Pure Chess

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Pure Chess
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Im Gegensatz zu den meisten anderen Schachprogrammen gibt es Pure Chess auf vielen verschiedenen Plattformen und erfreut sich deswegen einer großen Verbreitung. Auf dem PC ist es unter Steam zu erwerben, ansonsten gibt es das Spiel auch für die PS3, PS4, XBOX One, Nintendo 3DS, Wii U, PS VITA, im Google Play, als Amazon App und für Apple-Systeme. Ich testete die PC Version in der „Grandmaster Edition”.

Beeindruckende Optik

Das hervorstechendste Merkmal ist die Grafik. Sie wird zwar vom Hersteller Ripstone leicht übertrieben als „Fotorealistisch” beschrieben, sieht aber im Vergleich zu seinen Konkurrenten wirklich sehr gut aus. Es gibt, ohne die DLCs, 9 Figurensätze und 6 Örtlichkeiten. In der Kombination sollte für jeden Schachfreund etwas dabei sein, sofern man sich überhaupt für 3D Bretter begeistern kann. Bei manchen Figurensets ist es allerdings sehr schwierig, bis fast unmöglich, die Figuren voneinander zu unterscheiden. Andere hingegen sind hervorragend.

Wer sich durch die Menüs bewegt, wird schnell feststellen, dass diese vor allem für Konsolen und Smartphones optimiert wurden. Nicht nur die Einstellungsmöglichkeiten sind mager ausgefallen, auch fehlt im Hauptmenü der Eintrag „Beenden” um das Spiel zu verlassen. Keine Sorge: Mit dem drücken der Escape-Taste kann man jederzeit raus.

Auch die Art, wie beispielsweise die Lautstärke eingestellt wird, ist für PC Verhältnisse sehr gewöhnungsbedürftig. Man klickt die Lautstärke an und zieht mit der Maus nach unten oder nach oben, um eine Zahl zwischen 0 und 10 einzustellen. Dafür wirkt aber alles sehr aufgeräumt und übersichtlich.

Für Anfänger

Pure Chess richtet sich vor allem an Anfänger und Hobbyspieler. Es zeigt in umfangreichen Lektionen die Regeln, bietet 100 Schachaufgaben und 10 Schwierigkeitsgrade. Fortgeschrittenere Spieler können die erste Partie getrost auf der fünften Stufe beginnen, da die ersten vier keine Herausforderung darstellen. Außer natürlich, man übersieht Mal wieder irgendwelche Figuren auf dem 3D-Brett oder verwechselt schlicht die Figuren.

Abgesehen von den verschiedenen Brettern und Figuren ist Pure Chess in Sachen Features eher mager ausgestattet. Es gibt Statistiken, man kann Zeit und Inkrement einstellen und online spielen. Viele werden die Möglichkeit, Partien zu Exportieren oder zu Importieren, sehr vermissen. Gerade diese Funktion würde ernsthaften Schachspielern helfen um die Spiele analysieren zu können, da es in Pure Chess keine entsprechenden Analysefunktionen gibt. Ebenfalls vermisst man Schachvarianten wie Chess 960 und selbst die Anzahl der aktiven Partien, die man speichern kann, ist auf sechs beschränkt.

Ein wirklich sehr nettes Feature ist die Möglichkeit, gegen die KI Turniere zu spielen. Die Turniere gibt es in drei Schwierigkeitsgraden, sind aber sehr lieblos umgesetzt. Nacheinander spielt man die Partien und es fühlt sich wie eine normale Partie ohne Zeitnot an. Als „Motivation” dient hier eine Online-Bestenliste, in der die Zeiten verglichen werde, wie lange gebraucht wurde um das Turnier abzuschließen. Da die Spielgeschwindigkeit keine Aussage über die Qualität des Spiels macht, ist dieser Vergleich eher sinnlos.

Online lebt die Wüste

Online sieht es noch trauriger aus. Das Spiel über das Internet funktioniert nur per Fernschach. Das heißt, dass beide Spieler ihre Züge machen, auch wenn der Gegner nicht online ist. Gegner finden sich eher selten und da man teilweise lange auf Züge warten muss, machen sich die sechs Slots für Onlinespiele sehr negativ bemerkbar. Wobei – man muss erst einmal sechs Spieler finden! Bei meinen Tests dauerte es gefühlte Ewigkeiten, bis ich Mal einen Gegner fand, der sogar spielen wollte, also gerade tatsächlich am Spiel saß. Gezielt suchen kann man nur nach Namen und nach Freunden. Besonders ärgerlich ist hier, dass man sich selbst als Steam-Spieler noch extra registrieren muss. Das lösen andere Spiele wesentlich besser. Ein Witz ist, dass das Spiel durchaus mit Steam verbunden ist und auch den Accountnamen kennt und verwendet. Während man Online mit seinem neuen Profil unterwegs ist, erscheint im Vergleich bei den KI-Turnieren der Steam-Namen, ebenso in allen Offline-Spielen.

Die Krönung ist, dass man im Onlinemodus kein Brett und Figurensett wählen kann. Es wird die letzte Einstellung vom Offline-Modus genommen und wenn man dies ändern möchte, muss man erst ein Offline-Spiel starten, da man nur hier vor dem Spiel Figuren und Spielort aussuchen kann.

Sobald die 6 Slots voll sind und man mindestens einen Zug getan hat, kommt man aus dem Spiel nicht mehr raus, außer man gibt auf. Manche Spieler machen nur einen Zug am Tag oder ziehen nicht mehr weiter, wenn die Niederlage droht. So kommt man schnell an dem Punkt, an dem man nur noch zwei oder drei Mal am Tag nachschaut und hofft, dass endlich ein Gegner gezogen hat.

So hübsch Pure Chess auch ist, weist es auch einige technische Mängel auf. Manchmal startet es nicht in der voreingestellten Auflösung. Außerdem kann man mit Alt+Tab nicht einfach so aus dem Spiel raus gehen, was gerade dann ärgerlich ist, wenn man nur auf einen Gegner wartet und mal eben Mails prüfen oder einen Text für ein Testvideo schreiben möchte. Umgehen kann man das erst, wenn man über mehr als einen Monitor verfügt. Wenn man aber für einige Minuten raus geht und dann wieder ins Spiel möchte, stürzt es komplett ab. Zusätzlichen Ärger macht die Onlineverbindung. Immer wieder flog ich beim Test raus, zeitweise konnte der Server stundenlang nicht erreicht werden.

Zweifelhafte Bedienung

Auch die Bedienung ist teilweise recht zweifelhaft. Wenn man eine Figur auf dem Brett markiert hat, kann man diese nicht einfach wieder abwählen sondern muss eine andere Figur drücken. Drag&Drop geht überhaupt nicht und auch die Kameraeinstellung macht, mehr oder minder, was sie will. Immer wieder geht sie in ihre Grundposition zurück, obwohl ich das nicht haben möchte. Wenn man, wie ich, lieber aus einem steilen Winkel auf das Brett schaut, ohne in die Top-Down Perspektive zu gehen, kann das einen durchaus in den Wahnsinn treiben.

Genauso suboptimal ist die Notation und die ganze Darstellung des Interfaces. Es wirkt auf dem PC unnötig groß, klobig und hässlich. Man merkt Pure Chess an allen Ecken und Enden an, dass es sich aufgrund der zahlreich unterstützten Systeme am kleinsten Nenner orientiert. Abgesehen von der hübschen Grafik wurde kaum etwas erkennbar für den PC optimiert.

Zur KI gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die 10 Stufen sind meiner Meinung nach einerseits nicht ausreichend, andererseits beginnen die interessanten Stufen erst ab 6 oder 7. Selbst auf Stufe 6 ist die KI immer für grobe Patzer gut. Da es wenige Stufen gibt, ist es nicht feingranular genug, um für jeden die ideale Stufe zu bieten. Hier bieten andere, teils kostenlose Spiele, viel mehr Möglichkeiten.

Die Soundeffekte sind teilweise sehr nervig und laden höchstens dazu ein, sie sehr leise oder komplett aus zu stellen. Die Musik hingegen landet eher in der Rubrik „Belanglos”, was bei einem Schachspiel nicht zwingend ein schlechtes Urteil sein muss. Von Klassik bis Softporno-Musik ist auch genug Abwechslung dabei.

Die DLCs

Auf dem PC gibt es zum eigentlichen Spiel noch zwei DLCs, beide sind für je drei Euro zu erwerben. Das Steampunk Game Pack und das Sci-Fi Game Pack sehen auf Screenshots hübsch aus. Tatsächlich handelt es sich dabei lediglich um ein neues Figurenset mit Umgebung. Während man beim Steampunk noch die Figuren unterscheiden kann, ist dies bei den Science Fiction Figuren nach einigen Zügen kaum noch möglich. Vor allem hier hätte man sich ein paar kleine Animationen vorstellen können, stattdessen wirken sie wie lieblose Plastikfiguren.

Fazit: Nachdem ich mich einige Stunden mit dem Spiel befassen durfte, lässt es mich mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Aufgrund der Optik will ich es eigentlich lieben und öfters spielen, was bei reinen 3D Bretten für mich schon sehr außergewöhnlich ist. Auf der anderen Seite kann ich das Spiel aber nicht wirklich ernst nehmen. Der Online-Modus ist ein Witz, es gibt nur 10 Schwierigkeitsgrade, nur wenig Abwechslung und selbst das Turnier, welches eigentlich eine gute Idee ist, entpuppt sich als lieblos umgesetztes Feature. Unter dem Strich bleibt zu sagen, dass Pure Chess ein Grafikblender ist, den man nur Anfängern und Gelegenheitsspielern empfehlen kann, die nur ab und zu gerne eine Partie gegen eine schlichte KI spielen möchten.

 

Positiv Negativ

+ Überragende Grafik (für ein Schachspiel)

– nervige Soundeffekte

+ Abwechslungsreiche Bretter und Örtlichkeiten

– Figuren teilweise schwer unterscheidbar

+ nicht störende Hintergrundmusik

– extra Registrierung für Onlinemodus nötig

+ Tutorials für Anfänger

– nur 6 Slots im Onlinemodus

+ 100 Schachrätsel

– nur Fernschach im Onlinemodus

+ Turniere gegen KI möglich

– keine anderen Spielmodi

+ Übersichtliche Menüs

– nur 10 Schwierigkeitsgrade, die meisten sind extrem schwach
 

– Lieblose GUI, generell abseits vom Brett detailarm

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