• 14Minuten
blank

Die neuen alten Regeln

Die zwischen 2000 und 2010 erschienen Spiele, auf die später vertieft eingegangen wird, definierten einige Regeln, die bis heute in den meisten Adventures Gültigkeit besitzen.

Einfache Steuerung

Etwas, dass bereits in den 1990ern begann, aber erst in den 2000ern perfektioniert wurde, war die Steuerung. Tastatur und Verben waren out, aber auch die Maussteuerung wurde simplifiziert. Statt mehrere Befehle zur Auswahl zu haben wurden die meisten Adventures auf ein bis zwei Mausklicks reduziert. Etwa „untersuchen” und „benutzen”. Das machte die Bedienung einfacher und senkte den Frustfaktor, allerdings konnte man sich durch viele Kapitel simpel durchklicken, ohne wirklich über die Rätsel nachdenken zu müssen.

Keine Tode mehr

The-Legend-of-Kyrandia
The Legend of Kyrandia und der Blick in die Analen.

Vor allem Sierra Spiele zeichneten sich durch skurrile Tode aus, man fand sie aber auch in anderen Adventures, etwa in The Legend of Kyrandia. Das mag, vor allem für den Entwickler, unterhaltsam sein, wenn man aber eine Stunde oder länger nicht gespeichert hat, nervt es und reißt einen zugleich aus der sonst stimmigen und eher anmutenden Atmosphäre raus.

Keine Sackgassen, dafür Spielhilfen

Bereits in den 1990ern weitestgehend verbannt wurden Sackgassen. Wenn der Spieler etwas tat, was er nicht hätte tun sollen und somit das Spiel nicht mehr lösen kann. Das ist schlimmer als der Tod, weil der Spieler stundenlang herum irrt und nicht versteht, warum er nicht weiter kommt.

Um dem eins drauf zu setzen, etablierten sich immer mehr Spielhilfen. Etwa, dass durch einen Tastendruck (oder Klick auf ein Symbol) alle Objekte im Raum angezeigt werden, mit denen der Spieler interagieren kann. Das ewige Absuchen des Bildschirms erledigte sich damit. Ein weiterer Schritt waren Spielhilfen, die einem mehr oder weniger per „Wink mit dem Zaunpfahl” die Lösung eines Rätsels andeuteten. Diese Möglichkeit verursachte unterschiedliche Auswüchse in Adventures. Zum Beispiel endlose Dialoge, um die Spielzeit zu strecken.

Es zeigte sich, dass die Spiele sich immer mehr in Richtung „eine Geschichte interaktiv erleben” entwickelten und die Interaktion aus vergleichsweise wenigen Klicks bestand.

Einsparen von Laufwegen

blank
Geheimakte Tunguska, ohne dumme Bildunterschrift.

Eines der größten Übel „klassischer” Adventure waren die Laufwege. Stundenlang rannte man von A über B nach C, suchte die Bildschirme ab und versuchte, irgend etwas Neues zu entdecken, wo es schlicht nichts Neues gab. Um sich nicht zu verlaufen, musste man, wie in der alten Textadventure-Zeit, Karten selbst zeichnen. Neuere Abenteuer reduzierten die lückenfüllenden Bildschirme erheblich und bauten Funktionen ein, mit denen der Charakter schneller laufen oder gar per Doppelklick sofort den Raum verlassen konnte.

Reduzierung von Phrasen

Ebenfalls nervig waren früher immer gleiche Antworten der Charaktere wie „Das kann ich nicht tun!”. Zwar tauchen diese heute immer noch auf, in zahlreichen Spielen, wie etwa der Secret Files Serie, wurden solch nervigen Phrasen drastisch reduziert.

Made in Germany

Black Mirror
Black Mirror

2004 erschien The Black Mirror von Future Games. Das Spiel wurde in Deutschland von dtp entertainment entwickelt und es entstand der Eindruck, The Black Mirror wäre ein deutsches Spiel, dabei stammen die Entwickler aus Tschechien. Die internationale Kritik war gemischt, in Deutschland kam das Spiel aber gut an und wurde bspw. bei der Gamestar mit 80 Punkten bewertet. Die Serie hatte noch zwei Nachfolger (2009 und 2011) und sogar einen Reboot 2017. Teil 2 und 3 wurden von Cranberry Production in Deutschland entwickelt, der Reboot von King Art, ebenfalls in Deutschland.

Während Teil zwei und drei sich gegenüber dem Serienstart verbesserten oder zumindest das Niveau halten konnten, kam der Reboot nicht sonderlich gut an. Benjamin Baum von Gamestar schrieb zum Reboot in seinem Fazit:

»Mich stört der weitgehende Verzicht auf Rätsel nicht, aber dafür hätten die Bremer den Gang in Richtung Story-Adventure konsequenter gehen sollen. Wenn schon Quick-Time-Events, weshalb dann nicht von der Güteklasse der Telltale-Abenteuer? Auch aus den Entscheidungen hätte King Art mehr machen können. Die im Spiel wirken sich kaum aus, nicht mal ein alternatives Ende war drin.«

Zurück zu den 2000ern. Eine große Überraschung lieferte Deck13 2005 mit dem Spiel Ankh ab. Bodo Naser von 4Players leitete damals seinen Artikel mit folgenden Worten ein:

»Eigentlich schade, dass kaum noch Adventures mit skurrilem Humor erscheinen – in den letzten Jahren konnte man die süffisanten Knobler an einer Hand abzählen.«

Ankh-1
Ankh

Es zeigt, dass Deck13 mit Ankh eine lange Sehnsucht befriedigte, oder es zumindest versuchte.

Das Spiel ist im alten Ägypten, genauer gesagt in Kairo angesiedelt. Der Spieler übernimmt die Rolle des jungen Assil, der bei einer Party von einer Mumie verflucht wurde.

Das Adventure zeichnet sich durch 3D Comicgrafik aus, deren Steuerung im Gegensatz zu anderen Spielen dieser Art erstaunlich gut funktioniert. Als Markenzeichen wird oft der Humor genannt, den ich persönlich als „typisch Deutsch” einordnen würde. Einerseits, weil es der eher klägliche Versuch ist, englischen Humor zu kopieren, andererseits oft daran scheitert, dass sich Pointen lange vorher ankündigen oder schlicht aus der Rubrik „Flachwitz des Tages” stammen.

Ankh-2
Ankh

Dies ist mit ein Grund, warum das Spiel vor allem in deutschsprachigen Raum gut ankam und im Ausland eher 60er und 70er Wertungen erhielt. In germanischen Landen hingegen heimste es durchaus Preise ein, etwa den Deutscher Entwicklerpreis 2005 und die Preise „Bestes deutsches Spiel” von Gamestar und 4Players.

Ein Jahr später folgte Ankh: Herz des Osiris und 2007 Ankh: Kampf der Götter. Deck13 verstand es, die Ankh-Kuh zu melken und lieferte Nachfolger ab, die sich durchaus sehen lassen konnten.

Im selben Zeitraum, nämlich 2007, erschien ebenfalls von Deck13 Jack Keane. Der Humor war nicht ganz so plump wie von Ankh und erzählte ein etwas größeres Abenteuer. Mit dem gleichnamigen Charakter reiste man in Indiana Jones Abenteuermanier ende des 19. Jahrhunderts herum. Die Grafik sah für die damalige Zeit und für ein Adventure trotz Comicgrafik recht beeindruckend aus und das Spiel machte richtig Spaß, bis es etwa in der Mitte bei mir nur noch Abstürze hagelte und an eine Fortsetzung des Abenteuers nicht mehr zu denken war.

Ankh-3
Ankh

Wie so oft waren die Kritiken in Deutschland extrem gut, außerhalb der Grenzen kam das Spiel weniger gut an und erhielt durchschnittlich (laut Metacritic) nur 69 Punkte. Im Vergleich zu Ankh (74 Metascore Punkte) war das nicht gerade positiv.

Doch nicht nur Deck13 bearbeitete in Deutschland das Gebiet der Adventures. Mit Geheimakte Tunguska (2006) starteten Animation Arts und Fusionsphere Systems die Secret Files Serie, welche es auf drei Teile schaffte. Spoileralarm: Vor allem den ersten Teil habe ich geliebt!

Besonders drei Dinge haben mich begeistert. Der Grafikstil, der eine deutlich verbesserte Version der The Longest Journey Attribute darstellte, das Thema rund um die Katastrophe in Tunguska 1908 und der Spielecharakter Nina Kalenkow. Es war erwachsen, reif, nicht so kindisch wie die Deck13 Spiele, aber immer wieder, trotz des ernsten Themas, mit einem Augenzwinkern versehen.

blank
Geheimakte Tunguska

Geheimakte Tunguska zeichnete sich vor allem durch die meist sehr logischen, in sich schlüssigen Rätsel aus. Musste man in The Longest Journey immer wieder Rätsel der Marke „Gummiente aufblasen um einen Schlüssel aus der Kanalisation zu holen” lösen, war dies bei Nina anders. Zeitweise spielte man mit einem zweiten Charakter, Max Gruber. Um an einer Wache, die Fußball schaut, vorbei zu kommen, musste erst die Verbindung zur Satellitenschüssel mit einem vorher gefundenen Skalpell durchtrennt werden. Die Wache läuft in einen Raum, den wir absperren. Damit sie keinen Lärm mehr macht, betäuben wir die Wache mit eine Blasrohr und einem Betäubungsmittel. Beides konnten wir vorher finden bzw. zusammen basteln.

Das Abenteuer ist eine halbe Weltreise, die nicht nur über 100 grafisch tolle Bildschirme, sondern auch zahlreiche Zwischensequenzen bietet. Die Sprecher sind alle Profis und für Vielleser bietet das Spiel ein Reisetagebuch, in dem man zahlreiche Tipps für die Rätsel entnehmen kann.

Diese und weitere Spiele verursachten nahezu eine Schwemme von Point&Click Adventures, die vorwiegend in Deutschland entstanden. Edna bricht aus (2008) von Daedalic Entertainment (Hamburg). The Book of Unwritten Tales (2009) von King Art (Bremen). Deponia (2012) ebenfalls von Daedalic Entertainment waren alles sehr gute Abenteuer.

Autor

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen