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Zwischen Nintendo, Commodore und Wintel

Das Unternehmen saß oft zwischen den Stühlen. Einerseits wollte es den Konsolenmarkt bedienen, konnte aber trotz teils guter Geräte, etwa dem Atari Lynx, nicht mit Nintendo und Sega mithalten. Konsolen wie der Atari Jaguar floppten vollständig. Ähnlich wie Commodore versuchte auch Atari, mit immer neuen Geräten Fuß zu fassen, ohne eine klare, für Kunden erkennbare Strategie zu verfolgen.

Atari Lynx
Atari Lynx

Neben der von Tramiel geführten Atari Corporation gab es noch Atari Games. Im Jahr 1985 wurde eine Mehrheitsbeteiligung an der Münzspielabteilung an Namco verkauft, das auch den Namen Atari Games übernahm. Warner benannte Atari Games in Atari Holdings um, welche bis 1992 als nicht-operative Tochtergesellschaft weitergeführt wurde. Später verlor Namco das Interesse am Betrieb von Atari Games. Im Jahr 1987 verkaufte Namco 33 % seiner Anteile an eine Gruppe von Mitarbeitern unter der Leitung des damaligen Präsidenten Hideyuki Nakajima, der seit 1985 Präsident von Atari Games war.

Atari Games stellte weiterhin Arcade-Spiele und -Geräte her und verkaufte ab 1988 auch Cartridges für das Nintendo Entertainment System unter dem Markennamen Tengen, darunter eine Version von Tetris. In den späten 1980er Jahren tauschten die Unternehmen eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten über die Rechte an Tetris und Tengens Umgehung von Nintendos Sperrchip aus, der Dritte daran hinderte, nicht autorisierte Spiele zu entwickeln. Der Rechtsstreit wurde schließlich 1994 beigelegt, wobei Atari Games an Nintendo Schadensersatz und die Nutzung mehrerer Patentlizenzen zahlte.

1987 erwarb die Atari Corporation die Federated Group für 67,3 Millionen Dollar und sicherte sich damit Regalflächen in mehr als 60 Geschäften in Kalifornien, Arizona, Texas und Kansas, und das zu einer Zeit, als die großen amerikanischen Elektronikmärkte zögerten, Computer der Marke Atari zu führen, und zwei Drittel der PC-Produktion von Atari in Europa verkauft wurden. Die Federated Group wurde 1989 an Silo verkauft.

Das 1989 veröffentlichte Lynx, eine Handheld-Konsole mit Farbgrafik, die viel Aufsehen erregte, stand unter keinem guten Stern. Ein Mangel an Teilen verhinderte, dass das System zum Weihnachtsgeschäft desselben Jahres landesweit auf den Markt kam, und der Lynx verlor Marktanteile an Nintendos Game Boy, der zwar nur ein Schwarz-Weiß-Display besaß, aber billiger war, eine bessere Akkulaufzeit hatte und viel häufiger erhältlich war. Tramiel stellte Computer gegenüber Spielkonsolen in den Vordergrund, doch Ataris proprietäre Computerarchitektur und das Betriebssystem fielen dem Erfolg der Wintel-Plattform (Windows-Intel PCs) zum Opfer, während sich der Spielemarkt erholte. 1989 verklagte die Atari Corp. Nintendo auf 250 Millionen Dollar und behauptete, das Unternehmen habe ein illegales Monopol. Atari verlor den Fall schließlich, als er 1992 von einem US-Bezirksgericht abgewiesen wurde.

1993 positionierte Atari seinen Jaguar als einziges interaktives 64-Bit-Media-Entertainment-System auf dem Markt, aber er verkaufte sich schlecht. Der Jaguar wurde von den Mitgliedern von Flare Technology entwickelt, einem von Martin Brennan und John Mathieson gegründeten Unternehmen. Das Team hatte behauptet, sie könnten nicht nur eine Konsole entwickeln, die dem Genesis oder dem Super NES überlegen war, sondern auch kosteneffizient sein.

Atari Jaguar
Atari Jaguar

Beeindruckt von ihrer Arbeit am Konix Multisystem überredete Atari sie, Flare zu schließen und ein neues Unternehmen namens Flare II zu gründen, wobei Atari die Finanzierung übernahm. Flare II machte sich zunächst an die Arbeit, zwei Konsolen für Atari zu entwickeln. Die eine war eine 32-Bit-Architektur (Codename Panther), die andere ein 64-Bit-System (Codename Jaguar). Die Arbeit am Jaguar-Design ging schneller voran als erwartet, so dass Atari das Panther-Projekt abbrach, um sich auf den vielversprechenderen Jaguar zu konzentrieren. Der Jaguar wurde im August 1993 auf der Chicago Consumer Entertainment Show vorgestellt. Zur Vorbereitung der Markteinführung wurde die Atari ST-Computerreihe eingestellt, und die Unterstützung für frühere Systeme wie den Atari 2600 und die Atari 8-Bit-Familie war bereits am 1. Januar 1992 eingestellt worden. Der Jaguar sollte die letzte Heimkonsole sein, die von Atari produziert wurde, und die letzte, die ein amerikanischer Hersteller bis zur Einführung der Xbox durch Microsoft im Jahr 2001 produzierte.

Atari Falcon 030 (Foto: Wikipedia)
Atari Falcon 030 (Foto: Wikipedia)

Der Atari Falcon (Atari Falcon030) wurde 1992 veröffentlicht und war zugleich der letzte Computer der ST-Reihe. Das High-End-Modell der Reihe basiert auf einer Motorola 68030-CPU und einem Motorola 56001-Digitalsignalprozessor, ein Merkmal, das ihn von den meisten anderen Mikrocomputern dieser Zeit unterscheidet. Er enthält ein neues programmierbares VIDEL-Grafiksystem, das die Grafikfähigkeiten erheblich verbessert. Der Falcon wurde Ende 1993 – ein Jahr nach seiner Einführung – eingestellt, als Atari sich umstrukturierte, um sich ganz auf die Veröffentlichung und den Support der Videospielkonsole Atari Jaguar zu konzentrieren. Der Falcon wurde in relativ geringen Stückzahlen verkauft.

Bis 1996 hatte Atari durch eine Reihe erfolgreicher Gerichtsverfahren Millionen von Dollar auf der Bank, aber durch den Misserfolg des Lynx und des Jaguars stand Atari ohne ein Produkt da, das man verkaufen konnte. Tramiel und seine Familie wollten ebenfalls aus dem Geschäft aussteigen. Die Folge war eine rasche Abfolge von Eigentümerwechseln. Im Juli 1996 fusionierte Atari mit JTS Inc., einem kurzlebigen Hersteller von Festplattenlaufwerken, zur JTS Corp. Ataris Rolle in dem neuen Unternehmen wurde weitgehend die eines Besitzers der Atari-Eigenschaften und eines kleinen Supports, und folglich verschwand der Name weitgehend vom Markt.

Atari Jaguar Gamepad
Atari Jaguar Gamepad

Am 13. März 1998 verkaufte JTS den Namen und die Vermögenswerte von Atari an Hasbro Interactive für 5 Millionen Dollar, weniger als ein Fünftel dessen, was Warner Communications 22 Jahre zuvor gezahlt hatte. Bei dieser Transaktion ging es in erster Linie um die Marke und das geistige Eigentum, das nun unter die Abteilung Atari Interactive von Hasbro Interactive fiel. Der Markenname wechselte im Dezember 2000 erneut den Besitzer, als der französische Softwarehersteller Infogrames Hasbro Interactive übernahm.

Im Oktober 2001 kündigte Infogrames (jetzt Atari SA) an, die Marke Atari „neu zu erfinden“, indem es drei neue Spiele mit einem auffälligen Atari-Branding auf der Verpackung auf den Markt brachte: Splashdown, MX Rider und TransWorld Surf. Mittlerweile hatte die Marke „Atari“ nichts mehr mit ihren Ursprüngen zu tun. Infogrames verwendete Atari als Markenname für Spiele, die sich an die 18- bis 34-Jährigen richteten. Seitdem muss der Markenname für alles Mögliche hinhalten.

Fanboys

Aus heutiger Sicht war Atari ein Pionier, der in zwei Phasen dem jeweiligen Markt seinen Stempel aufdrückte. Die Konsolen 2600 und 5200 begeisterten Gamer der ersten Stunde. Dabei ging es nicht nur um die Hardware, sondern generell um Interaktion und die vielen Standards, die bis heute in der Spieleentwicklung vorherrschen. Dass man beim Spielstart drei Leben hat, wie sich ein Raumschiff steuert und andere Game Design Elemente wurden u. a. bei Atari erfunden.

Diese Zielgruppe wird bis heute gemolken, indem 80er Jahre Klone unter dem Namen Atari vertrieben werden. Dies betrifft verschiedene Emulatoren in Soft- und Hardware.

Die zweite Phase betrifft zweifelsohne die ST-Reihe. Sie ist bis heute tief in der Demoszene verwurzelt. Wie auch für die Commodore-Hardware werden auch heute noch für STs Demos und Spiele programmiert.

Atari 7800 ProSystem
Atari 7800 ProSystem

Atari fühlt sich, wie der Apple II, Commodore 64 oder Amiga, für viele Menschen heute noch an, wie der erste Kuss im Leben. Der Gedanke daran lässt Herzen höherschlagen, auch wenn nicht alles gut war. Meine persönlichen Erinnerungen betreffen vor allem den Atari 7800. Den besaßen die Kinder eines Kollegen meines Vaters. Da er zum Atari 2600 kompatibel war, spielten wir fast ausschließlich River Raide darauf. Mich musste man dabei regelrecht vom Controller wegzerren.

Woran scheitern Unternehmen?

Dafür gibt es zahlreiche Gründe, die meistens können darauf zurückgeführt werden, dass in relativ kurzer Zeit viele schlechte Entscheidungen gefällt wurden. Diese wiederum haben ebenfalls zahlreiche Ursachen.

  1. Geldmangel
  2. Zeitmangel
  3. Kompetenzmangel
  4. interne Rivalitäten und Egoismen
  5. zu schnelles Wachstum

Dies, um nur ein paar zu nennen. In der ersten Phase lassen sich bei Atari die Punkte 1, 2 und 5 ausmachen. Aufgrund von Geldmangel musste das Unternehmen verkauft werden, um wachsen zu können. Dies führte u. a. zu Zeitmangel, da Geldgeber bzw. neue Eigentümer in kurzer Zeit Erfolge sehen wollen. So produzierte Atari neben tollen Konsolen auch viel Schrott.

Bei den ganzen Erfolgen fing das Unternehme an zu wuchern. Aus zwei Mitarbeitern wurden in rund zehn Jahren 10.000. Das hatte zur Folge, dass Chaos entstand und dabei sehr viel Geld verbrannt wurde. Bei einer solchen Anzahl von Mitarbeitern ist auch zu befürchten, dass in den Büros immer mehr Kompetenzmangel herrscht. Hierfür war Tramiels Vorgehen, von 900 Leuten nur noch 100 zu behalten, ein Indiz.

Der vierte Punkt, interne Rivalitäten und Egoismen, war sicherlich ein Problem zwischen Warner und Atari. Ein weiterer Punkt ist die Strategie. Als positives Beispiel kann man hier Nintendo heranziehen. Ein Unternehmen, welches sich seit Jahrzehnten mit wenigen, positiven Worten beschreiben lässt: „Hersteller von familienfreundlichen Spielekonsolen und Games“. Ihrer Strategie blieben sie in den letzten 40 Jahren fast ausnahmslos treu. Jeder hat ein Bild im Kopf, wenn er „Nintendo“ hört. Jeder kennt Super Mario, Zelda und andere Marken, selbst wenn er es noch nie gehört hat. Wer keine Ahnung hat, seinen Kindern aber eine Freude machen will, kauft irgendwas von Nintendo und macht dabei fast nie einen Fehler.

Firmen wie Commodore und Atari wollten hingegen in zu kurzer Zeit zu viele Bereiche abdecken, ohne eine langfristige Strategie, etwa Abwärtskompatibilität oder Erweiterbarkeit, konsequent zu verfolgen. Die bereits aufgeführten Probleme kamen noch hinzu. Tramiels Strategie, Hardware in kurzer Zeit zusammen zu schrauben und günstig zu verkaufen, ist erfolgreiche, aber eine sehr kurzfristige Strategie. Auch der Atari ST hatte seine Probleme und war bspw. dem Amiga nur im Bereich Sound dank der MIDI-Schnittstelle überlegen. Im Detail aber wirkte das System weniger ausgereift.

Eine zentrale Frage lässt sich aber nicht abschließend und voll umfänglich beantworten: Hatten Unternehmen wie Atari und Commodore je eine Chance, bis in die heutige Zeit zu überleben? Ich denke, dass Commodore die Chance hatte, Atari nicht. Das hat mit zwei Faktoren zu tun: Jack Tramiel und die Marktposition. Durch den VIC-20 und C64 bekam Commodore einen ausgezeichneten Ruf und viel Geld. Doch die kurzfristige Strategie machte einen Führungswechsel notwendig. Das Problem war, dass Commodore anschließend niemanden mehr hatte, der den Markt und die Technologie verstand. Jemand, der auf gute Ingenieure hört und eine langfristige Strategie ausarbeitet, hätte wesentlich mehr bewirken können, zumal Commodore die Amiga-Technologie förmlich in den Schoß fiel. Damit hätte sich das Unternehmen konsequent aus der 8-Bit-Zeit und dem Konsolenmarkt verabschieden müssen, um sich auf Computer für Amateure und Profis zu konzentrieren. Stattdessen versuchten sie, möglichst viele Zielgruppen halbherzig zu bedienen.

Atari hingegen erlebte durch Jack Tramiel einen kurzfristigen Schub, der durch Jacks Rachegelüste mit Energie befeuert wurde. Doch die persönlichen Probleme mit Tramiel sind bekannt und auch hier fehlte die langfristige Strategie. Wenn du als Firma mit finanziellen Problemen und ohne ein solides Fundament alles Mögliche sein willst, bist du am Ende nichts.

Links

1: Von Adam bis Zuse
2: Die drei großen Buchstaben
3: Kalifornien und Texas erobern die Welt
4: Gleiche Geschwindigkeit bei doppelter Bit-Zahl
5: Die Billig-CPU
6: Computer für die Massen
7: Der Zukunftsprozessor
8: Die Legende des Außerirdischen
9: Eine Freundin für den Geek
10: Siegeszug der 8086er
11: Der elektronische Apfel
12: Der reduzierte Befehlssatz
13: Made in Germany

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