Es gibt unzählige Simulationen, auch zum Thema Städtebau. Als 1993 SimCity 2000 veröffentlicht wurde, war es nicht das erste Spiel seiner Art, nicht einmal das erste Spiel der Serie. Aber es war in vielerlei Hinsicht so revolutionär, dass es selbst heute, mehr als dreißig Jahre später, ein herausragendes Spiel ist.
Vom Leveleditor zum Spiel
Will Wright zählt zu den einflussreichsten Gamedesignern überhaupt. Als er sein erstes Spiel, Raid on Bungeling Bay, entwickelte, bemerkte er, dass ihm der Leveleditor mehr Spaß machte als das eigentliche Game. Diese Erfahrung sollte sich auf seine zukünftigen Spiele auswirken. 1989, also fünf Jahre nach seinem ersten Spiel, veröffentlichte er SimCity. Eine Städtebausimulation, die noch relativ simpel gehalten und in der Top-Down-Perspektive gespielt wurde.
Es folgten SimEarth (1990) und SimAnt (1991), die bei Spielern nicht ganz so gut ankamen. Doch mit SimCity 2000 gelang ihm der ganz große Wurf.
Spielprinzip
Das Game ermöglicht es Spielern, ihre eigene Stadt zu planen, zu entwickeln und zu verwalten. Es bietet eine isometrische Ansicht, bei der die Stadt aus einem schrägen, 3D-ähnlichen Blickwinkel betrachtet wird. Die Hauptaufgabe besteht darin, eine funktionierende und florierende Stadt zu erschaffen, indem man verschiedene Elemente wie Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete strategisch platziert.
Der Spieler beginnt mit einem leeren Kartenareal und hat die Aufgabe, Straßen zu bauen, die Infrastruktur zu entwickeln und die Bedürfnisse der Stadtbewohner zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem die Bereitstellung von Strom, Wasser, Abwasserentsorgung und Feuerwehrdiensten. Es ist wichtig, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den verschiedenen Zonen zu finden, um die wirtschaftliche und soziale Stabilität der Stadt zu gewährleisten.
Es werden verschiedene Aspekte des städtischen Lebens simuliert, darunter Wirtschaft, Umwelt und Verkehrsmanagement. Der Spieler muss auf die Bedürfnisse und Beschwerden der Bürger reagieren, zum Beispiel durch den Bau von Parks zur Verbesserung der Lebensqualität oder durch die Behebung von Verkehrsproblemen. Über die Zeit können auch Katastrophen wie Erdbeben oder Brände auftreten, die es zu bewältigen gilt.
SimCity 2000 ist für seine Komplexität und Tiefe bekannt, bietet aber auch eine gewisse Flexibilität, da es den Spielern erlaubt, verschiedene Szenarien und Herausforderungen zu meistern.
Prachtvolle SVGA-Grafik
Die Grafik von SimCity 2000 war im Vergleich zu seinem Vorgänger ein bedeutender Fortschritt und stellte einen großen Schritt in der Entwicklung von Städtenbau-Simulationen dar.
Eine der markantesten Neuerungen war die Einführung der isometrischen Perspektive. Im Gegensatz zur Top-Down-Perspektive, bei der man die Stadt aus der Vogelperspektive betrachtete, ermöglichte die isometrische Ansicht von SimCity 2000 eine schräg von oben betrachtete Perspektive. Diese Ansicht ermöglichte eine detailliertere und realistischere Darstellung der städtischen Umgebung und erleichterte das Management von Straßen und Gebäuden. Statt der reinen Draufsicht sieht der Spieler von allen Gebäuden drei von sechs Seiten gleichzeitig. Da die Spielwelt schrittweise gedreht werden konnte, hatte er somit sogar den kompletten Überblick.
Die Grafiken waren detaillierter und abwechslungsreicher. Die Stadtansicht zeigte eine Vielzahl von Gebäudearten, darunter moderne Hochhäuser, Industrieanlagen und Wohnhäuser, die sich visuell deutlich voneinander unterschieden. Die Städte sahen dadurch lebendiger und vielfältiger aus als die eher stilisierten Gebäude im Vorgänger.
Hinzu kommt die SVGA-Auflösung (Super Video Graphics Array) mit 640×480 Bildpunkten und 256 Farben. Außerdem konnte man die Karte in drei Stufen rein- und rauszoomen. So hatte man entweder einen guten Überblick, oder konnte sich in der Nahansicht in die detaillierten Grafiken verlieben.
Neben der normalen Ansicht gab es noch eine für die „Unterwelt“. Hier wurden U-Bahnen und Wasserleitungen in einer eigenen Ansicht verlegt.
Das Interface und die Benutzeroberfläche waren ebenfalls benutzerfreundlicher gestaltet als beim Vorgänger, was die Interaktion mit dem Spiel erleichterte. Die grafische Darstellung half dabei, Informationen übersichtlicher und verständlicher zu präsentieren.
Spielerischer Mehrwert
Die isometrische Ansicht war nicht nur Show. Neben der besseren Kontrolle durch die bessere Übersicht gab es nun auch Höhenunterschiede. Hügel, Täler und ganze Berge schaffen nicht nur optische Abwechslung, sondern Herausforderungen. Über Gewässer können wir Brücken bauen, durch Berge Tunnel. Sogar der Meeresspiegel kann zu Spielbeginn gehoben oder gesenkt werden.
Kommunikation mit dem Spieler
Während andere Wirtschaftssimulationen den Spieler mit Tabellen und Diagrammen überfordern, ging SimCity 2000 etwas andere Wege. Zwar gab es auch hier entsprechende Anzeigen, aber stets übersichtlich und geradezu schlicht.
Viel wichtiger Waren für den Spieler die Soundeffekte und allen voran die Zeitung. Bereits anhand der Schlagzeilen konnten erfahrene Spieler die Probleme der Stadt in Erfahrung bringen. Die anklickbaren Texte offenbarten weitere Informationen. Das gab dem Spieler wahrhaft das Gefühl, ein Bürgermeister zu sein, der auf die Stimme des Volkes hört.
Akustik
Man würde bei einer Städtebausimulation nicht gerade guten Sound erwarten, doch SimCity 2000 überraschte auch hier den Spieler. Zahlreiche Soundeffekte vermitteln das Gefühl einer lebendigen Stadt. Autos fahren und hupen, Züge geben akustische Signale und gelegentlich hört man Flugzeuge ankommen und Helikopter kreisen. Was heute Standard ist, war damals zutiefst beeindruckend.
Mindestens ebenso eindrucksvoll war die liebevolle, teils sehr stimmungsvolle Musik mit zahlreichen Ohrwürmern. Vor allem wer eine MT32-Soundkarte sein Eigen nennen konnte, erhielt wundervolle Klänge auf die Lauscher. Alleine dafür lohnten sich die durchzechten Nächte.
Nach wenigen Stunden Spielzeit stellte sich auch bei SimCity 2000 häufig ein Effekt ein, den man von guten Spielen kennt: Selbst in der Stille und bei geschlossenen Augen sah man das Spiel vor sich und „hörte“ die Musik.
Flexibilität pur
SimCity 2000 macht vergleichsweise wenige Vorgaben. Schon zu Beginn kann der Spieler wählen, ob die Welt zufallsgeneriert oder von ihm editiert werden soll. Hinzu kommen Schwierigkeitsgrade und die Optionen für mögliche Katastrophen. Auf Wunsch lassen sich alle abschalten. Spätestens dann fühlt sich das Spiel wie ein riesiger Sandkasten an, der sich zudem jederzeit pausieren lässt. Außerdem lassen sich Steuern und viele weitere Dinge frei einstellen.
Angenehme Tiefe
Neben dem Startkapital können wir wählen, ob wir im Jahr 1900, 1950, 2000 oder 2050 starten möchten. Je früher wir starten, umso limitierter sind unsere Möglichkeiten. Zwar besitzen wir 1900 die Möglichkeit für eine Eisenbahn, auf die U-Bahn und andere Fortbewegungsarten müssen wir warten. Das bedeutet, dass man dies entweder von Anfang an einkalkulieren müssen, oder wir immer wieder Anpassungen vornehmen. Gleiches gilt für Wasserversorgung und besonders die Stromversorgung, welche sich über die Jahrzehnte immer wieder ändert.
Wir entscheiden selbst, ob wir eine gigantische Stadt oder ein idyllisches Städtchen haben wollen. Ob wir uns mit Nachbarorten vernetzen oder für uns bleiben möchten. Und ob wir es etwas schlichter gestalten oder so richtig in die Tiefe eintauchen.
Letzteres bedeutet, dass wir möglichst alle Optionen des Spiels nutzen. Neben Eisenbahn und U-Bahn können wir ein Busnetz aufbauen und Highways durch die Stadt ziehen. Wir entscheiden durch die Platzierung der Polizeiwachen über die Kriminalitätsrate, können die Landschaft umformen und ganze Straßenzüge wieder abreißen, wenn uns der Sinn danach steht. Für verschiedene Sportarten können wir Stadien bauen.
Flughafen, der Hafen am Fluss, eine Militärbasis und viele andere Dinge entstehen von selbst, sobald wir die Optionen haben und die Plätze zuweisen. Wie gut alles von der Bevölkerung angenommen wird, fußt größtenteils auf unseren Entscheidungen. SimCity 2000 ist durchaus komplex, aber angenehm beherrschbar. Nach recht kurzer Spielzeit hat man durchaus das Gefühl, das System zu beherrschen, ohne zu viele Tipps oder gar ein Tutorial zu benötigen. Das ist womöglich die größte Kunst des Spiels: SimCity 2000 ist eine durchaus komplexe Simulation, die für alle beherrschbar ist. Und dabei hat man immer das Gefühl, seine ganz eigene Stadt zu erschaffen.
Die saubere Stadt
In SimCity 2000 spielt die Umweltverschmutzung eine entscheidende Rolle und beeinflusst maßgeblich die Stadtentwicklung sowie das Wohlbefinden der Bürger. Hohe Umweltverschmutzung kann die Gesundheit der Einwohner beeinträchtigen, was zu einer erhöhten Krankheitsrate und einer geringeren Lebensqualität führt, wodurch die Zufriedenheit der Bürger sinkt und Abwanderung gefördert wird. Gebiete mit hoher Verschmutzung werden zudem weniger attraktiv für Wohn- und Gewerbegebiete, was die Bevölkerungsdichte und die wirtschaftliche Aktivität negativ beeinflusst. Industriegebiete sind häufig Hauptquellen der Verschmutzung, die auch angrenzende Zonen in Mitleidenschaft ziehen.
Verkehr trägt ebenfalls erheblich zur Umweltverschmutzung bei. Überlastete Verkehrswege führen zu erhöhter Luftverschmutzung durch Abgase. Effiziente Verkehrsplanung und der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel können helfen, diese Art der Verschmutzung zu reduzieren. Spieler haben die Möglichkeit, umweltfreundlichere Technologien und Infrastrukturen zu nutzen, wie zum Beispiel sauberere Energiequellen wie Wind- oder Solarkraftwerke sowie umweltfreundliche Verkehrsoptionen wie U-Bahnen und Busse.
Die Bekämpfung der Umweltverschmutzung ist oft mit höheren Kosten verbunden, da umweltfreundlichere Kraftwerke und öffentliche Verkehrsmittel teuer in der Anschaffung und im Unterhalt sein können. Diese Investitionen zahlen sich jedoch langfristig aus, indem sie die Attraktivität der Stadt erhöhen und die Lebensqualität der Bürger verbessern. Spieler müssen daher langfristig planen und die Umweltverschmutzung stets im Auge behalten, um die negativen Auswirkungen zu minimieren und eine stabile, gesunde Stadt zu schaffen.
Wohlfühloase
Neben Umwelt- und wirtschaftlichen Faktoren ist es auch wichtig, den Bürgern Gebäude zu spendieren, die für das Wohlbefinden da sind. Darunter fallen Bibliotheken, Museen, Parks, Marinas, Zoos und die bereits erwähnten Stadien. Wir können nicht nur die Stadt selbst und die Stadien individuell benennen, sondern auch große Schilder aufstellen, um besondere Punkte in der Stadt zu markieren.
Zusätzlich gab es eine spezielle Ausgabe, SimCity 2000 Special Edition, die 1995 veröffentlicht wurde und zusätzliche Inhalte wie den SimCity Urban Renewal Kit, neue Szenarien und Videos enthielt. Eine Netzwerkversion des Spiels, SimCity 2000: Network Edition, wurde 1996 veröffentlicht und ermöglichte es Spielern, Ressourcen im Spiel zu teilen und mit anderen Städten zu konkurrieren oder zu kooperieren.
Presse
Das Spiel wurde für unzählige Systeme portiert, darunter sogar eine Version für OS/2 Warp. Die meisten Versionen kamen bei Presse und Spielern gleichermaßen gut an.
Die PC Gamer ließ sich 1994 zu 94 von 100 Punkten hinreißen und urteilte:
„Maxis hat bei dieser Fortsetzung ganze Arbeit geleistet, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Anregungen der Kunden berücksichtigt wurden, und das Ergebnis ist ein Spiel, das selbst Neulingen im Städtebau gefallen wird.“
Auch die deutsche PC Games war mit 93% völlig aus dem Häuschen:
„Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich verachte sämtliche Süßigkeiten – aber SimCity führte bei mir zu regelrechten Suchterscheinungen. Weder Tetris, Monkey Island noch Windows-Solitaire haben mich länger vor den PC gebannt wie dieses exquisite Programm. Seit kurzem residiert jedoch ein neuer Bürgermeister auf meiner Festplatte: SimCity 2000. Zwar bietet der Nachfolger nicht den genial-simplen Charme des ursprünglichen Programms (Lemmings lässt grüßen), aber die unzähligen Verbesserungen im Detail, verbunden mit einem höllischen Motivationsfaktor sowie einer tadellosen Aufmachung, machen es zu einem absoluten Muss- Kauf. Wer jemals dem SimCity—Fieber erlegen ist, sollte unbedingt zugreifen. Wir garantieren Ihnen wochen- und monatelange beste Unterhaltung, da die schier unendliche Fülle an Optionen auch nach längerer Zeit noch nicht ausgereizt erscheint.“
Auch die PC Player Wertung war mit 90 sehr hoch:
„Wer das alte SimCity mochte, wird sich von SimCity 2000 lange nicht losreißen können — zu zahlreich sind die Möglichkeiten und Herausforderungen. SimCity 2000 ist der schlagende Beweis, dass Spielspaß, einfache Bedienung und Komplexität sich nicht gegenseitig ausschließen müssen.“
Fazit
Im Gegensatz zum Vorgänger und vielen Nachfolgern und Nachahmern ist SimCity 2000 heute noch Spielvergnügen pur, vor allem auf Desktop-Computern. In modernerer Grafikqualität hätte ein solches Spiel heute noch seine Fans. Dabei müssten Indie-Entwickler nicht einmal auf richtiges 3D setzen. Die isometrischen Grafiken in einer höheren Auflösung und somit mehr Details würden vollkommen ausreichen.
Der Spielspaß ist nach über 30 Jahren ungebrochen. Immer wieder startet man mit einer neuen Stadt, um andere Konzepte zu erproben. Dabei verfliegt die Zeit in beängstigender Weise. Mehr kann sich ein Spieleentwickler nicht wünschen.
Weiterführende Links
Legenden – Roberta Williams
Sid Meier’s Colonization
Battle Chess
Grandmaster Chess
Soko-Ban
