• 22Minuten
blank

Der IBM-PC

Dem Branchenprimus flog somit die Aufgabe zu, einen Industriestandard zu definieren. Dies musste schnell geschehen. Ein Adjektiv, das man sonst nur bei der Rechtsabteilung kannte.

Als größten Konkurrenten sah man den Apple II bzw. Apple II+ (1979-1982) an, der seit Jahren beachtliche Marktanteile eroberte. Mit knapp 1300$ war er zwar deutlich teurer als bspw. der PET 2001, dafür aber bei vielen Käuferschichten sehr beliebt, was nicht nur am Produkt, sondern am Marketing lag. So behauptete Apple in seiner Werbung so lange, der Apple II sei der meistverkaufte PC, bis es irgendwann stimmte.

Apple II - Foto: Wikipedia
Apple II – Foto: [26]

Durch das eingebaute Applesoft BASIC von Microsoft konnte jeder sofort seine eigenen Programme schreiben. Insgesamt sprach der Computer Erwachsene und Jugendliche, Künstler, Kaufleute und vereinzelt Wissenschaftler an.

IBM selbst war mit dem 5100er-Modell grandios gescheitert und somit war klar, dass man andere Wege gehen musste und ein Produkt brauchte, das Apple in die Schranken verwies. Das Ziel war ein günstiger, leistungsfähiger und erweiterbarer Computer in möglichst kurzer Zeit.

IBU gegen Bürokratie

CEO Frank Carey hatte begonnen, die Schaffung kleiner, autonomer „Independent Business Units“ (IBU) innerhalb von IBM zu fördern. Dies war nötig, um neue Produkte aus dem bürokratischen Bereich des Unternehmens zu bekommen, damit Neuentwicklungen keine Ewigkeiten mehr dauerten. Anstatt Atari zu übernehmen, erlaubte der Konzernausschuss William C. Lowe, eine Gruppe von 12 Mitarbeitern zu bilden, und forderte eine Strategie zur internen Entwicklung des Produkts.

IBM PC Motherboard (1981) - Foto: Wikipedia
IBM PC Motherboard (1981) – Foto: [27]

Der grobe Prototyp, den sie entwarfen, funktionierte kaum, als Lowe ihn dem Komitee im August 1980 vorführte, aber er präsentierte einen detaillierten Geschäftsplan, der den Entwicklungsprozess rationalisierte, indem er eine offene Architektur sowie nicht-proprietäre Komponenten und Software vorschlug. Außerdem sollte das neue PC-Produkt über den Einzelhandel verkauft werden. Alle diese Elemente von Lowes Plan standen im krassen Widerspruch zur IBM-Tradition.

Das CMC (Corporate Management Committee) gab daraufhin seine Zustimmung, und 1980 beauftragte Lowe ein multidisziplinäres Team unter der Leitung von Don Estridge mit der Entwicklung und Einführung des neuen Produkts. Das Projekt erhielt den Namen „Project Chess“. Das Team bekam die Erlaubnis, bis Ende 1980 auf 150 Personen zu wachsen.

Geschwindigkeit durch Standards

Um schnell voranzukommen, wurde das Produkt aus Standardkomponenten erschaffen, die Entwicklung des Betriebssystems an Microsoft und des Prozessors an Intel ausgelagert. Der Strategie von Lowe folgend, sollte der IBM-PC innerhalb eines Jahres entwickelt werden.

Die Hardware selbst musste binnen 90 Tage fertig sein, was nur funktionieren konnte, wenn man vorhandene Teile nahm und in einem Gehäuse zusammenschusterte. Das wiederum hatte den Nutzeffekt, dass man bereits existierende, erprobte Komponenten nicht lange testen musste.

Intel 8088 - Foto: Wikipedia
Intel 8088 – Foto: [28]

Anfang 1980 waren 8-Bit-Prozessoren in PCs Standard. Um einen Vorteil zu erlangen, wollte IBM eine 16-Bit-CPU verwenden. Diese sollte von Intel kommen. Hier standen zwei zur Auswahl: 8088 und 8086. Der 8088 war langsamer und konnte die 16-Bit nur intern. Nach Außen verhielt er sich wie ein 8-Bit-Prozessor. Die Absicht von Intel bestand in der Rückwärtskompatibilität zum 8080 Prozessor. Bei der Entscheidungsfindung kamen IBM typische Gedanken auf. Der 8086 war demnach viel zu schnell. Man würde sich selbst Konkurrenz zu anderen, bereits geplanten Rechnern machen. Somit entschied man sich für den langsameren 8088, der bis zu 512kb RAM ansprechen konnte, was später noch einige Probleme mit sich brachte.

Alles war Geheim

Um das Vorhaben zu realisieren, musste jeder Mitarbeiter eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben. Nicht nur gegenüber Externen, sondern auch innerhalb von IBM galt diese Geheimhaltung. Nach Außen hin wollte man sich keine Blöße geben, sollte das Projekt scheitern. Da sich das CMC alle 90 Tage traf, um von William C. Lowe einen Bericht über den aktuellen Stand zu erhalten, bestand laufend die Möglichkeit, dass das Unterfangen frühzeitig eingestellt wurde. Noch wichtiger waren aber die internen Komplikationen. Je mehr Leute davon erfuhren, umso mehr Meinungen gab es und so wurde zurecht die Befürchtung gehegt, dass aus einem bescheidenen, überschaubaren Projekt ein weiteres Monster wurde. Außerdem befürchtete man Probleme mit Marketing und den Verkäufern. Besonders der Vertrieb lebte von Provisionen pro Stückzahl, da war bei den kleinen PCs nicht viel zu holen.

IBM AT-Tastatur - Foto: Wikipedia
IBM AT-Tastatur – Foto: [29]

Im Laufe der 12 Monate gab es rund 300 Änderungen am Prototyp, allerdings wurde nicht jeder Vorschlag umgesetzt. Abgelehnt wurde eine Erweiterung für Joysticks. Begründung: Der IBM-PC ist ein Arbeitscomputer und niemand kommt auf die Idee, darauf zu spielen.

Durch die Strategie von William C. Lowe gab es zwei gute Gründe für Unternehmen, einen IBM-PC zu kaufen. Zunächst war da der große Name, verschmolzen mit einem weltweiten, einzigartigen Service. Durch die Großrechner hatte IBM eine perfekte Infrastruktur, nicht nur in den USA, sondern auch Europa und Japan. Dies, verbunden mit der jahrzehntelangen Tradition, gab Firmen Sicherheiten für ihre Investitionen in Computer. Dazu kam der offene Standard, wodurch sich der Riese vor allem von Apple abhob. Jeder konnte Geräte für einen IBM-PC bauen, sogar den PC selbst nachbauen, sofern er sich an die offenen Standards hielt. Bei anderen Herstellern war dies überhaupt nicht, oder nur bedingt, möglich.

Autor

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen