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Statistiken sind in den meisten Computerspielen ein wichtiges Element, um dem Spieler Feedback über die erbrachte Leistung zu bringen. In nahezu jedem Genre werden sie auf irgendeine Art und Weise eingesetzt. Als Spieleentwickler kann man dabei einiges falsch machen.

Was sind Statistiken?

Wer an Statistiken denkt, hat vor seinem geistigen Auge diverse Diagramme und Zahlenkolonnen. In dieser Form tauchen sie natürlich nur in wenigen, speziellen Genres wie Wirtschaftssimulationen auf. Doch unter „Statistik“ versteht man allgemein die Zusammenfassung empirischer Daten, quantitativen Informationen, die dem Betrachter präsentiert werden.

In klassischen Plattformern wie Secret Agent hat man die Punktzahl immer im Blick
In klassischen Plattformern wie Secret Agent hat man die Punktzahl immer im Blick

Falls das an dem Punkt noch nicht klar ist: Der Punktestand in einem Arcade-Titel ist bereits eine Statistik. Sie fasst – sehr einfach – die Erfolge des Spielers in einer Zahl zusammen. Das ist einfacher, als laufend alles aufzulisten, was der Spieler bspw. eingesammelt hat. Und da die Punktezahl visuell leicht zu erfassen ist, kann man sie in einer Tabelle vergleichen, was wir Highscore-Tabelle nennen.

Dabei würde ich nicht so weit gehen und jede Zahl im Spiel als Statistik klassifizieren, auch wenn diese ebenfalls in gewisser Hinsicht ein Feedback – zumindest zum jeweiligen aktuellen Stand – darstellen. Darunter fallen Lebensenergie, Rüstung, Anzahl leben etc.

Warum Statistiken?

Wir spielen am Computer, da werden genug Zahlen generiert, die man erfassen und auswerten kann. Einerseits sind statistische Werte sehr gut geeignet, um Spieler miteinander zu vergleichen. Ebenso können solche Werte auch genutzt werden, um die eigene Leistung mit vorherigen, eigenen Leistungen zu vergleichen. Etwa Rundenzeiten in einem Autorennen. Ohne diesen Wert wäre so ein Spiel sehr langweilig.

Wenn wir uns näher mit dem Thema befassen, merken wir schnell, dass es unterschiedliche Arten von Zahlen und somit Statistiken gibt. Punkte und Zeiten sind i. d. R. kumulierte Werte, deren einzelne Bestandteile nur selten oder teilweise erfasst werden.

Statistik in Wolfenstein 3D am Ende einer Mission
Statistik in Wolfenstein 3D am Ende einer Mission

Nehmen wir einen simplen, klassischen Shooter als Beispiel. Wenn der Spieler Feinde erschießt und Objekte einsammelt, sind die Punkte kumuliert und am Ende des Levels werden diese Punkte nicht einzeln aufgezählt. Hinzu kommen oft Bonuspunkte, etwa durch das Aufdecken von Geheimgängen, die benötigte Zeit und speziellen Errungenschaften. Am Ende wird die Gesamtpunktzahl mit den Einzelwerten zusammengezählt.

Man könnte nun die Punkte in jedem Level und bei jedem Durchgang desselben Levels ebenfalls erfassen und eine weitere Statistik bilden und als Verlaufskurve darstellen. Solche Langzeitstatistiken sind aber nicht immer sinnvoll.

Statistik pro Genre

Generell kann man über alles Mögliche Statistiken anfertigen. Manche Genres sind dafür besser geeignet als andere. Zu beachten gilt es, dass eine Statistik dem Spieler immer einen Mehrwert bieten muss. In Actionspielen reicht es oft schon aus, neben der erreichten Punktzahl die Zeit und Anzahl getöteter Feinde anzuzeigen.

Doom II Statistik am Levelende
Doom II Statistik am Levelende

Im Bereich von Strategiespielen und Wirtschaftssimulationen kann es bereits ganz anders aussehen. Aus detailliert dargestellten Werten kann der Spieler seine eigene Leistung besser ablesen und vergleichen. In Echtzeitstrategiespielen wird gerne die Anzahl der Truppen und Ressourcen pro Zeiteinheit angezeigt. Das verdeutlicht, welcher Spieler (dazu zählt auch die KI) zu welchem Zeitpunkt wie stark war.

Die Command and Conquer 1 Statistiken waren noch recht rudimentaer
Die Command & Conquer 1 Statistiken waren noch recht rudimentär

Gerade der Bezug zu einer Zeiteinheit kann wichtige Informationen liefern. Wie viele Steuern zahlen meine Bürger im Aufbauspiel pro Monat und Jahr? Wie steht es um Verkaufszahlen in meinem Tycoon? Welchen Verlauf haben die Krankheitstage meiner virtuellen Mitarbeiter?

Statistiken hier Mad Games Tycoon 2 koennen wichtige Informationen fuer den Spieler liefern
Statistiken – hier Mad Games Tycoon 2 – können wichtige Informationen für den Spieler liefern

Wir stellen fest, dass wir in nahezu allen Spielen irgendwelche Statistiken brauchen, aber diese je nach Genre unterschiedlich stark ausgeprägt und sinnvoll sind. Als Gamedesigner ist dabei die wichtigste Frage: „Was bringt das dem Spieler?“ Nicht alles, was man erfassen kann, sollte man auch tun und anzeigen.

Sinn und Unsinn

Hier bin ich selbst einmal in eine Falle getappt. In einem Plattformer hatte ich die Idee, am Ende jedes Levels Statistiken anzuzeigen. Etwa wie in Doom oder Wolfenstein 3D. Doch ich wollte es ausführlich tun und auch die Trefferquote pro Waffe anzeigen. Im Nachhinein stellte sich das als eine sehr dumme Idee heraus. Die Statistik brachte keine wertvolle Information und sorgte nur dafür, dass sich der Spieler schlecht fühlte, wenn da nicht „100 %“ stand. Mehr noch: Im Spiel gab es ein Schwert und es führte irgendwann dazu, dass ich sehr vorsichtig damit agierte, um möglichst mit jedem Schwerthieb den Gegner zu treffen. Nur wegen der Statistik am Levelende.

Gut gemeint aber nutzlos: Trefferstatistiken in einem Jump'n' Run Spiel
Gut gemeint aber nutzlos: Trefferstatistiken in einem Jump ‘n’ Run Spiel

Stellt euch einmal vor, Windows würde euch beim Herunterfahren anzeigen, wie oft ihr daneben geklickt habt. Wie oft ihr euch vertippt habt. Wie lange die Maus nicht benutzt wurde.

„Das System wurde vor 4h 23min gestartet. In dieser Zeit war die Maus 58 min inaktiv.“

Ja, kann man alles statistisch erfassen, aber ist Unsinn und bringt somit keinen Mehrwert.

Wenn Du es machst, dann richtig!

Es gibt auch Werte, deren Sinnhaftigkeit zu Ende gedacht werden muss. Nehmen wir Schach. Wenn ich am Ende einer Partie angezeigt bekomme, dass ich 45 Sekunden pro Zug gebraucht habe, ist diese Zahl ziemlich nutzlos. Interessanter ist eine Verlaufskurve pro Zug, aber nur, wenn ich gleichzeitig die einzelnen Züge anklicken und sehen kann, in welcher Stellung ich wie lange gebraucht habe.

lichess.org Statistik 01
Auf lichess.org kann jede Partie nach ihrer Beendigung ausführlich analysiert werden

Die Frage nach dem Nutzen ist von zentraler Bedeutung für jede Statistik. Dabei gilt es zu beachten, dass der Nutzen für unterschiedliche Spieler unterschiedlich groß sein kann. Außerdem kann sich dies sogar während der Entwicklung eines Spiels ändern, wenn sich bspw. die Ausrichtung des Games selbst verändert. Um auf die Trefferquote zurückzukommen: Wäre das oben beschriebene Spiel ein Multiplayer-Game geworden, hätten diese Informationen durchaus einen Mehrwert. Der Spieler hätte gesehen, welche Waffe wie oft eingesetzt wird und wie gut er mit ihr umgehen kann. Damit sind wir im Bereich von E-Sport.

Mehrstufige Statistiken

Wir erkennen dabei rasch, dass es bei vielen Spielen ganz unterschiedliche Arten von Spielern gibt. Viele sind Gelegenheitsspieler. Sie wollen für einen überschaubaren Zeitraum Spaß. Lediglich die Buchhalter unter diesen Spielern werden sich an ausführlichen Statistiken erfreuen. Für andere Gamer ist so ein Spiel das Leben. Sie investieren viel Zeit, wollen immer besser werden und dafür brauchen sie detaillierte Werte.

Um dies zu erreichen, können die erfassten Daten in mehreren Stufen und somit Detailgrade angezeigt werden. Ein schönes Beispiel dafür sind moderne Schachplattformen. Die Elo-Zahl sowie Siege, Unentschieden und Niederlagen sind für die allermeisten Spieler wichtig und werden entsprechend auffällig platziert. Für jedes Spiel lassen sich Analysen erzeugen, welche bspw. über die Fehlerquote Auskunft geben. Außerdem lassen sich alle analysierten Spiele in weitere Statistiken zusammenfassen, die mal mehr, mal weniger sinnvoll sind. Wie viele Sekunden der Spieler braucht, um mit einem Bauern oder Springer zu ziehen, mag eher uninteressant sein. Aber die Siegquote pro Eröffnung und Farbe zeigt sofort an, wo die Stärken und Schwächen liegen, an denen der Spieler arbeiten kann.

Sehr ausfuehrlich und nuetzlich koennen die tieferen Statistiken auf lichess.org sein
Sehr ausführlich und nützlich können die tieferen Statistiken auf lichess.org sein

Wenn es das Spiel hergibt, sind mehrstufige Statistiken somit durchaus sinnvoll. Die wichtigsten Werte bekommt man auf einen Blick. Wer mehr erfahren möchte, hat die Option, tiefer einzutauchen.

Praktische Umsetzung

Es gibt natürlich auch Genres, die vollständig auf Statistiken verzichten, etwa Point-and-Click-Adventures. Das war aber nicht immer so. Alte Sierra-Titel hatten immerhin eine Punktzahl, welche durch gelöste Rätsel anstieg. Am Ende des Spiels wusste man zumindest, ob man alle Rätsel gelöst hatte. Auf Dauer setzte sich dies jedoch nicht durch.

Larry II Hier werden die Punkte ganz oben links angezeigt
Larry II: Hier werden die Punkte ganz oben links angezeigt

Da wir es bei Statistiken teilweise mit vielen Zahlen zu tun haben, sollte man sie bereits vor der Entwicklung einplanen. Sie erst am Ende einer jahrelangen Entwicklung einzupflegen kann mühsam sein und viele Fehler verursachen. Außerdem hat man durch den frühen Einbau Zeit, die Richtigkeit zu prüfen und den Sinn zu hinterfragen.

Dabei sollte man sich darüber Gedanken machen, welche Statistiken absolut wichtig sind und welche man eher optional betrachtet. Dies kann sich im Laufe der Entwicklung sogar verschieben. Bei den vermeintlich optionalen Werten ist es jedoch wichtig, dass sie von Anfang an erfasst werden. Ob diese angezeigt werden, kann man noch später entscheiden. Ggf. kann man dies sogar über eine Variable steuern.

Das ist ein bisschen aufwändiger. Wenn man das jedoch von Anfang an umsetzt, ist es einfacher, als später tausende von Zeilen Code zu durchforsten, zu ergänzen und zu überarbeiten. Vor allem, wenn man das Spiel bereits veröffentlicht hat und es dann doch noch umsetzen will.

Fazit

Statistiken bereichern die meisten Spiele oder sorgen gar erst für den Spielspaß. Dabei sollte man sich stets überlegen, welche Werte und welche Form der Auswertung sowie Darstellung sinnvoll sind. Man kann Spieler damit unter- und überversorgen.

Die Wahl, welche Statistiken man im Spiel einbaut, hängt vom Genre, Anspruch und der Zielgruppe ab. Je mehr Gelegenheitsspieler, umso weniger Zahlen sollten den Bildschirm füllen.

Erst wenn das geklärt ist, sollte man mit der Entwicklung eines Spiels beginnen. Startet man zu spät, kann das gravierende Folgen, etwa zu fehlerhaften Zahlen führen. Deshalb ist es wichtig, Statistiken in Computerspielen von Anfang an zu berücksichtigen.

Neben vielen tollen Dingen, die man mit Statistiken machen kann, besteht die Gefahr, dass man unsinnige Werte erfasst und anzeigt. Die zentrale Frage ist hier: „Was bringt das dem Spieler?“

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