Habt ihr euch schon immer gefragt, wie es ausgesehen hätte, wäre Duke Nukem eine Frau gewesen? Ich mich eigentlich auch nicht, aber Ion Fury gibt auf die ungestellte Frage eine Antwort.
Es war einmal
Der Trend ist verständlich. Die Industrie setzt uns immer größere, aufgeblasene Technikmoster vor. Audiovisuell beeindruckende Werke, die massenkompatibel möglichst jeden Geschmack ansprechen soll. Statt Charakter bekommt der Spieler zahlreiche Optionen, die bis hin zur Dekoration seiner Waffe reichen. Keine Millisekunde im Spiel wird dem Zufall überlassen. Schlauchlevel, Skripte und bezahlbare Inhalte sind großer Bestandteil des Spielkonzepts. Freie Erkundung, Geheimnisse und komplexes Leveldesign gelten eher als abschreckend für AAA, schließlich besteht die Gefahr, Kontrolle über den Spieler zu verlieren. Und was man nicht kontrollieren kann, könnte negative Gefühle auslösen.
Das Heilmittel Retro
Nun, ganz so einfach ist es nicht, aber was uns in hochaufgelöster Pixelgrafik auf dem Monitor begegnet, hätte uns bereits 1996 erscheinen können, zumal das Spiel die Möglichkeit bietet, es in 640×480 im Softwaremodus zu zocken.
Die Hauptfigur Shelly Harrison ist Polizistin und hart wie Stahl. Ihr Charakter definiert sich vorwiegend durch ihre Sprüche, die nie ganz an den alten Duke heranreichen, dennoch hervorragend zur Figur passen. Vor allem die Synchronstimme hat es mir angetan. Sie klingt ein wenig wie eine hyperaktive Polizistin, die wochenlang Formulare bearbeiten musste und endlich raus darf. Das ist nicht originell, aber retro.
Beeindruckt hat mich, wie gut die technisch veraltete Grafik teilweise modern aufbereitet auf dem Monitor wirkt. Alles ist in sich stimmig, pixelige Objekte wirken selbst dann gut, wenn sie direkt vor einem stehen. Bei einem Umfang von rund zehn Stunden Spielzeit und durchgehender Musik kommt das Spiel dennoch nur auf knapp 100 Megabyte. Auch die restlichen Hardwareanforderungen sind sehr moderat.
Der Fluch Retro
Die Level sind meist deutlich komplexer als moderne Shooter, dennoch besteht die Aufgabe immer aus dem gleichen Muster. Um zum Ausgang zu gelangen, braucht es farbige Schlüsselkarten, die man suchen muss. Zumeist rennt man dabei von A nach B, dann wieder nach A, um anschließend zu B zu kommen. Im schlimmsten Fall bleibt der Spieler stecken oder ist schlicht von der endlosen Lauferei genervt. Wurde ein Abschnitt gesäubert, kommt aber nicht zum Ausgang, weil man die rote Karte nicht findet, kann man eine Stunde im Level verbringen, ohne das etwas passiert.
Nervig ist ebenfalls, dass man im ersten Drittel nur fünf verschiedene Gegnertypen trifft. Später kommen ein paar hinzu, bis auf einen Typ sind dies allerdings alles Schießbudenfiguren. Ja, so waren die 90er, aber das war nicht unbedingt gut. An einigen Stellen hätte Ion Fury gerne zeigen können, dass die Entwickler die letzten 20 Jahre nicht verschlafen haben.
Technische Probleme
Nervtötend kann die Soundengine sein. Sie spielt die Soundeffekte und Musik tadellos ab, es kann aber vorkommen, dass neben der Musik noch Lieder abgespielt wird, die im Level eingebaut wurde. Hier hätte gerne jemand auf die Idee kommen können, die Hauptmusik auszuschalten.
Gegner hört man über weite Distanzen gut und kann sie damit aufspüren. Wenn sie aber durch fünf Wände hinweg so klingen, als würden sie direkt neben einem stehen, nervt und irritiert dies mächtig.
Das sind keine gewaltigen Fehler, doch reißen sie einen immer wieder aus dem Spiel heraus und zerstören die sonst wunderbare Atmosphäre. Da ich mit dem Testbericht ziemlich spät dran bin (es erschien vor 1,5 Jahren) hätte ich zumindest erwartet, die Probleme würden sich per Patch lösen lassen.
Achterbahnfahrt der Gefühle
Dann diese „Wow!“-Momente, wenn Dinge passieren, mit denen man nicht gerechnet hätte. Die Bosskämpfe sind teils sehr gut gemacht (vor allem gegen Dr. Heskel selbst) nur um anschließend zu enttäuschen, wie etwa dem Abspann.
Die suche nach den Schlüsselkarten ist am Anfang okay, mit der Zeit aber extrem ermüdend. In 27 von 28 Levels ist das der Fall, ohne spielerische Abwechslung zu bieten. Steuerung und Waffen wurden zwar ordentlich umgesetzt, über die Gesamtdauer zieht dies aber heute keine Leberwurst mehr vom Teller.
Fazit
Informationen
Spielname: Ion Fury
Hersteller: Voidpoint, LLC
Plattform: Windows 7 und höher
Getestete Version: Steam – Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
Positiv |
Negativ |
+ Sehr schöne Retro-Grafik |
– Leveldesign auf Dauer sehr nervig |
+ Gute, stimmungsvolle Grafikeffekte |
– Technische Probleme (Kollision, Sound) |
+ Hervorragende Musik |
– Viel zu wenig Gegnertypen, vor allem im ersten Drittel |
+ Gutes Waffendesign |
– KI kaum vorhanden, lebt von der Masse und der Zielgenauigkeit |
+ Sehr gute Stimme der Hauptfigur |
– Streckenweise zu sehr 1996 (Gameplay, Mangel an Abwechslung, Intro, Abspann) |
+ Sehr gutes Retro-Gefühl |
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+ Auch 640×480 Auflösung mit Software Renderer möglich |
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+ Nur Knapp 100 MB groß und ressourcenschonend | |
+ Sehr viele Secrets pro Level | |
+ Zusatzinhalte durch Bonusmissionen und Fan-Maps |
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+ Viele nette Anspielungen, vor allem durch Poster an Wänden |
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