous Dave 1 in der VGA-Version von 1990, entwickelt von John Romero bei Softdisk. Die erste Version erschien 1988 für den Apple II mit sechs Farben

Dies führte zur Schaffung einer PC-Version von Super Mario Bros. 3. Nintendo zeigte Interesse, lehnte aber ab, ihre geistige Eigentumsgrundlage auf etwas anderem als ihrer eigenen Hardware zu sehen.

Scott Miller von Apogee Software wurde auf die Gruppe aufmerksam und schlug die Idee von Commander Keen vor. Nach dem Erfolg des ersten Teils gründeten Romero, John Carmack und Adrian Carmack, der mit John nicht verwandt ist, zusammen mit Tom Hall am 1. Februar 1991 in Texas ihre eigene Spieleschmiede.

Commander Keen 3
Commander Keen 3

Das Unternehmen schreibt seinen Namen in Kleinbuchstaben (id) und spricht ihn wie „did“ oder „kid“ aus. Der Name kam ursprünglich von „In Demand“, wurde jedoch später aufgrund von Unbeliebtheit zu „id“ geändert. Es wurde angenommen, dass „id“ auf Sigmund Freuds psychologisches Konzept des „Es“ Bezug nimmt. Dieser Verweis ist bereits in Wolfenstein 3D zu finden.

Ray Casting und viele Nazis

Ray Casting ist eine Rendering-Technik in der Computergrafik, bei der Strahlen vom Betrachter (Kamera) aus gesendet werden, um die Sicht auf eine 3D-Szene zu simulieren. Dabei werden die Objekte der Szene anhand der Schnittpunkte mit diesen Strahlen auf dem Bildschirm dargestellt. Dies ermöglicht eine effiziente Simulation von dreidimensionalen Welten auf 2D-Displays.

In Hovertank spielt man den Söldner Brick Sledge, der angeheuert wurde, um Menschen aus Städten zu retten, die für einen Atomangriff vorgesehen sind. Es wird als eines der ersten 3D-DOS-Spiele (wenn nicht sogar das erste) angesehen
In Hovertank spielt man den Söldner Brick Sledge, der angeheuert wurde, um Menschen aus Städten zu retten, die für einen Atomangriff vorgesehen sind. Es wird als eines der ersten 3D-DOS-Spiele (wenn nicht sogar das erste) angesehen

Hovertank 3D (1991) war eines der ersten Spiele, vielleicht sogar das erste überhaupt, das Ray Casting einsetzte. Es erlaubte die Darstellung von 3D-Umgebungen auf PCs mit begrenzten Ressourcen. Die Spielwelt wurde durch vertikale Linien dargestellt, die die Grenzen der Wände markierten. Diese Technik ermöglichte es, räumliche Tiefe und Perspektive zu simulieren, obwohl die tatsächliche 3D-Grafikleistung extrem begrenzt war.

Wolfenstein 3D
Wolfenstein 3D

Wolfenstein 3D, das 1992 veröffentlicht wurde, baute auf dem Konzept des Ray Casting auf, aber es brachte bedeutende Verbesserungen mit sich. Statt nur vertikale Linien wurden jetzt auch horizontale Linien für den Boden und die Decke implementiert. Dadurch wirkte die Umgebung realistischer und weniger eingeschränkt. Das Spiel führte auch Texturen für Wände ein, was zu einer detailreicheren und ansprechenderen visuellen Darstellung führte. Diese Fortschritte trugen dazu bei, dass Wolfenstein 3D als eines der ersten echten 3D-Ego-Shooter-Spiele gilt. Ursprünglich sollte das Spiel nur EGA-Grafik haben, wurde dann aber als VGA-Spiel mit 256 Farben veröffentlicht.

Binary Space Partitioning in der Hölle

Nach dem Erfolg von Wolfenstein 3D begann id an Doom zu arbeiten. Nach Halls Ausscheiden aus dem Unternehmen wurden Sandy Petersen und Dave Taylor eingestellt, und Doom wurde im Dezember 1993 veröffentlicht.

Die technologische Weiterentwicklung von Wolfenstein 3D zu Doom markiert einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Ego-Shooter und der 3D-Grafik in Computerspielen. Man darf nicht vergessen, dass zwischen den beiden Spielen lediglich 19 Monate lagen.

Doom 1 Enhanced
Doom 1 Enhanced

In Doom wurden die Möglichkeiten der Grafikengine erheblich erweitert. Statt nur orthogonalen Wänden wurden nun auch geneigte Wände implementiert, was zu einer natürlicheren Darstellung von Umgebungen führte. Die Einführung von mehrstufigen Texturen verbesserte die Detailgenauigkeit von Wänden und Flächen deutlich.

Im Gegensatz zu Wolfenstein 3D, wo jedes Level nur aus einer Ebene bestand, gab es in Doom innerhalb eines Levels Treppen, Aufzüge und Portale. Obwohl mit einigen Tricks gearbeitet werden musste, fühlte sich das Spiel deutlich vertikaler und somit dreidimensionaler an. Daneben integrierte es dynamische Beleuchtungseffekte, die die Atmosphäre des Spiels verbesserten.

Außerdem führte Doom den Mehrspielermodus ein, der es den Spielern ermöglichte, über ein lokales Netzwerk oder per Modem gegeneinander anzutreten. Dies legte den Grundstein für zukünftige Multiplayer-Ego-Shooter.

Doom 1 Enhanced
Doom 1 Enhanced

Doom erlaubte es den Spielern, eigene Inhalte zu erstellen und zu modifizieren. Das führte zur Entstehung einer aktiven Modding-Community und trug zur Langlebigkeit des Spiels bei. Bis heute werden Karten und Modifikationen für das Spiel von Fans erstellt.

Die Kombination dieser Verbesserungen machte Doom zu einem wegweisenden Spiel, das nicht nur das Ego-Shooter-Genre definierte, sondern auch die Standards für die Entwicklung von 3D-Spielen setzte. Dooms Einfluss erstreckt sich über Jahrzehnte und beeinflusste viele nachfolgende Spiele in der Branche.

Ruhm und Ehre

Carmack war mit id so erfolgreich, dass er Mitte 1994 gleich zwei Ferraris erwarb: einen 328 und einen Ferrari Testarossa. Im Jahr 1997 verschenkte er das 328er Modell, als Preis an Dennis Fong, den Gewinner des Quake-Turniers „Red Annihilation“.

In einem Interview mit Ars Technica 2013 betonte er, dass es aus seiner Sicht unfair sei, dass er weiterhin so viel Anerkennung und Dank für diese Spiele erhalte. Er betonte, dass er nur ein kleiner Teil eines Teams gewesen sei und dass auch andere Teammitglieder gleichermaßen Dank verdienten.

„Obwohl ich die treibende Kraft bei der Technik war, ist es unfair gegenüber all den anderen Leuten, die an den Dingen gearbeitet haben, an die sich die Fans bei Doom erinnern. Das sind alle die anderen Leute, und es ist oftmals unfair, wie viel Anerkennung ich für einige Dinge erhalte.“

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass John Carmack bei id Software bis 1999 nahezu alleine an den Engines gearbeitet hat. Andere Programmierer, die in den Credits erwähnt wurden, waren vorwiegend für Tools und Gamecode verantwortlich.

Echtes 3D löste ein Beben aus

Der Sprung von Doom zu Quake (1996) markierte einen weiteren technologischen Durchbruch, womöglich den größten in der Laufbahn von John Carmack. Während Doom eine pseudo-3D-Engine mit zweidimensionalen Sprites für Feinde und Objekte verwendete (sog. 2.5D), führte Quake eine echte 3D-Engine ein. Dies bedeutete, dass sowohl die Umgebung als auch die Charaktermodelle aus dreidimensionalen Polygonen bestanden, was zu einer wesentlich realistischeren Darstellung der Spielwelt führte. Zwar war dafür auch ein deutlich schnellerer PC nötig (mindestens Pentium I), aber die Reise sollte sich für Spieler lohnen.

Die 3D-Gegner wirkten in Quake so plastisch in die dreidimensionale Welt eingebettet, dass man sich fürchtete. Um die Braunfärbung der Spielerhose zu beschleunigen, wurde auch noch ein räumlicher Klang eingeführt. Die unheimlichen Gegner hörte man schon von Weitem und konnte sie genau orten.

John Carmack gelang es binnen drei Jahre, eine komplett neue Technologie auf die Beine zu stellen. Doom war selbst schon ein Meilenstein, baute aber in einigen Punkten, etwa den Sprite-Gegnern, auf vorher verwendeter Technologie auf. Echtes 3D, mit den Modellen und deren Animationen, stellte Neuland dar. In den Credits der Originalversion werden als Programmierer des gesamten Projekts neben John Carmack nur noch Michael Abrash und John Cash genannt.

Bruch mit John Romero

Quake wurde am 22. Juni 1996 veröffentlicht. Aufgrund kreativer Differenzen gestaltete sich die entwickeln sehr schwierig. Dies führte zu Spannungen innerhalb des Unternehmens und einem Konflikt zwischen Carmack und Romero. Letztlich wurde Romero dazu veranlasste, id nach der Veröffentlichung des Spiels zu verlassen. Andere Mitarbeiter verließen das Unternehmen ebenfalls.

John Carmack begründete diese Phase in einem Interview 2022 vor allem mit seinem Ehrgeiz. Er arbeitete extrem viel und konnte es nicht ertragen, dass es Leute im Team gab, die seiner Meinung nach nicht so viel arbeiteten.

Schaubild – John Carmacks Meilensteine
Schaubild – John Carmacks Meilensteine

Während seiner Zeit bei id Software wurde Carmack fast täglich mit einer mittelgroßen Peperoni-Pizza von Domino’s Pizza beliefert. Er erhielt diese Lieferung mehr als 15 Jahre. Carmack war ein derart regelmäßiger Kunde, dass ihm weiterhin die Preise von 1995 berechnet wurden.

John Carmack traf seine heutige Ex-Frau Katherine Anna Kang auf der QuakeCon 1997. In einer Wette forderte Kang Carmack heraus, dass erste „All Female Quake Tournament“ zu sponsern, wenn sie genügend Teilnehmerinnen mobilisieren könnte. Carmack erwartete höchstens 25 Teilnehmerinnen, aber es wurden 1500. Sie heirateten am 1. Januar 2000 und planten eine Hochzeit auf Hawaii. Steve Jobs bat um Verschiebung für Carmacks Teilnahme an der MacWorld Expo am 5. Januar 2000. Carmack lehnte ab und schlug vor, ein Video zu drehen. Im August 2004 bekamen Carmack und Kang einen Sohn namens Christopher Ryan. Ihr zweiter Sohn wurde im November 2009 geboren. Die Ehe wurde 2022 geschieden.

3D-Beschleunigung

Eines der Probleme von Quake und vergleichbaren Spielen war, dass die Hauptlast der Grafikberechnungen über die CPU lief. Bekanntlich sind diese Prozessoren nicht sonderlich gut dafür geeignet, Grafikberechnungen vorzunehmen. Carmack erkannte früh das Potenzial von 3D-Beschleunigung für die Verbesserung der Grafikleistung in Spielen. Er arbeitete eng mit Grafikkartenherstellern zusammen, um Technologien zu unterstützen, die 3D-Grafiken in Echtzeit ermöglichten. Später redete er diese Leistungen klein und sagte, dass das andere auch getan hätten, er wäre lediglich etwas früher dran gewesen.

Quake I
Quake I

Dennoch tat er sehr viel, um diese Karten mit seiner Engine zu unterstützen. Er entschied sich für die nachträgliche Implementierung von OpenGL in Spielen wie Quake.

Weitere Technologiesprünge

1997 erschien Quake 2 und führte dynamische Lichtquellen und verbesserte Beleuchtungseffekte ein. Dies trug zu einer realistischeren Darstellung der Spielwelt bei. Die Grafikengine unterstützte eine fortschrittliche Kollisionsabfrage, die die Darstellung von komplexen Levelstrukturen realisierte. Sie ermöglichte außerdem flüssigere und realistischere Animationen für Charaktere und Waffen, was die Immersion im Spiel steigerte. Im Gegensatz zu Quake 1 war es hier möglich, Körperteile der Gegner abzuschießen.

Quake II RTX-Version

Zwei Jahre später erschien Quake 3 Arena. In der Zwischenzeit veröffentlichten Epic Games 1998 Unreal, welches ebenfalls beeindruckend aussah. Doch Quake 3 konnte das noch einmal recht deutlich toppen. Es führte die Verwendung von Shadern ein, was zu realistischeren Oberflächen und Lichteffekten führte. Diese Technologie ermöglichte es, Materialien und Texturen detaillierter darzustellen. Das Shader-System geht über das visuelle Erscheinungsbild hinaus und definiert den Inhalt von Volumina (z. B. wird ein Wasservolumen durch die Anwendung eines Wasser-Shaders auf seine Oberflächen definiert), die Lichtemission und den Sound, der abgespielt wird, wenn ein Volumen betreten wird.

Der grafische Sprung von Quake II zu Quake III Arena (hier mit verbesserten Texturen) war noch einmal gewaltig
Der grafische Sprung von Quake II zu Quake III Arena (hier mit verbesserten Texturen) war noch einmal gewaltig

Die Engine unterstützte fortschrittliche Skelettanimationen für Charaktere, was zu realistischeren Bewegungen und Aktionen führte. Außerdem ermöglichte sie die Darstellung von Glanzlichtern und Spiegelungen, was zu verbesserten visuellen Effekten beitrug.

Bahnbrechend für die damalige Zeit waren auch die Bots. In dem Arena-Shooter, welches ausschließlich als Multiplayerspiel ausgelegt war (das lokale Spielen war eher ein Training) verhielten sich die KI-Gegner ziemlich menschlich. Sie waren nicht nur in der Lage, sich im Level gut zurechtzufinden, sondern legten kurze Pausen ein, gaben vorgefertigte Chatnachrichten von sich und schienen einen eigenen Charakter zu besitzen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Spiele-Engines, die zu dieser Zeit auf den Markt kamen, benötigt Quake 3 einen OpenGL-kompatiblen Grafikbeschleuniger. Die Engine enthält keinen Software-Renderer mehr.

Außerdem führte die Engine zusätzlich zu den planaren Volumina spline-basierte gekrümmte Oberflächen ein, die für viele der im Spiel vorhandenen Oberflächen verantwortlich sind. Die Level sahen dadurch derart plastisch aus, dass Spieler wie der Autor dieser Zeilen Stunden damit verbrachten, einfach nur im leeren Level herumzulaufen um die Geometrien und Oberflächen anzustarren.

Realistische Lichter und Schatten

Bis zum nächsten großen Sprung dauerte es fünf Jahre. 2004 erschien Doom 3. Spielerisch blieb es etwas hinter den Erwartungen zurück, technisch war es zutiefst beeindruckend. Während der Entwicklung wurde zunächst nur der Renderer der Engine komplett umgeschrieben, während andere Subsysteme wie Dateizugriff und Speicherverwaltung beibehalten wurden. Die Entscheidung, von C auf die Programmiersprache C++ umzusteigen, erforderte eine Umstrukturierung und Neuschreibung der restlichen Engine.

Doom 3
Doom 3

Die Engine fügte mehrere neue grafische Funktionen hinzu, die in seinem Vorgänger fehlten. Dazu gehörten Normal Mapping und Specular Highlighting. Weitere Funktionen wurden bei der Entwicklung der nachfolgenden Spiele hinzugefügt.

Die wichtigste Neuerung war die Verwendung von dynamischen Beleuchtungseffekten pro Pixel, während sich 3D-Engines zuvor hauptsächlich auf vorberechnete Beleuchtungseffekte pro Vertex oder Lightmaps und Gouraud-Shading verlassen hatten.

Der Echtzeit-Ansatz in Doom 3 in Kombination mit der Verwendung von Schattenvolumina ermöglichte eine realistischere Beleuchtung und realistischere Schatten als in der vorherigen Generation der id-Engines.

Die verwendeten Modelle werden mithilfe von Skelettanimationen animiert. Die Engine kann mehrere Animationen miteinander verschmelzen, um eine Haut zu erzeugen, die sich für diese Animationen korrekt bewegt. Da dies CPU-intensiv ist, hat id einige Optimierungen vorgenommen, indem die SIMD Extensions von Intel verwendet wurden.

Mega Texturen

Die Abstände zwischen zwei Engine-Generationen wurden größer. Es zeigte sich, dass id Software ein zu kleines Studio war, um schnell genug auf die Entwicklungen reagieren oder gar diese bestimmen zu können. Ein großer Kritikpunkt der id-Spiele war das extrem simple Gamedesign. Carmack sah das anders, wie er in einem Interview der PC Games 2009 verriet:

„Die Technologie stand immer im Dienste des Spiels. Wir haben absichtlich einfache Spiele gemacht. Nicht weil wir nicht wussten, wie es besser geht, sondern weil das unser traditionelles Design war.“

2011 erschien Rage. Die nächste Generation der hauseigenen Engine hatte auch ein beeindruckendes Feature: MegaTexture!

Rage (2012) zeichnete sich durch die MegaTexture-Technologie aus, die große und freie Welten ermöglichte
Rage (2011) zeichnete sich durch die MegaTexture-Technologie aus, die große und freie Welten ermöglichte

Die Engine hinter Doom 3 war für eher dunkle Umgebungen konzipiert und wurde für ihre vermeintliche Unfähigkeit kritisiert, extrem große Außenbereiche bei Tageslicht zu bewältigen. Mit der MegaTexture-Technologie wurde dieses Problem angegangen, indem eine Möglichkeit zur Erstellung weitläufiger Außenszenen eingeführt wurde. Durch das Malen einer einzigen massiven Textur (32.768×32.768 Pixel, die später erweitert wurde), die die gesamte Polygonkarte und das hochdetaillierte Terrain abdeckt, können die gewünschten Effekte erzielt werden.

Neben der Landschaft sahen die Charaktere in Rage recht beeindruckend aus
Neben der Landschaft sahen die Charaktere in Rage recht beeindruckend aus

Die MegaTexture kann auch physikalische Informationen über das Terrain speichern, wie z. B. den Grad der Bodenhaftung in bestimmten Bereichen, oder angeben, welcher Soundeffekt abgespielt werden soll, wenn man über bestimmte Teile der Karte läuft. Einen Vorgeschmack auf diese Technik gab es bereits in Enemy Territory: Quake Wars (2007), das auf der Tech 4 Engine basiert. Alle id Tech 5 und id Tech 6 Spiele verwenden MegaTexture, mit Ausnahme von The Evil Within, das einen neuen Renderer verwendet.

Raumfahrtinteresse und Armadillo Aerospace

Ab dem Jahr 2000 entwickelte Carmack ein Interesse an Raketentechnik, was zur Gründung seines eigenen Unternehmens Armadillo Aerospace führte. Mit finanzieller Unterstützung von Carmack machte das Unternehmen Fortschritte bei der Entwicklung suborbitaler und orbitaler Fahrzeuge. Dieser Schritt zeigt Carmacks breites Interessensspektrum und seinen Wunsch, auch außerhalb der Spieleentwicklung innovativ tätig zu werden.

Das Ende einer Ära

Am 24. Juni 2009 wurde das Unternehmen von ZeniMax Media übernommen. Im August 2013 trat Carmack als CTO bei Oculus VR ein. Am 22. November 2013 kündigte er bei id Software, um Vollzeit bei Oculus VR zu arbeiten. Er begründete sein Ausscheiden damit, dass ZeniMax Media Oculus Rift nicht unterstützen wollte.

Carmacks Rolle bei beiden Unternehmen wurde später zum zentralen Punkt einer Klage von ZeniMax gegen die Muttergesellschaft von Oculus, Facebook, in der behauptet wurde, dass Oculus das geistige Eigentum von ZeniMax im Bereich der virtuellen Realität gestohlen habe. Die Geschworenen sprachen Carmack von jeglicher Haftung frei, obwohl Oculus und andere Führungskräfte des Unternehmens für Marken-, Urheberrechts- und Vertragsverletzungen haftbar gemacht wurden.

Oculus Quest 2
Oculus Quest 2; Foto: Adobe Stock

Im Februar 2017 verklagte Carmack ZeniMax und behauptete, das Unternehmen habe sich geweigert, ihm die verbleibenden 22,5 Millionen Dollar zu zahlen, die ihm aus dem Kauf von id Software zustanden. Im Oktober 2018 erklärte Carmack, dass er und ZeniMax eine Einigung erzielt hätten und dass „Zenimax seine Verpflichtungen mir gegenüber vollständig erfüllt hat“, wodurch die Klage beendet wurde.

Sein Aus bei Meta

Am 13. November 2019 trat Carmack von der Rolle des CTO von Oculus zurück und wurde „Consulting CTO“, um mehr Zeit für seine Arbeit an künstlicher Intelligenz zu haben. Im Dezember 2022 verließ er Oculus. Carmack drückte seine Frustration über bürokratische Ineffizienzen bei Meta aus und betonte in seinem Abschiedsmemo: „Wir haben eine lächerliche Menge an Leuten und Ressourcen, aber wir sabotieren uns ständig selbst und vergeuden Mühe.“ Er vertritt die Philosophie, dass kleine, inkrementelle Schritte der schnellste Weg zu sinnvollen und bahnbrechenden Innovationen sind. Dabei vergleicht er diesen Ansatz mit der „Magie des Gradientenabstiegs“, bei dem kleine Schritte unter Verwendung lokaler Informationen zu den besten Ergebnissen führen. Carmack betont, dass dieses Prinzip durch seine eigene Erfahrung bestätigt wird und er es bei vielen der klügsten Menschen der Welt beobachtet hat. Seine Überzeugung lautet: „Kleine, winzige Schritte, die lokale Informationen nutzen, führen zu den besten Antworten.“

Open-Source-Engagement

Carmack ist ein entschiedener Befürworter von Open-Source-Software und hat sich gegen Softwarepatente ausgesprochen. Er trug zu Projekten wie der Portierung des X Window Systems auf Mac OS X Server und der Verbesserung von OpenGL-Treibern für Linux durch das Utah GLX-Projekt bei. Seine Bereitschaft, den Quellcode von Spielen wie Wolfenstein 3D, Doom und Quake der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, unterstreicht sein Engagement für die Open-Source-Gemeinschaft.

Wohltätigkeit und persönliche Einblicke

Carmack engagiert sich für Wohltätigkeitsorganisationen und unterstützt Gaming-Communities. Seine Spenden gehen an Bildungseinrichtungen, Open-Source-Befürworter und Spielefans. Persönlich ist er für seine Arbeitsmoral und seine Einstellung bekannt, dass konzentrierte, harte Arbeit der Schlüssel zum Erfolg ist.

Seine persönlichen Einblicke, darunter seine 60-Stunden-Arbeitswoche und einzigartigen Herangehensweisen ans Programmieren, verleihen Carmacks Persönlichkeit eine zusätzliche Dimension. Seine Ansichten zur Innovation und zur Bedeutung von Gameplay gegenüber Grafik zeigen einen tiefen Einblick in seine Philosophie als Spieleentwickler.

Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsaussichten

Carmacks jüngste Schritte, wie die Gründung des AGI-Unternehmens Keen Technologies, verdeutlichen seine anhaltende Neugier und seinen Willen, innovative Technologien voranzutreiben. Seine Auseinandersetzung mit Meta und sein Wechsel zu Keen unterstreichen seine Entschlossenheit, sich auf Bereiche zu konzentrieren, die seinen Leidenschaften entsprechen.

Insgesamt präsentiert sich John Carmack als eine faszinierende Persönlichkeit. Seine Innovationskraft, sein Einsatz für Open Source und seine Beharrlichkeit machen ihn zu einer prägenden Figur in der Technologiebranche. Die Spiele, die dank seiner Technologie entstanden, prägten Generationen. Er ist zweifelsohne einer der großen Helden der Spieleentwicklung – eine lebende Legende!

Zum Schluss möchte ich mich noch bei Vanessa Bosshard für die sehr umfangreichen Recherchearbeiten bedanken.

Weiterführende Links

Interview mit Scott Host
Spieleentwicklung: Ein Hobby für alle!
Duke Nukem
Duke Nukem 3D

Externe Links

Interview auf PC Games
Interview auf Ars Technica
Großes John Carmack Interview auf YouTube
John Carmack auf Wikipedia
John Carmack Account auf X

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