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Niedergang

Die Gründe, warum Commodore letztlich pleite ging, waren vielfältig. Mangelnde Strategie, teils schlechtes Marketing und interne Probleme sind sicherlich die wesentlichen Faktoren. Commodore gelang es nie, gute Ingenieure langfristig zu binden. Nach der Tramiel-Ära verschlimmerte sich dies, da immer weniger auf Fachleute und mehr auf Marketing-Dödel gehört wurde.

Mit dem Einkauf von Amiga – worauf später tiefer eingegangen wird – hatte man endlich eine durchdachte Technologie, um sich von der 8-Bit-Ära zu lösen, aber Commodore verstand es nicht, sie an den Mann zu bringen. Der Amiga war allem, was Commodore bis dahin erschuf, weit überlegen. Und er verfügte über eine Architektur, die sich später weiterentwickeln ließ, ohne größere Probleme mit Abwärtskompatibilität zu bekommen.

Doch das Marketing wusste damit nicht viel anzufangen. Der Amiga war ein Computer für alle, auch wenn seine Stärken im Gaming-Bereich lagen. Für Büros war er ebenso geeignet wie für Videobearbeitung. Es gab keine Marketingstrategie und nach der pompösen Einführung lediglich halbherzige Kampagnen. Dies lag auch am Erfolg des C64. Bei Commodore dachte man, der „Nachfolger“ würde sich mehr oder weniger von selbst verkaufen. Eine fatale Fehleinschätzung.

Ebenso fatal war es, sich auf den Krieg mit Atari und vor allem Jack Tramiel zu konzentrieren. Es wurde eine persönliche Sache. Dabei vernachlässigte man, was sich auf dem IBM-PC Markt tat. Der IBM-PC, mit dem IBM nicht mehr viel am Hut hatte, entwickelte sich von einer seriösen Büromaschine zunehmend zu einer Spielekiste und landete schließlich genau da, wo sich Commodore lange Zeit sah: In Kinder- und Jugendzimmern. Durch seine Grafik- und Soundleistung war der Amiga mindestens bis Anfang der 1990er Jahren den PCs überlegen, aber Commodore hatte ein Imageproblem. Durch den C64 und seine Ableger wurde das Unternehmen immer mehr mit „Daddelkisten“ assoziiert. PCs hingegen hatten den Anstrich der Seriosität. Während Eltern annahmen, dass man mit Amigas nur spielen könne, erschien ihnen der Gaming-Faktor bei PCs eher als Nebeneffekt. So wurden diese Maschinen eher zum Lernen, für Office und aus pädagogischen Gründen gekauft und in die Kinderzimmer gestellt. Während sich also PCs in einer Positivspirale befanden, war bei Commodore das Gegenteil der Fall.

Hinzu kam, dass auch die Weiterentwicklung des Amigas nicht im ausreichenden Maße vorangetrieben wurde, dabei hätte das Unternehmen bereits durch die C64-Erfahrungen wissen müssen, wie fatal sich technischer Stillstand auswirkt.

Statt eine klare Strategie zu fahren, taten sie das, was sich noch nie bewährte. Aus Verzweiflung schufen sie Varianten teils veralteter Hardware, um noch irgendwie an Geld zu kommen.

Amiga 2000
Amiga 2000. – Foto: Wikipedia

CBM verkaufte weiterhin den Amiga 2000 mit 7,14 MHz 68000 CPUs, obwohl der Amiga 3000 mit seinem 25 MHz 68030 auf dem Markt war. Apple verwendete zu dieser Zeit den 68040 und hatte den 68000 in sein niedrigstes Modell, den schwarz-weißen Macintosh Classic, verbannt. Der 68000 wurde im Sega Genesis verwendet, einer der führenden Spielkonsolen der Ära, PCs, die mit hochfarbigen VGA-Grafikkarten und SoundBlaster (oder kompatiblen) Soundkarten ausgestattet waren, hatten schließlich die Leistung des Amigas eingeholt und Commodore begann, vom Verbrauchermarkt zu verschwinden. Commodore brachte eine Reihe von PC-kompatiblen Systemen auf den Markt, die von seiner deutschen Abteilung entwickelt wurden, und obwohl der Name Commodore in den USA besser bekannt war als einige seiner Konkurrenten, waren die Systeme preislich und technisch nur durchschnittlich.

Im Jahr 1992 ersetzte der A600 den A500. Es entfernte die numerische Tastatur, den Zorro-Erweiterungssteckplatz und andere Funktionen, fügte aber IDE, PCMCIA und ein theoretisch kostenreduziertes Design hinzu. Entwickelt als Amiga 300, ein nicht erweiterbares Modell, das für weniger Geld als der Amiga 500 verkauft werden sollte, wurde der 600er aufgrund der unerwartet höheren Herstellungskosten gezwungen, ein Ersatz für den 500er zu werden. Benutzer wechselten zunehmend zu PC und Macintosh, während die Konsolenkriege den Spielemarkt übernahmen. David Pleasance, Geschäftsführer von Commodore UK, bezeichnete den A600 als einen „kompletten und totalen Reinfall“.

Amiga 1200
Amiga 1200. – Foto: Wikipedia

1992 brachte Commodore die Computer Amiga 1200 und Amiga 4000 heraus, die mit einem verbesserten Grafikchipsatz, dem AGA, ausgestattet waren. Das Aufkommen von PC-Spielen mit 3D-Grafik wie Doom und Wolfenstein 3D bedeutete aufgrund von Missmanagement das Ende des Amiga als Spieleplattform.

Im Jahr 1993 war das „make or break“-System laut Pleasance eine 32-Bit CD-ROM-basierte Spielkonsole namens Amiga CD32, aber sie war nicht profitabel genug, um Commodore wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Dies war nicht die allgemeine Meinung bei Commodore. Der Hardware-Experte Rainer Benda, der für Commodore Deutschland in Frankfurt arbeitete, sagte: „Das CD32 kam für Commodore ein Jahr zu spät. Mit anderen Worten, auch hier wäre es vielleicht besser gewesen, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, als sich auf eine Konsole zu stürzen und zu hoffen, in kurzer Zeit 300.000 oder mehr Einheiten zu verkaufen, um den Konkurs zu vermeiden.“

Amiga CD32 L
Amiga CD32. – Foto: Wikipedia

1992 wurden alle Wartungs- und Garantiereparaturen in Großbritannien an die Wang Laboratories ausgelagert, die von ICL abgelöst wurden, nachdem die Nachfrage nach Reparaturen während des Weihnachtsgeschäfts 1992 nicht befriedigt werden konnte. 1994 waren nur noch die Geschäfte in Deutschland und in GB rentabel. Am 29. April 1994 meldete Commodore Konkurs an und hörte auf zu existieren, woraufhin der Vorstand laut einer offiziellen Erklärung „die Übertragung der Vermögenswerte an Treuhänder zugunsten der Gläubiger genehmigte“.

Der C64 ist heute noch Kult, der Amiga, zumindest in seiner Hauptreihe, immer noch ein geniales System. Dabei wird in der Retrospektive vieles verklärt, allem voran Commodore als Unternehmen. Zwar hatten diese Computer bedeutend mehr Seele als heutige Maschinen, aber es darf nicht vergessen werden, dass Commodore bei Fans großen Schaden angerichtet hatte. Dies betrifft Ankündigungen von Hardware, die nie kam, aber auch Geräte, deren Produktion und Support sehr schnell eingestellt wurden. Commodore scheiterte, neben allen anderen Verfehlungen, an seiner Unzuverlässigkeit und ein stückweit unseriösen Praktiken, vor allem mit den Kunden. Es war eine Firma mit hochbegabten Menschen, die zur besten Zeit viele Freiheiten hatten, aber für Kunden ebenso eine Wundertüte.

Obwohl ich selbst ein PC-Jünger war, hatte ich stets großen Respekt vor den Geräten. Und wenn man heute die Anekdoten ehemaliger Mitarbeiter ließt, kann man sich kaum vorstellen, wie es möglich ist, ein solches Unternehmen zu ruinieren. Ingenieure, die tagelang in der Firma übernachten, um ein Produkt fertig zu bekommen. Menschen, die in der Nacht einbrechen, weil das Management sie daran hindert, ihre geliebte Arbeit zu machen. Und trotz aller Verfehlungen tritt der Glücksfall ein, dass man für wenig Geld einen Amiga bekommt und selbst das bekam Commodore weder ausreichend gut vermarktet, noch weiterentwickelt. Wie wenig diese Firma den Amiga verstand, zeigt sich schon am Gehäuse des A1000. Doch diese Geschichten sollen später erzählt werden.

Links

1: Von Adam bis Zuse
2: Die drei großen Buchstaben
3: Kalifornien und Texas erobern die Welt
4: Gleiche Geschwindigkeit bei doppelter Bit-Zahl
5: Die Billig-CPU
6: Computer für die Massen
7: Der Zukunftsprozessor
8: Die Legende des Außerirdischen
9: Eine Freundin für den Geek
10: Siegeszug der 8086er
11: Der elektronische Apfel
12: Der reduzierte Befehlssatz
13: Made in Germany

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