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Die Ehe mit Microsoft

Hardware ist eine tolle Sache, doch ohne Software letztlich nur ein Staubfänger. Die „Killerapplikation“ für den Apple II war VisiCalc, 1979 von Dan Fylstra entwickelt. Da es die erste Tabellenkalkulation überhaupt war, wollte es jeder haben und den Leuten war es zunächst egal, auf welchem Computer das Programm lief. IBM wusste um die Wichtigkeit von Software und suchte deswegen leistungsfähige Partner. Microsoft stand nicht unbedingt an erster Stelle. Dass es zu dieser mehrjährigen Ehe kam, hat mehrere Gründe. IBM hätte es selbst machen können, schließlich hatten sie eine eigene Abteilung für Betriebssysteme, aber dieser traute man es nicht zu, es in der Kürze der Zeit zu entwickeln.

Visicalc - Screenshot: Wikipedia
Visicalc – Screenshot: [30]

Heute ist das Unternehmen aus Redmond, Washington, ein Gigant, aber 1980 war es ein Softwareunternehmen wie viele andere. Fünf Jahre zuvor von Bill Gates und Paul Allen gegründet, entwickelten sie zunächst ein BASIC für den Altair 8800.

BASIC

Man darf nicht vergessen, dass das BASIC oft nicht nur eine Programmiersprache war, sondern quasi das Betriebssystem. Es war somit nicht nur eine nette Beilage für enthusiastische Benutzer, es war der elementare Kern, ohne den die Hardware nutzlos war, sofern man nicht selbst ein Betriebssystem programmieren wollte. Die imperative Programmiersprache BASIC (Beginner’s All-purpose Symbolic Instruction Code) wurde nicht von Microsoft erfunden, sondern 1964 von John G. Kemeny, Thomas E. Kurtz und Mary Kenneth Keller. Sie gilt als eine einfache, für Anfänger geeignete Sprache, was für die damalige Zeit absolut zutreffend war.

QBASIC unter MS-DOS
QBASIC unter MS-DOS – Screenshot: [31]

Aus heutiger Sicht wird vor allem die Lesbarkeit, verglichen mit gutem Code der C-Sprachfamilie (C erschien erst 1972, C++ 1985), als Horror angesehen. Ein generelles Problem mit BASIC war und ist, dass es zahllose Dialekte gibt, die zueinander nur bedingt oder überhaupt nicht kompatibel sind. Hätte dies der Autor bereits mit vierzehn Jahren gewusst, wäre ihm manch verzweifelte Stunde mit dem falschen BASIC-Buch erspart geblieben.

Da Microsoft ihr BASIC für diverse Hardwarehersteller portierte oder lizenzierte, so z. B. für Commodore, Apple und Atari, wurden sie relativ bekannt.

Geld mit Compilern

Ein zweites Standbein schuf sich die Firma mit Compilern für die Sprachen BASIC, Fortran und COBOL. Gerade für die wachsende Zahl von BASIC-Einsteigern war dies ein Segen, wenn der Code kompiliert und als ausführbare Datei weitergegeben werden konnte, zumal er wesentlich schneller lief als eine rein interpretierte Version. Vom Schutz des geistigen Eigentums durch das Kompilieren ganz zu schweigen.

Bis IBM kam, war Microsoft in der Szene bekannt, aber nicht außergewöhnlich groß. Dies gelang erst durch die Zusammenarbeit mit den drei großen Buchstaben. Auf die Redmonder kam das Unternehmen durch Kontakte von Bill Gates‘ Mutter, die John Opel, den damaligen IBM-Präsidenten, persönlich kannte. Die zweite Hürde bestand in den IBM-Eigenarten. Nahezu alles war geheim. Ein potentieller Partner sollte möglichst verbindliche Zusagen tätigen, ohne zu wissen, worum es ging.

Digital Research

Die dritte Hürde bestand im Produkt selbst. Microsoft hatte kein Betriebssystem und würde in der kurzen Zeit keins entwickeln können. Deshalb schickte Gates nach eigenen Aussagen die IBM-Leute zu Digital Research, die CP/M (Control Program for Microcomputers), das damals bekannteste Betriebssystem, im Programm hatten. Der Chef, Gary Kildall, war nicht anwesend und so mussten die Männer von IBM mit dessen Ehefrau Dorothy, einem Anwalt und einem leitenden Angestellten vorliebnehmen.

Gary Kildall (1988) - Foto: Wikipedia
Gary Kildall (1988) – Foto: [32]

Durch die Geheimhaltungserklärung über die Kaufabsichten abgeschreckt, lehnte es Frau Kildall ab, irgendetwas ohne ihren Mann zu unterschreiben, woraufhin die IBM-Delegierten beleidigt abzogen. Das Problem bestand vor allem in der Art der Geheimhaltungserklärung. Demnach konnte IBM die erworbenen Informationen weiterbenutzen, während der Vertragspartner nicht einmal das Wissen darüber, dass es das Gespräch gab, weiterverwenden durfte.

Kaufen und verkaufen

In der Zwischenzeit hatte Microsoft einen Plan und unterschrieb einen Vertrag in Höhe von 186.000$ über ein Betriebssystem für IBM. Der Plan war simpel. Man würde für weniger Geld ein fertiges System kaufen und dies, wenn auch leicht verändert, an IBM liefern. Zwei Tage nach Vertragsabschluss stand Bill Gates vor den Türen von SCP (Seattle Computer Products) und kaufte deren 86-DOS für 50.000$ ab. Der Programmierer Tim Paterson wurde dabei mit eingekauft und fortan bei Microsoft beschäftigt. Daraufhin wurden Modifikationen vorgenommen, vor allem, weil Teile der Funktionsweise, aber nicht der Code, 1:1 aus CP/M übernommen wurden. Dabei wandten die späteren Windows-Macher noch einen kleinen Trick an: Alles, was unter CP/M lief, funktionierte auch auf dem „neuen“ MS-DOS, nicht umgekehrt.

PC DOS 1.1 - Screenshot: Wikipedia
PC DOS 1.1 – Screenshot: [33]

Bill Gates wird heute noch vor Lachen nicht in den Schlaf kommen, wenn er daran denkt, dass für die Trickserei nicht er, sondern IBM zahlen musste. Die entdeckten zu spät, dass ihnen eine CP/M-Variante angedreht wurde, und zahlten freiwillig 800.000 Dollar an Digital Research, damit die auf eine Klage gegen IBM verzichteten. Außerdem kaufte IBM auch gleich BASIC mit, was weiteres Geld in die Kassen von Microsoft spülte. Zu guter Letzt gelang es Gates, mit IBM einen nicht exklusiven Vertrag über MS-DOS auszuhandeln, der seiner Firma das Recht einräumte, das Betriebssystem an jeden beliebigen Kunden weiterzuverkaufen. Das IBM-DOS wurde als PC-DOS in Umlauf gebracht, Microsoft behielt den eigenen Produktnamen. Letztlich ist es Gates damit gelungen, auf einem Streich IBM, SCP und Digital Research über den Tisch zu ziehen.

CP/M-86 - Foto: Wikipedia
CP/M-86 – Foto: [34]

Die Meinungen über das erste MS-DOS waren katastrophal, aber Microsoft hatte bei IBM nun mindestens einen Fuß in der Tür. Nicht aufgrund der Qualität oder dem, im engeren Sinne, Betrug, sondern weil sie schnell liefern konnten, das Betriebssystem generell funktionierte und IBM nur mit Mühe nach dem gelungenen Start die Softwarepferde wechseln konnte.

Die Microsoft-Formel

Der Erfolg von Microsoft kam, wie so oft, durch Können, Fleiß und viel Glück. Hinzu kamen ein gutes Gespür für Geschäfte, trickreiche Ideen und eine geringe moralische Integrität. So übernahm die Firma sehr früh die IBM-Eigenart, unliebsame Konkurrenten mit allen Mitteln vom Markt zu verdrängen, sofern man sie nicht aufkaufen konnte. Ein bekanntes Beispiel ist eine vorgetäuschte Fehlermeldung bei Windows 3.1, welche erschien, sobald es jemand unter DR-DOS, einem Betriebssystem von Digital Research, starten wollte.

Noch immer ein Lacher auf jeder Geek-Party: Windows 1 (Win 1.03 - Screenshot: Wikipedia)
Noch immer ein Lacher auf jeder Geek-Party: Windows 1 (Win 1.03 – Screenshot: [35])

Diesen Charakterzug bekam auch IBM zu spüren. Zunächst beschränkte sich die Zusammenarbeit auf DOS und BASIC, aber Microsoft wurde durch zusätzliche Programme für den IBM-PC immer wichtiger. Mit Windows 1 und 2 startete das Unternehmen erste klägliche Versuche in die Welt der grafischen Benutzeroberflächen und legte sich zugleich mit Apple an, die ebenfalls rechtlich von Microsoft über den Tisch gezogen wurden. Dann kam OS/2.

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