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Die Deutsche Frage

Es stellt sich zwangsläufig die Frage, warum es ausgerechnet in Deutschland so viele Point&Click Adventures gab, diese hierzulande sehr gute Wertungen erhielten und zugleich International eher links liegen gelassen wurden. Zunächst: Es gibt mit Sicherheit nicht EINEN Grund, weshalb ich mehrere mögliche Gründe aufliste. Allerdings ist manches auch eher Spekulation.

Land der zensierten Spiele

Zunächst müssen wir zurück in die 1990er. Während auf dem Globus Hits wie Doom, Quake und zahlreiche andere Shooter extrem beliebt waren, blieben die deutschen Verkaufsregale davon „verschont”. Die meisten brutalen und schnellen Spiele, selbst einige Strategiespiele, wurden in Deutschland zensiert oder stark geschnitten. Stattdessen wurde das Spielen von Adventures und anderen, eher harmlosen Titeln, kultiviert oder blieben zumindest viel länger positiv in Erinnerung.

Deutsche Eigenheiten

Hinzu kommen Eigenheiten, die man gerne deutschen Spielern vorwirft. Wir sitzen gerne vor Tabellen, Statistiken, Managerspielen und spielen mit textlastigen Inhalten. Bei genauer Betrachtung floppten international nicht nur unsere Abenteuer, sondern Handelssimulationen, Managerspiele und Strategietitel, die im internationalen Vergleich so spröde sind wie ein Knäckebrot. Während bei uns das Spiel mehr im Kopf als auf dem Monitor stattfindet, sieht man das international ganz anders. Satte, bunte Farben, viel Action, viele Effekte sind vor allem in den USA angesagter als hierzulande.

Deutscher Humor

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Geheimakte Tunguska

Fragt man im Ausland nach positiven deutschen Eigenschaften, wird Humor wahrscheinlich nie genannt. Das liegt u. a. daran, dass Humor hier nicht nur unterentwickelt ist sondern sich stets in einem bestimmten Kontext befinden muss. Ironie und Sarkasmus werden hier fast ausschließlich nur dann erkannt, wenn sie deutlich gekennzeichnet sind. Deshalb verlieren viele Gags ihre Wirkung, weil es oft angekündigt werden muss. Seien es Sendetitel im TV oder durch abdrücken eines Eintrittspreises auf der Bühne.

Es klingt hart, aber durch solche Kennzeichnungen fühlt man sich in Deutschland zum Lachen aufgefordert. Steht ein Künstler auf der Bühne, ist dies der unaufgeforderte Befehl zum Lachen. Im Alltag, ohne Kennzeichnung, würden die meisten Gags nicht funktionieren bzw. nicht verstanden. Umgekehrt funktioniert in Deutschland selbst der billigte Gag über Jahrzehnte, wenn er oft genug wiederholt wird. Zu Weihnachten Loriot oder zu Silvester Dinner for one sind ein Beleg deutscher Heiterkeit.

Dazu kommen Wortwitze, die in anderen Sprachen nur unzureichend funktionieren. Beim Deutschen Publikum führt dies zu einer höheren Identifikation, geht aber bei Übersetzungen meistens verloren. Da auch die Gagdichte im Vergleich zu anderen Titeln geringer ist, wirken Deutsche Spiele am Ende eher bemüht.

Low budget != low Quality

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Geheimakte Tunguska

Spieleentwicklung in Deutschland funktioniert oft nur mit Fördergeldern. Während man in den USA relativ schnell Geldgeber findet und mit einer höheren Zielgruppe Chancen hat, ein finanzielles Plus zu erreichen, sieht es im Land der Dichter und Denker anders aus.

Selbst 2019 leben wir in einem eher technikfeindlichen Land in dem kaum eine Bank Geld einem Startup geben würde, um Software oder gar Spiele zu entwickeln. Das Resultat sind kleinere Teams, die überschaubare Projekte angehen. Adventures bieten sich hier geradezu an, zumal die Rahmenbedingungen mit einer beachtlichen Fanbase im eigenen Land optimal sind. Zudem gibt es mittlerweile einige Engines nur für Adventure, welche die Investitionskosten gering halten. Dazu gibt es im nächsten Teil mehr Informationen.

Mit diesen Voraussetzungen lassen sich ordentliche Titel entwickeln, die aber im Ausland, u. a. aus dem oben genannten Gründen, nicht wirklich gewürdigt werden.

Dazu kommt, dass ein geringes Budget automatisch eine schlechtere Qualität suggeriert. Beim genauen Vergleich stimmt das auch. Schauplätze, Umfang und Zwischensequenzen sind in deutschen Produktionen eher limitiert, auch wenn sich dahinter dennoch ein großartiges Spiel verbirgt. Es kommt außerdem hinzu, dass Software aus Deutschland generell keinen sonderlich guten Ruf hat und eher so anziehend wirkt wie ein überfahrenes Eichhörnchen.

Nachmacher

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Monkey Island 1 in der Special Edition. Noch heute werden die guten alten Zeiten glorifiziert.

Kaum ein Deutscher Test, der keinen Vergleich zu den LucasArts Klassikern zieht. Seit Monkey Island (1990) werden Adventures, vor allem aus Deutschland, mit den goldenen Zeiten verglichen. Das ist nicht nur unfair, sondern auch lähmend. Einerseits werden neuartige, innovative Spiele gefordert, andererseits wird alles mit 25 bis 30 Jahre alten Spielen verglichen. Wer davon abweicht, wird gerne „abgestraft”, wie oben beim Remake von Black Mirror zu sehen war.

Als Entwickler hat man die Wahl: Entweder, man bedient die Presse und die heimische Fanbase, verkauft dafür aber im Ausland deutlich weniger Spiele. Oder man geht Risiko, macht ein Spiel, das deutschen Erwartungen nicht gerecht wird und hat dann das weitere Risiko, dass es im Ausland überhaupt nicht vertrieben wird, weil schon die deutschen Wertungen schlecht sind.

Vertriebswege

Die genannten deutschen Titel sind meist eine Kombination aus deutschen Entwicklern und deutschen, oder zumindest europäischen Publishern. Aufgrund der vielen Texte fließt für die vergleichsweise kleinen Projekte mit entsprechend kleiner Zielgruppe viel Arbeit in Übersetzung und Synchronisation. Das kostet Zeit, Geld und birgt die Gefahr, dass viel vom Humor oder der Handlung auf der Strecke bleibt.

Deutschland ist das Land der Synchronisation. Wir haben schon immer Filme, Serien und Spiele zumeist sehr gut eingedeutscht. Umgekehrt funktioniert das weniger gut. Ein Grund für ausländische Publisher, von solchen textlastigen Titeln aus Deutschland eher die Finger zu lassen, so lange die Zielgruppe nicht deutlich größer ist, etwa bei Rollenspielen.

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