Im dritten und letzten Teil wollen wir uns verschiedene Genres anschauen und Lösungen überlegen, mit denen wir das didaktische Gamedesign anwenden können.
Genreübergreifende Techniken
Es gibt Techniken, die mit sehr vielen Genres funktionieren. Die wohl wichtigste Technik ist die Limitierung der Fähigkeiten. Der Spieler sollte nach Möglichkeit nicht alles sofort können, weil er damit meist überfordert ist. Statt alle Waffen bekommt er am Anfang nur eine und findet bald darauf eine zweite Waffe. Sprung und Doppelsprung kann er von Anfang an, Fliegen kommt später. Man kann ihn, je nach Gamedesign, diese Features freischalten lassen oder sie tauchen in Level und Missionen nacheinander auf. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits bekommt der Spieler eine neue Fähigkeit, indem er etwas erreicht hat. Das ist eine Belohnung für seine Mühen. Andererseits führt man ihn damit leichter ins Spiel ein.
Levelbasierte Actionspiele
Shooter, Plattformer (Jump ‘n’ Run) und Arcade-Spiele sind sehr oft Levelbasiert. Wenn das Spiel eine Handlung hat die immer weiter erzählt wird, (bei Arcade-Spielen ist das eher selten der Fall), wird diese in einzelne Akte / Welten unterteilt und diese wiederum in einzelne Level. Immer wieder gibt es neue Features wie Waffen, Zauber oder Fähigkeiten, die nur für eine bestimmte Zeit anhalten, wie der Stern bei Supermario Land. Jedes Neue Feature wird dem Spieler vorgestellt. Dafür gibt es unterschiedliche Methoden. Die Spielfigur kann beispielsweise das gefundene Objekt kommentieren. Eventuell hat der Spieler einen Begleiter, der diese Funktion übernimmt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, rein durch audiovisuelle Signale dem Spieler klar zu machen, was er gefunden hat und wozu es gut ist. Die Spielfigur könnte eine Gedankenblase erhalten, in der ein Bild gezeigt wird. Soundeffekte könnten dem Spieler andeuten, wozu das neue Feature gut ist.
Wie auch immer man ihm die neue Fähigkeit beibringt, der Spieler muss anschließend die Gelegenheit erhalten, es zu testen. Das beginnt schon mit den Grundfunktionen. Als konkretes Beispiel möchte ich den Plattformer heraus ziehen, das Prinzip lässt sich aber auch auf Shooter und vergleichbare Spielmechaniken anwenden.
Beispiel Plattformer
Das erste Level beginnt. Hier ist es wichtig, dass der Spieler lernen kann, wie die Steuerung funktioniert. Erst einmal soll er nur laufen. Nach einem Bildschirm kommt der erste Sprung, der sich zwei bis drei Mal wiederholt. Dabei kann er bereits Gegenstände einsammeln. Im besten Fall gibt es hier noch keine Gegner, so dass er sich ausschließlich auf die Steuerung konzentrieren kann. Wenn es einen Doppelsprung gibt, sollte die erste notwendige Verwendung dafür so positioniert sein, dass der Spieler nicht sterben kann, wenn er es nicht auf Anhieb schafft.
Das gilt im übrigen auch für die Sprünge. Hier sind Stufen vorzuziehen. Gleich am Anfang einen tödlichen Abgrund zu bringen kann recht frustrierend sein. Man darf nicht vergessen: Es kann auch sein, dass zu diesem Zeitpunkt die Steuerung nicht optimal eingestellt ist, der Spieler sich die Tasten und/oder Buttons einprägen muss oder das irgendetwas mit dem Gamepad nicht stimmt. Das Spiel sollte den Spieler für solche Umstände nicht bestrafen.
Die ersten Gegner müssen sehr einfach zu schaffen sein, vereinzelt auftreten und so positioniert werden, dass der Spieler sich die nötige Zeit nehmen kann, um sie zu besiegen. Das Ziel ist, eine möglichst gleichmäßig ansteigende Lernkurve zu erzeugen.
Das Gleiche gilt auch für Schlüssel und vergleichbare Elemente wie Hebel und dergleichen. Wenn es solche Elemente im Spiel gibt, dann müssen diese für den Spieler ganz klar sein. Der erste Hebel sollte in der Nähe des auslösenden Ereignisses sein, der erste Schlüssel im Sichtbereich der ersten Tür.
Lass den Spieler üben
Die Grundregel lautet: Jede Neuerung, die auf Geschicklichkeit abzielt, muss so eingeführt werden, dass der Spieler die Gelegenheit bekommt, sie im Spiel zu üben.
Angenommen, es gibt eine neue Waffe, die sich anders verhält, als die bisherigen Waffen. Dann setzt man dem Spieler Gegner oder Gegenstände vor, die sich nur mit der neuen Waffe vernichten lassen. So bekommt er die Gelegenheit, den Umgang zu erlernen und den Wert der neuen Waffe zu schätzen.
Denkspiele
Das Prinzip ist hier ähnlich wie bei den actionlastigen Spielen. Allerdings ist es hier so, dass gewisse Denkmuster auch in Kombinationen, teilweise sogar unter Zeitdruck, auftreten können. Ein neues Feature sollte auch hier isoliert auftauchen und sich die Kombinationsmöglichkeiten von Level zu Level steigern. Das ist wie in der Schule: Es macht absolut keinen Spaß, wenn der Lehrer mit einer Aufgabe beginnt, die gleich alle Ausnahmen und Sonderfälle beinhaltet.
Mit steigern ist nicht gemeint, dass in jedem neuen Level ein neues Feature zum Einsatz kommt. Auch hier gilt: Einführen, üben lassen, Kombinationen einführen, üben lassen, neues Feature.
Wenn man verschiedene Settings mit mehreren Levels hat, kann man bestimmte Features sogar auf diese beschränken. In der Wüste kann der Spieler nur Steine verschieben und Schalter betätigen, im Schnee-Setting gibt es dann diese Laser, die man mit Spiegeln umlenken muss. In der Burg gibt es die Teleporter, die einen von einem Raum in den anderen bringen.
Echtzeitstrategiespiele
Echtzeitstrategiespiele (RTS) können sehr komplex sein. Basisbau, Angriff, Verteidigung und eine mehr oder minder komplexe Steuerung wollen erlernt werden. Im Netzwerk und Onlinemodus sind i. d. R. alle Features freigeschaltet und Einsteiger sind damit meist heillos überfordert. Deshalb gibt es Missionen, die entsprechend designt werden müssen. Im besten Fall hat der Spieler am Anfang nur eine Einheit und lernt, diese zu steuern. Im laufe der Mission kommen weitere Einheiten hinzu und er lernt, mit diesen in Kombination umzugehen.
Wie lade ich diese wichtige Person in den Transporter? Welche Maustaste lässt die Truppen zum Ziel bewegen? Wie greife ich die feindlichen Einheiten an? Starcraft 2 ist hier ein Paradebeispiel dafür, wie man das macht. Jedes Addon führt den Spieler perfekt in die neue Rasse ein und zeigt in kleinen Schritten, wie man damit umgeht. Es ist kaum möglich, einen Spieler mit dieser Methode zu überfordern.
Da die Gefahr besteht, Profis zu langweilen, helfen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und eine gut erzählte Handlung, um dies zu vermeiden.
Sportspiele und Manager
Sportspiele und Manager sind ein schwieriges Thema. Bei Sportspielen stehen meistens sofort alle Features zur Verfügung und das ist auch gut so. Es wäre grausam, wenn man bei FIFA den Fernschuss erst freischalten müsste. Von den vormals erwähnten Möglichkeiten des Trainings kann man dies mit dem Schwierigkeitsgrad kompensieren. Es muss für jeden Spieler etwas dabei sein, damit die neuen Spieler langsam lernen können und die Profis dennoch eine Herausforderung haben. Ein sehr einfacher Schwierigkeitsgrad hat den Vorteil, dass man auch gewinnen kann, wenn man bei weitem nicht jedes Feature nutzt.
Bei Managern kann man noch eher Features freischalten, doch hier entwickelt sich schnell das Gefühl beim Spieler, betrogen zu werden. Er wird nicht verstehen, warum er Dinge nicht machen kann, die er machen will, außer sie stehen in einem historischen Kontext, was bei Managern sehr selten der Fall ist. Hier helfen Schwierigkeitsgrad und Assistenten. Vor allem die Assistenten sind ein gutes Mittel, damit der Spieler sich auf wenige Aufgaben konzentrieren kann.
Wenn er sich bereit fühlt, andere Dinge zu tun, kann er den Assistent entlassen und selbst die Tätigkeit übernehmen. Es ist ratsam, dem Spieler keinen perfekten Assistent zur Seite zu stellen sondern einen, der seine Aufgabe gerade so gut macht, dass es dem Spieler nicht schadet. So schafft man gleich den Bedarf, Assistenten weiter zu bilden oder neue einzustellen.
Tycoone und Rundenstrategie
Auch wenn es sehr unterschiedliche Genres sind, verhalten diese sich beim Einstieg sehr ähnlich. Bei einem Manager ist es oft so, dass man einen großen Fußball-Club oder eine Weltfirma übernimmt. Da kann man dem Spieler nicht glaubhaft vermitteln, warum gewisse Features nicht gehen. Bei Tycoonen und Rundenstrategiespielen ist das anders. Hier beginnt der Spieler meist sehr klein und muss sich sein Imperium erst aufbauen. Es ist also logisch, dass der Button für „Weltherrschaft übernehmen“ am Anfang noch nicht existiert, oder zumindest nicht betätigt werden kann.
Bei diesen beiden Genres kann man die Methode, Features erst nach und nach freizuschalten und Assistenten einzustellen, sehr gut kombinieren. Damit sich das Spiel nicht von selbst spielt, kann man Limits einbauen. Zum Beispiel kann der Spieler nur drei Assistenten einstellen und diese verteilen. Noch besser ist es, wenn das nur in wenigen Bereichen geht. Der Spieler wird sich eher fragen, warum nur eine bestimmte Anzahl geht, als zu hinterfragen, warum nur bestimmte Bereiche mit Assistenten ausgestattet werden können. Man darf, bei allen Versuchen, den Einstieg und die Lernkurve angenehm zu gestalten, die Plausibilität nicht vernachlässigen. Spielmechanik, Spielwelt und Handlung müssen, so gut es geht, in sich stimmig sein.
Adventure
Adventure, vor allem klassische Point-and-Click Adventure, unterscheiden sich in ihrer Mechanik deutlich von bisher beschriebenen Genres. Das liegt einerseits daran, dass sie sehr handlungs- und dialoglastig sind, andererseits die Rätsel abstrakter sind. Nur selten gibt es ein Rätsel, bei dem Herausforderung und Lösung auf dem gleichen Bildschirm sind, im Gegenteil. Meistens muss der Spieler Gegenstände, die im Spiel verteilt sind, einsammeln, mit Leuten reden, für sie Aufgaben erledigen, um endlich alles zusammen zu haben, was ihm bei einem Rätsel, an einer ganz anderen Stelle des Spiels, hilft.
Positiv ist, dass die Steuerung solcher Spieler vorwiegend sehr einfach ist. Man braucht nur eine Maus und meistens reicht sogar eine Maustaste aus. Alles, was der Spieler können muss, kann man ihm in den ersten fünf Minuten zeigen. Das sollte man auch tun. Dazu ein konkretes Beispiel:
Der Spieler ist in einem abgeschlossenen Raum. Er hat nur die Aufgabe, aus dem Raum zu kommen. Wo war der Schlüssel? Der Spieler lernt, mit der Figur hin und her zu laufen, Gegenstände zu untersuchen, bis der den Schlüssel findet, im Inventar ablegt und den Schlüssel mit der Tür betätigt. Wenn er das schafft, hat er bereits die wesentlichen Handhabung des Spiels erlernt. Sofern vor dem Raum auch noch eine Person ist, mit welcher der Spieler reden muss, hat man dem Spieler so ziemlich alles gezeigt, was er wissen muss.
Aber Vorsicht: Gutes Rätseldesign gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Gamedesign. Der Spieler befindet sich zwar meistens in einer mehr oder minder realen Welt, in der vertraute Regeln gelten, aber auch hier müssen die Rätsel ganz einfach beginnen und sich langsam steigern.
Rollenspiele
Obwohl Rollenspiele sehr komplex sind, lassen sich die Probleme mit vielen bereits erwähnten Ansätzen lösen. Man schränkt die Fähigkeiten ein und beginnt mit einfachen Gegnern sowie Quests. Wichtig ist, dass die Balance immer stimmt. Es ist ebenso langweilig, wenn man immer nur wie das heiße Messer durch die Butter gleitet, wie elend lange, schwere und frustrierende Kämpfe, bei denen man immer das Gefühl hat, einfach nicht gewinnen zu können. Das gilt im Prinzip für alle Genres.
Da ein Rollenspiel mit der Zeit immer komplexer werden kann, sind hilfreiche, stille Assistenten nützlich. Zum Beispiel eine Hilfe, die das Inventar aufräumt / sortiert und ggf. nützliche Tipps gibt, bevor man den Überblick verliert. Auch das gilt für die meisten Genres.
Schwierige Ausnahmen
Regeln haben ihre Ausnahmen. Nicht jedes Genre lässt sich Anfängern simpel vermitteln. Schach lässt sich ohne Regelkunde nicht spielen und selbst bei einfachster KI sind viele am Anfang überfordert. Ein gutes Beispiel für eine schwierige Ausnahme ist auch Skat. Die Regeln sind von Anfang an komplex und ohne die Zählweise und die Regeln zu verstehen, kann man nicht einmal richtig Reizen. In solchen Fällen kommt man um ein Tutorial kaum herum oder zumindest um einen Anfängermodus, bei dem die Karten offen gelegt werden. In so einem Modus kann man einen Spieler gleich erklären lassen, warum eine bestimmte Karte gespielt wird und man kann die Trümpfe speziell markieren.
Bei Schach kann es helfen, bedrohte Figuren anzuzeigen. Gute Schachprogramme zeigen auch schon beim ziehen an, ob die gezogene Figur ohne Deckung geschlagen werden kann. So kann man sich den Zug noch einmal gut überlegen.
Genau genommen sind das Krücken, aber wer solche Spiele spielen will, weiß das auch und die Gefahr, dass man aus der Spielwelt gerissen wird, ist relativ gering. Solche Spiele sind weder in einer Handlung, noch in einer glaubhaften Spielwelt eingebettet. Selbst wenn man mit virtuellen Freunden an einem virtuellen 3D-Spieltisch sitzen würde, wäre es nicht abwegig, wenn diese Spieler am Anfang das Spiel erklären würden. Es gibt hier nicht den klassischen Bruch wie in einem Abenteuerspiel.
Weiterführende Links
Frustspirale – Designschnitzer in Spieleklassikern
Statistiken in Spielen
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