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Magazine zum Thema Retrocomputer gibt es mittlerweile mehr als Popcorn in der Sofaritze. Sie sind entweder allgemein und somit breit aufgestellt, oder auf ein System spezialisiert. Ziel ist es, Soft- und Hardware erschöpfend zu beschreiben. „VD aktuell“ geht nicht in diese Tiefen und versteht sich eher als „Fernsehzeitschrift“ der Retromagazine.

„Die Idee war so schlecht – ich musste sie einfach umsetzen“, berichtete mir Dennis auf der Evoke 2024 lachend. Bis dahin hatte ich nur davon gehört und mir etwas verwundert die Augen gerieben. Urheber ist Dennis Pauler, in der Retro-Szene für seinen YouTube-Kanal Virtual Dimension bekannt. Seit über 25 Jahren produziert er, mittlerweile mit einem kleinen Team, unermüdlich Internetvideos. Auf seinem Kanal hat er mehr als 2.000 Videos und fast 12.000 Abonnenten.

Fachmann für Retrospektiven

Von klein auf beschäftigt sich Dennis mit Computern, die mittlerweile in die Retro-Ära fallen. Vorwiegend mit Maschinen aus dem Hause Commodore. Hier hat es ihm der Amiga besonders angetan, auf dem er selbst heute noch programmiert. Auf der Evoke durfte ich dem Spezialisten über die Schulter schauen.

Sein enormes Wissen verbreitet er vorwiegend durch seine beliebten Videos. Es geht um Hardware, Software, Programmierung, Spiele und Demos. Also so ziemlich alles, was die Herzen junger Männer ab 40 höher schlagen lässt. Mittlerweile ist der Output so gewaltig, dass ein Zuschauer meinte, man bräuchte für die Videos eine Fernsehzeitschrift, um sich orientieren zu können. Diese zunächst absurd klingende Idee griff Dennis auf und entwickelte sie weiter.

Tinte im Blut

Wer die Videos nicht kennt, sich aber im Dunstkreis der 6502er oder 68000er Prozessoren bewegt, kennt womöglich Dennis‘ Artikel aus dem RETURN Magazin. Das Schreiben liegt ihm im Blut, vielleicht sogar etwas mehr als die Bewegtbilder.

„Schon im Alter von acht Jahren erstellte ich die ‚Dennis-Zeitung‘ und verteilte sie in meiner Klasse“, erzählt er mir. Dass ein Content Creator, der auch auf Facebook und Instagram sehr aktiv ist, nun ein eigenes Magazin herausbringt, überrascht daher nicht. „VD aktuell“ ist dabei als Ergänzung und nicht als Konkurrenz gedacht. Und er macht das nicht allein: Hinter Virtual Dimension steht ein sechsköpfiges Team – die meisten davon sind auch an „VD aktuell“ beteiligt, sei es als Redakteure oder Fotografen.

Das Problem heutiger Retro-Magazine ist – so beschreibt es Dennis – dass die Artikel sehr in die Tiefe gehen und man kaum Zeit hat, diese zu lesen. Die Richtung seines Magazins wird bereits durch den Untertitel „Die Retro-Gaming-Illustrierte“ vorgegeben und soll vier Mal im Jahr erscheinen. Dass das nicht so einfach ist, zeigt die zweijährige Pause zwischen der zweiten und dritten Ausgabe. Nun ist das vorläufig endgültige Konzept gefunden und den Leser erwarten 64 leicht verdauliche Retro-Seiten für einen erschwinglichen Preis von 4,90 Euro.

Ursprung und Upgrade

Die ersten beiden Ausgaben, damals nur aus 24 Seiten bestehend, waren vorwiegend Programmmagazine mit ein paar Rätseln. Sie bestanden fast ausschließlich aus der Grundidee, eine Fernsehzeitschrift für einen YouTube-Kanal zu veröffentlichen. Darin sollten kommende Videos angekündigt werden. Aus diversen Gründen musste das Projekt die besagten zwei Jahre ruhen – was durchaus gut war. So konnten sich Dennis und sein kongenialer Kamerapartner Hagen Hamann viele Gedanken darüber machen, wie es weitergehen soll.

Das Resultat ist seit Ausgabe drei ein Potpourri der guten Retro-Laune. Es beginnt mit zahlreichen News über Hardware, Emulatoren, Software und Spielen. Auf 14 Seiten gibt es weiterhin die Programmhinweise für die kommenden drei Monate. Diese beschränken sich aber nicht mehr auf den eigenen Kanal, sondern auch der Fog Lake Production. Und wie es sich für eine Illustrierte gehört, beinhaltet es weitere, eher leicht verdaulich geschriebene Artikel, etwa zu den Dune-Filmen, Planet der Affen, wilde Geschichten, einer kleinen Comicserie und vielen Informationen. Zahlreiche Rätsel und eine Rubrik für Leserbriefe runden die Zeitschrift ab.

„VD aktuell“ wirkt dabei, als hätten das RETURN Magazin und die BUNTE ein Kind bekommen. Wie von den Videos bekannt, werden Humor und Selbstironie gut auf das Printmedium übertragen. Stellenweise hat die Illustrierte den Charme einer Schülerzeitung, aber genau so soll es sein. „VD aktuell“ will mehr Herz als Kopf ansprechen. Es möchte das Magazin sein, welches man kurz in die Hand nimmt, liest, lacht, sich daran erfreut, bevor man sich wieder dem drögen Computeralltag widmet. Es ist weniger der edle Tropfen, sondern viel mehr die Ahoj-Brause auf der Retro-Zunge.

Das zeigt sich u. a. bei den Spielevorstellungen. Wo andere Magazine in epischer Breite berichten, hält sich „VD aktuell“ erfreulich kurz, ohne auf relevante Informationen zu verzichten. Oder dem Psycho-Test in Ausgabe drei: Wie „retro“ bist Du?

Für alle Altersgruppen

Um mit „VD aktuell“ Spaß zu haben, muss man nicht alt sein, auch wenn es dabei hilft, die Hintergründe besser zu verstehen. Auch für ein jüngeres Publikum – sogar für Hobby-Spieleentwickler – hat die Illustrierte durchaus ihren Wert. Zwischen den Zeilen geht sie, wie alle Retro-Magazine, der Frage nach, warum diese alten Systeme und Spiele heute noch so viel Spaß machen. Und das ist eine Frage, die auch uns Spieleentwickler häufig beschäftigt.

Selbst wer nicht auf dieser philosophischen Gratwanderung jonglieren möchte, wird mit „VD aktuell“ seinen Spaß haben und an einigen Stellen herzhaft lachen können.

Die Illustrierte ist nicht am Kiosk erhältlich und muss online bestellt werden. Ausgabe fünf erscheint Anfang Oktober 2024.

Links zu VD aktuell

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YouTube-Kanal
Fog Lake Production

Weiterführende Links

Mikrowelten – Geschichten der Computertechnik – Teil 6: Computer für die Massen
Mikrowelten – Geschichten der Computertechnik – Teil 9: Eine Freundin für den Geek
Game Design und Produktion: Grundlagen, Anwendungen und Beispiele

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