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Die Geschichte der Adventure Teil 3 – Lucas und die SCUMM-Lokomotive

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Mitte der 1980er Jahre war Sierra On-Lines der ungekrönte König der Adventure-Szene. Da man auf einem Bein schlecht stehen kann, versuchte das Unternehmen die Palette an Spielen zu erweitern, was nur bedingt gelang. Die Haupteinnahmequelle blieben die Abenteuerspiele und hier tat sich gewaltige Konkurrenz auf.

Der Fluch des Erfolgs

In der Spielebranche ist es wie überall: Wenn etwas Erfolg hat, wird es endlos kopiert. Dieses Phänomen gab es schon immer, nicht erst seit Minecraft. Nach Wolfenstein 3D und spätestens Doom wollten zahlreiche Studios das Spielprinzip und die Technik kopieren, was eine Fülle von schlechten Shootern hervorbrachte, hinter denen sich nur wenige Perlen verbargen. id Software mit dem genialen Programmierer John Carmack konnte jahrelang den Vorsprung durch technische Innovationen im 3D-Bereich halten, mussten sich dann aber irgendwann geschlagen geben, da der technischen Brillanz spielerisch keine Innovationen folgten. Dieses Schicksal traf einige Spieleschmieden und auch Sierra blieb nicht völlig verschont.

Mit King’s Quest I brachten sie zwar 1984 das erste Grafikadventure hervor, die Nachfolger bauten aber zunächst auf das immer gleiche Konzept. Bereits 1985 veröffentlichte ICOM Simulations mit Déjà Vu: A Nightmare Comes True das zweite Grafikadventure und kratzte damit am Alleinstellungsmerkmal von Sierra. Nachdem mehrere kleinere Studios versuchten auf den Zug aufzuspringen legte Activision 1986 mit Murder on the Mississippi nach. Das Spiel kam bereits komplett ohne Tastatureingabe aus und wurde durch Joystick-Kommandos gesteuert. Sierra veröffentlichte zu diesem Zeitpunkt bereits King’s Quest III und Space Quest I, die beide auf Tastatureingaben setzten.

Space Quest I
Space Quest I

Der Verzicht auf Texteingabe machte viele Spiele erheblich leichter, was vor allem eingefleischte Fans, die noch sehr gerne Textadventures spielten, verärgerte. Durch die Vereinfachung erweiterte sich aber die Zielgruppe. Ein oder zwei Jahre waren zu dieser Zeit in der Spielebranche eine Ewigkeit, die Sierra komplett verpennte.

Lucasfilm Games

Zunächst ein kleiner Blick zurück. 1982 wurde Lucasfilm Games (später LucasArts) als Tochterfirma von Lucasfilm gegründet. Erst 1984, also im Jahr von King‘s Quest I, veröffentlichte Lucasfilm Games die ersten beiden Spiele: Ballblazer (Sportsimulation) und Rescue on Fractalus (Shoot ’em up). Neben weiteren Titeln erschien 1986 Labyrinth und zeigte erste Anleihen von Abenteuerspielen.

Indiana Jones and the Last Crusade (1989)

Lucasfilm Games hätte es sich einfach machen und sofort mit der Versoftung von Filmmarken wie Star Wars und Indiana Jones beginnen können, aber dies nicht zu tun war äußerst clever. Diese Spiele sollten irgendwann kommen, aber zunächst wollte man Erfahrungen sammeln und ein gewisses Maß an Qualität erreichen. Die Marke, so wusste das Unternehmen, war für sich schon ein Zugpferd, konnte aber mit schlechter Qualität sehr leicht ruiniert werden. Somit gelten die ersten Jahre der Firma als experimentelle Phase, in der viele verschiedene Genres ausprobiert und neue Marken getestet wurden. „Lucas“ selbst stand bereits für eine gewisse Qualität, weshalb die ersten Spiele Aufmerksamkeit genossen. Durch die Zusammenarbeit mit Atari und Epyx konnte zusätzlich Erfahrung gewonnen werden, was sich mittelfristig auszahlen sollte.

Maniac Mansion

Es dauerte fünf Jahre, nämlich bis 1987. Lucasfilm Games landete mit Maniac Mansion seinen ersten Megahit. Einem Adventure, das im Genre und darüber hinaus förmlich ein Erdbeben auslöste und bis heute Kultstatus genießt. Die meisten Spieler vergnügten sich bis dahin entweder mit Arcade-Titeln, Sportspielen oder Abenteuer von Sierra.

Es sieht nicht so aus, als hätten wir im Gefängnis eine rosige Zukunft. Aber so weit lassen wir es nicht kommen

Das Point-and-Click-Adventure erhielt nicht nur von der Fachpresse ausgezeichnete Bewertungen sondern führte dazu, dass sich jugendliche, denen das Genre sonst am Allerwertesten vorbei ging, darin verliebten. Maniac Mansion war in vielen Punkten anders als der Rest. Es war innovativ, verrückt, lustig, höchst unterhaltsam und voller faszinierender Ideen. Man steuerte nicht einen Charakter sondern drei. Neben der Hauptfigur Dave durfte man zu Beginn zwei weitere aus sechs Spielfiguren wählen. Je nach Team fielen die Lösungen der Rätsel unterschiedlich aus, was den Wiederspielwert enorm erhöhte. Um das Spiel zu beenden, waren gar vier Hauptwege möglich.

Die Ausgangslage ist dabei einfach, aber zweckmäßig. Ein Meteor schlägt in der Nähe eines Landhauses ein, in dem der verrückte Wissenschaftler Dr. Fred mit seiner Familie lebt. Dieser Entführte die Freundin von Dave, Sandy, um sie für wissenschaftliche Experimente zu missbrauchen. Dave versucht nun mit zwei Freunden Sandy zu befreien. Da die Familie unter dem Einfluss des Meteors steht, entwickeln sie komische Angewohnheiten und Verhaltensweisen.

Im selben Jahr veröffentlichte Sierra Space Quest II, weshalb man die Begeisterung für Maniac Mansion am besten mit einem direkten Vergleich aufzeigt. Die zwei offensichtlichsten Merkmale sind die Steuerung und die Grafik. Optisch wusste das Spiel von Lucasfilm Games viel mehr zu beeindrucken, was vorwiegend daran lag, dass die Kamera viel näher am Geschehen war. Damit waren die Spielfiguren und alle Objekte größer und detailreicher. Während Space Quest II noch mit Texteingabe arbeitete, basierte Maniac Mansion auf ein Verben-System. Statt zu erraten, welche Wörter für Aktionen möglich waren, konnten Spieler aus einer Liste von 15 Verben wählen, was das Spiel diesbezüglich enorm vereinfachte. Aufgrund dessen war es einfach, das Spiel in den Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch, Japanisch und Spanisch zu veröffentlichen.

Am Anfang von Space Quest II landen wir im Dschungel eines fremden Planeten

Die Space Quest – Serie war immer bekannt für ihren makabren Humor, doch Maniac Mansion stand dem im nichts nach. Vor allem den genialen Ron Gilbert, der für weitere Kultspiele verantwortlich ist, zeigte im Spiel einen Humor mit einer Mischung aus Hochbegabung und Hammerschlag. Unvergessen war der Moment, in dem man einen Hamster in einer Mikrowelle entsorgen konnte. Dies führte in den meisten Computerzimmern für angenehme Heiterkeit. Den explodierten Hamster konnte man seinem Besitzer zurückgeben, woraufhin die Überreste im Garten begraben wurden.

Typisch für Sierra Abenteuer war, dass man darin sterben konnte. Das war im Prinzip bei Lucasfilm Games ähnlich, in Maniac Mansion aber nicht so extrem ausgeprägt. Im Haus liefen die Bewohner herum und gingen ihren Aktivitäten nach. Wurde man als Eindringling erwischt, landete man im Gefängnis des Hauses. Wurden alle drei eingesperrt, hatte man scheinbar verloren. Es gab aber die Möglichkeit die gefangenen Kameraden zu befreien, oder, wenn zwei oder mehr gefangen wurden, den Raum über einen geheimen Stein in der Wand zu verlassen, indem einer den Stein drückte und der andere den Raum über die geöffnete Tür verließ.

Neben den klassischen Rätseln, dem untersuchen der Räume und dem Sammeln von Gegenständen kam damit eine zusätzliche Komponente der Spannung hinzu. Insgesamt fühlte sich Maniac Mansion dadurch viel lebendiger an, zumal das Gefängnis ein wichtiger Durchgang zum Geheimlabor war und man die Gefangennahme zu bestimmten Zeitpunkten bewusst einsetzen musste, um die Bewohner abzulenken.

Der Humor zeigt sich nicht nur in Anspielungen, Dialogen, einer Treppe die „außer betrieb“ ist, sondern auch dadurch, dass gewisse Elemente über zwei oder mehrere Spiele hinweg miteinander verbunden sind. In Maniac Mansion beispielsweise findet man eine Kettensäge, die aber kein Benzin hat. Man kann sie einsammeln, untersuchen aber sonst nichts damit machen. In Zak McKracken and the Alien Mindbenders (1988), einem Adventure das außer der Engine nichts mit Maniac Mansion gemein hat, findet man auf dem Mars das passende Benzin. Dafür gibt es im Haus von Dr. Fred in einem Spielzimmer ein Poster zum Spiel Zak MacKracken. Diese zahlreichen Details machen diese Spiele heute noch unglaublich liebenswert.

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