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„Es gibt einen Sonic-Klon für den PC“, sagte ein Freund. „Echt? Zeig mal her!“ Ich war sehr neugierig. Richtig schnelles Scrolling kannte ich am PC nur aus der Demoszene. „Ein Hase?“ „Ja, aber der ist extrem cool!“

Mein Freund hatte Recht. Jazz Jackrabbit war bis dahin so ziemlich das coolste Jump ’n’ Run Spiel auf dem PC und ist heute noch eines der beeindruckendsten Vertreter des Genres der DOS-Ära. Doch es hatte auch eklatante Designschwächen.

Ursprung Demoszene

Kennt noch jemand Epic MegaGames? Ach ja, das waren die mit der Unreal-Engine. Heute als „Epic Games“ bekanntes Milliardenunternehmen, deren Spieleengine gefühlt in zwei von drei Megatiteln verwendet wird. Doch auch Zwerge haben klein angefangen. Epic veröffentlichte im Gründungsjahr 1991 sein erstes Spiel ZZT. In meinem Jugendzimmer wurden sie vor allem mit Jill of the Jungle (1992) bekannt.

Das Spiel mit dem Hasen erschien 1994, wurde jedoch vorwiegend von Arjan Brussee entwickelt. Arjan war ein bekannter Demoszener, der vor allem mit der VectorDemo 1991 für Aufregung sorgte.

Heute vor allem aufgrund des schrillen Sounds kaum nachvollziehbar, war es damals höchst beeindruckend, was sich auf dem Röhrenmonitor abspielte.

Das Wissen um die Grafikprogrammierung und anderen Szene-Skills nutzte der Niederländer geschickt für Jazz Jackrabbit aus. Das merkt man bereits am Plasma-Effekt im Hauptmenü, am Star-Scroller beim Ladebildschirm und daran, dass für die Musik XM-Module verwendet wurden. Für mich, der sich seit spätestens 1991 immer intensiver mit der Szene beschäftigte, waren das große Pluspunkte.

Beeindruckende Grafik!

Für 1994 sah das Spiel grandios aus. Satte, farbenfrohe VGA Grafik mit liebevollen Sprites verwöhnten das Auge. Vor allem die süßen Animationen der Hauptfigur brachten den Spieler immer wieder zum Schmunzeln, was bereits mit dem toll gezeichneten Intro beginnt. Die Musik tut ihr Übriges, um den geneigten Zocker zu fesseln.

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So beginnt die erste Mission

Das Hüpfspiel spart nicht gerade mit Animationen, von denen manche per Code erzeugt wurden. Mich beeindruckten damals vor allem die tollen Wasserfälle. Die wunderschöne Grafik zeigt sich auch bei vielen Gegnern. Die Hintergründe wirken hingegen oft etwas lieblos und detailarm.

Was aber 1994 verblüffte, war das butterweiche Scrolling. Das kannte man nur von Konsolen und vielleicht noch vom Amiga. Aber auf dem PC? Unmöglich! Und so kam es, dass das Spiel zumindest in der ersten Stunde durch Grafikpracht über seine Schwächen hinwegtäuschte.

Handlung?

Wie bei fast allen Vertretern des Genres reißt sich auch Jazz Jackrabbit bei der Story kein Bei raus. Jazz ist ein echter Draufgänger, der sich mit verschiedenen Waffen seinen Feinden entgegenstellt. Der große Feind heißt Devan Shell, ist eine Schildkröte und gerade dabei, das Universum einzunehmen. Das scheint Jazz nicht wirklich zu stören, doch Devan macht den Fehler, Eva Earlong, die Freundin des grünen Hasen, zu entführen.

Das ist natürlich nicht gerade preisverdächtig, aber ehrlich: Wen hat bei solchen Spielen schon die Handlung interessiert?

Designschwächen

Das große Vorbild von Jazz Jackrabbit war Segas Sonic. Der Hase rast mindestens genauso schnell durch das Level wie der Igel – und erbt dabei alle Schwächen. Dem nicht genug: Der karottensüchtige Nager setzt noch ein paar neue obendrauf.

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Missionsauswahl

Bereits bei den alten Sonic-Spielen gibt es das Problem, dass die Spielfigur auf Geschwindigkeit getrimmt ist und man die Levels in einer gewissen Zeit schaffen muss. Auf der anderen Seite sind die Welten sehr groß, haben viele Verstecke und landen somit zum Erkunden ein. Will man alles entdecken, muss das Level immer wieder neu gespielt werden.

Während der Igel bei höherer Geschwindigkeit rollt und damit Feinde aus dem Weg räumt, geht das beim grünen Rammler nicht. Er ist auf Waffen angewiesen und rennt somit laufend in Feinde hinein. Eine Energieleiste verhindert zwar das Schlimmste, diese ist aber schnell aufgebraucht. Hinzu kommt, dass die Geschosse nur bis zum Bildschirmrand überleben. Befindet sich ein Gegner 10 Pixel außerhalb, wird er nicht getroffen. In späteren Leveln gibt es so viele Feinde und Fallen an ungünstigen Stellen, dass man fast nur noch überlebt, wenn man sich in kurzen Schritten vorwagt. Aufgrund des Leveldesigns wird das Spiel somit zum genauen Gegenteil von dem, was die Rahmenparameter versprechen.

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Ladeszene. Uns erwartet ein neuer Planet

Immerhin versucht das Langohr, diese Schwächen zu kompensieren. Zwischendurch finden sich Sterne für Unverwundbarkeit. An abgelegenen Stellen bekommt man einen Vogel als Begleiter. Der ist nicht nur Dekoration, er schießt auch auf Feinde, was vor allem dann hilfreich ist, wenn man hoch auf eine andere Ebene hüpft und sich dort Feinde befinden.

Trotz vier Schwierigkeitsgrade ist das Spiel eine Herausforderung und man muss laufend Munition und überlebenswichtige Karotten einsammeln. Mit „einfach durch rennen“ ist hier kaum ein Blumentopf zu gewinnen.

Leveldesign

Vor allem in den ersten Leveln ist die Architektur großartig. Es gibt sehr viele Verstecke, sehr viel zu entdecken, und zahlreiche Pfeile weisen einem den Weg, sollte man sich verirren. Würde man nicht so sehr unter Zeitdruck stehen, wäre es ein Paradies für große Erkundungsreisen.

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Hase mit Höhenflug

Zwischendurch gibt es dreidimensionale Bonus-Level und Abschnitte, in denen man sich selbst zum Vogel verwandelt. Das bietet einiges an Abwechslung. Im besagten Bonus-Level muss man unter Zeitdruck Kristalle einsammeln, damit der Rammler ein Extraleben erhält.

Leider sind nicht alle Abschnitte auf dem gleichen hohen Niveau, weder graphisch noch inhaltlich. Stellenweise befindet man sich in einem riesigen Labyrinth, aus dem man kaum herauskommt. Hier kann es tatsächlich passieren, dass man trotz aller Eile auf Zeit verliert. Zwar hat man mehrere Leben zur Verfügung, diese teils identisch wirkenden Grafiken können dennoch recht frustrierend sein.

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Auf dem Weg zum Checkpoint

Stellenweise werden wir durch schier endlose Rohre transportiert, was teils nervig, manchmal öde sein kann. Die Physik-Elemente, etwa durch Wind, machen einen großen Spaß.

Frustrierend sind die bereits erwähnten Stellen mit vielen Feinden und Fallen. Ja, das war damals Standard, heute hingegen veraltetes Design. Es gibt aber auch Stellen, die wie in Sonic ultraschnelles Rennen erlauben. Diese sind recht kurz, jedoch unterhaltsam. Mit der Zeit stellt sich bei Jazz Jackrabbit eine gewisse Hassliebe ein, die sich fast durch das ganze Spiel zieht.

Auf die langen Ohren

Die Soundeffekte sind selbst heute noch recht gut und nerven fast nie. Die Musik hingegen schwankt in der Qualität sehr stark. Im Menü und den ersten Leveln ist sie mitreißend melodisch, teilweise durch funkyge Beats untermalt. Im späteren Verlauf sind hingegen nervige Tracks vorhanden, bei denen man die Lautstärke gerne herunterregelt.

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Bäume und Disketten

Bewertungen

Trotz des oben aufgeführten Gemeckers fesselte mich das Spiel damals für einige Stunden an den Bildschirm. Zwar lockte es kaum einen damaligen Konsolenspieler hinter dem TV-Gerät hervor, beeindruckte aber immerhin mit seiner Technik. Die Fachpresse war etwas gespalten. Die PC Hemma vergab 1995 glatt 100 Punkte. Der Redakteur der schwedischen Zeitung resümierte:

„Jazz Jackrabbit zu spielen bedeutet viele unterhaltsame Stunden vor dem Computer. Meine Wenigkeit würde eine Woche brauchen, um bis zum Ende zu kommen. Und das sind acht Stunden pro Tag. Dieses Spiel ist für die ganze Familie geeignet.“

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Stellenweise kann es ziemlich dunkel werden

Die PC Player war in ihrer Novemberausgabe 1994 etwas verhaltener. Anatol Locker meinte damals:

„Epic Megagames legt eine sehr respektable Leistung vor, die Freunde von schnellen Geschicklichkeitsspielen auf jeden Fall ausprobieren sollten.“

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Am Ende reichte es nur für eine Wertung von 70 Punkten. PC Joker fasste es zwei Monate zuvor sehr passend zusammen:

„Weil das Auge auch bei Hasenbraten mitisst, turnen hier niedlich animierte Sprites vor sanft und teilweise sogar parallax scrollenden Hintergründen. Dazu gibt’s tolle Soundblaster-Akustik, die so mancher 16-Bit-Karte zur Ehre gereichen würde, und die Steuerung via Keyboard, Joystick oder Gravis-Gamepad ist besonders mit letzterem traumhaft präzise. Freilich sind die spritzigsten Ideen des Gameplays samt und sonders geklaut, vor allem die Mega CD-Variante von „Sonic“ haben sich die Programmierer offenbar ganz genau angeschaut. Aber egal, denn auf der DOSe sind rasante Röhrenabschnitte, zahllose Geheimräume und Dutzende von Extras halt noch nicht alltäglich.“

Am Ende gab es 79 Punkte, denen ich mich sehr gut anschließen kann. Technisch war es damals extrem beeindruckend und ist bis heute sehr gut gealtert. Jazz Jackrabbit ist ein Spiel, das man heute noch Kindern vorlegen kann, sofern sie etwas frustresistent sind. Die eine oder andere Stunde Spielspaß sind auf jeden Fall drin. Allerdings ist es spielerisch auch nicht der absolute Megahit.

Nachwirkungen

Das Spiel bekam zwei Level-Pakete spendiert, die zusammen mit dem Hauptspiel 1995 auf CD-ROM veröffentlicht wurden. Diese Version erhält man mittlerweile auf GOG.

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Am Ende gibt es Statistiken

Der zweite Teil kam 1997 raus. Er war ebenfalls 2D, lief unter Windows und machte optisch noch einmal einen großen Sprung. Dies lag u. a. an der höheren Auflösung und den damit verbundenen Details. Der Hase war dadurch ebenfalls kleiner, was u. a. eine bessere Übersicht auslöste. Ein launiger Zweispielermodus rundete das Paket ab. Die PC Player konnte sich dafür kaum begeistern und vergab 58 Punkte. Meiner Meinung nach viel zu wenig. Zwar wurde die hohe Auflösung positiv gesehen, allerdings bemängelt, dass das Spiel aufgrund von 2D-Technik „altbacken“ wirke. Aus heutiger Sicht ein schlechter Witz, zumal solche Spiele zum Glück wieder recht hoch im Kurs stehen.

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Ein Hase wird zum Vogel

Ebenfalls negativ wurde ein Problem aus dem ersten Teil gesehen: die fiese Positionierung der Feinde. Übrigens: Der Mehrspielermodus funktionierte nicht nur über Splitscreen, sondern auch über das Internet.

Mit Jazz Jackrabbit 3D wurde noch in den 1990ern versucht, den Hasen in die dritte Dimension zu bringen. Die Entwicklung wurde jedoch eingestellt. 2002 erschien dann Jazz Jackrabbit Advance für den Game Boy Advance. So richtig begeistern konnte es die Spieler aber nicht mehr.

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Ein bisschen schrill

Bis heute gibt es jedoch Fans des Hasen. Von diesen wird es gerne als „Legende“ bezeichnet, was sicherlich zu viel des Guten ist. Ein Klassiker der DOS-Ära ist es aber allemal.

Weiterführende Links

Jazz Jackrabbit auf Wikipedia
Epic Games auf Wikipedia
PC Player
Jazz Jackrabbit auf Moby Games
Jazz Jackrabbit Advance auf Metacritic

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