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Didaktisches Game-Design Teil 2

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Bild von Viktor auf Pixabay
  • 6Minuten

Wer ein Spiel erstellt, muss sich darüber Gedanken machen, wie das Spiel dem Spieler erklärt, was er zu tun und zu lassen hat. Ganz früher gab es vor allem gedruckte Anleitungen, teils Handbücher, später Tutorials. Das sind aber Lösungen von Gestern.

Spiele wie Pac-Man kennt jeder.

Wer Tetris, Pong oder Pac-Man kopiert, hat es sehr einfach. Das Spielprinzip ist so bekannt, dass man nichts erklären muss, außer man hat das Prinzip erweitert. Allgemein bekannte Dinge werden auch sonst nur selten erklärt. Wenn die Übertragung eines Fußballspiels im TV beginnt, werden dem Zuschauer auch nicht erst die Regeln beigebracht. Der Kommentator redet über die aktuelle Form der Mannschaften, Aufstellung, einzelne Spieler und die Trainer, dann geht das Spiel auch schon los. Das gilt auch für viele andere Dinge. Wer ein Spiel startet, muss nicht wissen, dass man mit der linken Maustaste auf die Buttons im Menü klicken muss.

Der Spieler kennt das, schließlich hat er ein Betriebssystem und das Spiel auch schon gestartet. Viel wichtiger ist an dieser Stelle eine Info, was ein Button macht, falls die Beschreibung nicht ausreicht. Tooltips, in welcher Form auch immer, sind immer nützlich, sofern der Text nicht nur den Text der Button-Beschriftung beinhaltet.

Steuerung und Regeln

Wenn wir kein allgemein bekanntes Spielprinzip haben oder es sich um eine spezielle Zielgruppe handelt, wie etwa kleinere Kinder, müssen wir den Spielern zwei wichtige Dinge erklären.

  1. Die Steuerung
  2. Die Spielregeln

Früher kaufte man sich ein Computerspiel in einem Geschäft, trug die Packung nach Hause, öffnete diese und fand darin Disketten oder eine CD und ein mehr oder minder umfangreiches Handbuch. Im Handbuch wurde nicht nur die Steuerung erklärt, sondern oft auch die Rahmenhandlung des Spiels. Über mehrere Seiten wurde eine Vorgeschichte erzählt, von einem Planeten, einer Forschungsstation, einem Unfall und das man dort der einsamste Mensch sei und den Ort verlassen wolle. Als man das Spiel startete, hieß es nur: „Töte alle und finde den Ausgang!“

Das Ende der Handbücher

In Kombination hat das gut funktioniert und war der Zeit angemessen. In Zeiten, in denen Inhalte jeglicher Art fast nur noch heruntergeladen werden, in denen Hersteller einer DVD Box nur einen Download-Key beilegen, funktioniert das nicht mehr. Spieler sind nicht mehr bereit, sich durch Anleitungstext zu quälen, vor allem nicht als PDF!

Eine lange Zeit lautete die Lösung: Tutorial! Im Prinzip mag ich Tutorials, sonst würde ich selbst nicht so viele schreiben, aber in Spielen sind sie meiner Meinung nach immer fehl am Platz. Es gibt eine kleine Ausnahme, aber zu der komme ich noch.

Verhasste Tutorials

Warum gehören Tutorials nicht in Spiele? Ganz einfach, weil sie komplett deplatziert wirken. Laut der Handlung ist man der super coole Held, der alles weiß und alles kann, aber bevor das Abenteuer beginnt, soll der Held lernen, wie er sich zu bewegen und zu kämpfen hat. Das wirkt albern und komplett unstimmig. Man muss sich das nur einmal vorstellen, wie das in der Realität aussehen würde. Da kommt der große Superstar zum Fußball-Club, die personifizierte Hoffnung für eine bessere Zeit. Dann aber kommt der Trainer an und sagt: „Also, Du sollst den Verein in eine neue Ära führen, aber ich erkläre Dir einmal ein paar Sachen. Das hier ist ein Ball, siehst Du?“ Da ist garantiert Facepalm angesagt.

Die beste Methode, wie man Spielregeln und Steuerung erklären kann, ist über die Handlung, dem Missionsdesign oder Leveldesign. Alles, was man darüber nicht regeln kann, läuft über die GUI, der grafischen Benutzeroberfläche. Aus dem Level heraus kann man dem Spieler nicht plausibel erklären, warum er im Inventar etwas anklicken muss, aber man kann es ihm anzeigen. Bei allem, was man diesbezüglich unternimmt, hat eines die höchste Priorität: Man darf den Spieler nicht aus der Spielwelt reißen.

Beachte die Immersion

Alle Hinweise auf die Steuerung müssen zwar gut sichtbar sein, aber dürfen auch nicht stören. Wenn wir eine düstere Welt haben, dunkel und grau, dann sollte ein eingeblendetes Gamepad nicht quietschbunt sein. Es wird auch nicht dadurch besser, wenn das eine Person aus dem Spiel sagt. Der Spieler steht in voller Ritterrüstung und ein Knappe sagt: „Wenn Du auf das Pferd steigen willst, drücke RT.“ Besser: wenn man dem Pferd zu nahe kommt, wird ein blasses, aber dennoch gut sichtbares Icon eingeblendet, auf dem „RT“ steht.

Die verbleibenden Probleme sollten möglichst mit dem Spielgeschehen gelöst werden. Das, was früher ein Tutorial leisten wollte, muss im Leveldesign erfolgen. Der Spieler sollte lernen, sich zu bewegen, dann ein paar Aufgaben erhalten, um zu springen. Dann beginnt der erste Kampf u. s. w. Jede neue Aufgabe muss erst einmal erlernt werden. Dann folgen Wiederholungen, bis die Handlung vom Spieler beherrscht wurden. Schlecht ist es, wenn der Spieler sofort alle Möglichkeiten des Spiels in kurzer Zeit abspulen muss, um nicht zu sterben. Das macht keinen richtigen Spaß und solche Spiele sind auch nicht massentauglich. Nach dem didaktischen Prinzip bringen wir dem Spieler etwas bei, lassen ihn üben und bringen ihm dann die nächste Sache bei. So geht das weiter, bis der Spieler alle wesentlichen Elemente des Spiel drauf hat, das Spiel im Griff hat. Ab dann kann der Schwierigkeitsgrad immer weiter ansteigen.

Positives Beispiel Portal 1

Portal 1 führten den Spieler perfekt in das Spiel ein.
Portal 1 führten den Spieler perfekt in das Spiel ein.

Im ersten Moment klingt das ein wenig danach, als würde man den Spieler auf die Schulbank schicken, aber das tun Anleitungen und Tutorials noch viel mehr. Beim didaktischen Game-Design haben wir aber noch ganz andere Möglichkeiten. Wir können zum Beispiel Geschichten erzählen. Man braucht nicht zwangsläufig eine lange Vorgeschichte oder einen aufwändigen Render-Trailer. Während der Spieler die Grundlagen erfährt, kann ihm das Spiel, in welcher Form auch immer, die Welt, die Handlung und andere Dinge Schritt für Schritt erklären. Das erfordert viel Kreativität, ist aber machbar und lässt den Spieler vergessen, dass es im Kern doch gerade nur ein Tutorial durcharbeitet.

Selbst in Spielen mit wenig Handlung am Anfang ist das sehr gut machbar. Ein prima Beispiel dafür ist Portal 1. Man wacht in einem isolierten Raum auf. Dort wird eingeblendet, wie man sich bewegen und wie man springen kann. Alles sehr dezent, man nimmt das fast nicht bewusst wahr. Dann öffnet sich der Raum und man muss Test absolvieren. Das ist schon das Spiel, man lernt aber in sehr kleinen Schritten, wie das Spielprinzip funktioniert. Das, was früher ein Tutorial war, wurde perfekt in das Spiel integriert.

Negatives Beispiel Wolfenstein: The New Order

Wolfenstein ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht.

Ein negatives Beispiel von vielen ist für mich Wolfenstein: The New Order. Der Spieler ist gleich mitten in einer Schlacht. Alles fliegt ihm um die Ohren, er muss auf alles schnell reagieren und hat kaum Zeit, alles zu verarbeiten. Gleich am Anfang muss er Handlungen vollbringen, die erst eine halbe Spielstunde später gebraucht werden, wie etwa das Schlittern auf dem Boden. Vor allem Anfänger werden das Spiel nach kurzer Zeit in die Ecke pfeffern.

Wenn man darüber nachdenkt, wird einem klar, dass dieses Prinzip vor allem auf Solospiele anwendbar ist, bei denen es auch eine Handlung, oder mindestens klare Level gibt. Bei reinen Onlinespielen und/oder Sportspielen ist das schwieriger. Dazu zwei konkrete Beispiele.

Lösungen bei Online-Spielen

FIFAs Training ist vorbildlich.

In der FIFA-Serie gibt es seit Jahren einen Trainingsplatz. Den kann man bewusst auswählen, um zum Beispiel Ballkontrolle oder Standardsituationen zu üben. Im Menü wird erklärt, wie die Steuerung funktioniert, auf dem Platz kann man dann sehr viele Übungen durchführen. FIFA baut das sogar ein, wenn man ein Spiel starten will und der Computer / die Konsole, das Geschehen lädt. Umfang, Beschreibung und die Übungen an sich sind sehr gut durchdacht und werden sogar von Jahr zu Jahr besser. Es wirkt auch nicht deplatziert, da man im Fußball ohnehin einen Trainingsplatz hat. Statt zu stören, erweitert es sogar das Spielerlebnis.

Rocket League gibt sich Mühe, ist aber nicht umfangreich genug.

Ein anderes Beispiel ist Rocket League. Auch hier gibt es einen Übungsplatz, die Trainingsmöglichkeiten sind aber erschreckend gering. Es wirkt ebenfalls nicht deplatziert, man merkt, dass sich die Entwickler an anderen Sportspielen orientierten, aber das Training ist eher grausam. Man lernt die Grundlagen der Steuerung, aber die wählbaren Schwierigkeitsgrade der Übungen sind jeweils Lichtjahre voneinander entfernt. Selbst wenn man die Übungen auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad blind beherrscht, wird man eine Stufe weiter gnadenlos scheitern. Abgesehen von der Steuerung würde es den Spielern auch helfen, wenn das Spiel grundlegende Taktiken erklären würde.

Das macht FIFA auch nicht, aber wie eingangs erwähnt: Fußball kennt jeder. Da Rocket League vorwiegend online gespielt wird und das Matchmaking ebenfalls verklagt gehört, führt dies dazu, dass in vielen Spielen unerfahrene Spieler den Spielspaß der Profis rauben. Egal wie gut die individuellen Fähigkeiten sind, es besteht immer die Gefahr, dass ein Anfänger die eigenen Bemühungen sabotiert. Dem Verhalten hätte man mit einem guten Trainingsmodus zumindest vorbeugen müssen.

Das Prinzip des didaktischen Game-Designs solle nun klar sein. Im dritten und letzten Teil gehe ich auf viele konkrete Beispiele ein und zeige, wie man viele Designprobleme elegant lösen kann.

Weiterführende Links

Frustspirale – Designschnitzer in Spieleklassikern
Statistiken in Spielen
Das sind DEINE Spielregeln!

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