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Spieleentwicklung braucht Feedback

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Damals war Spieleentwicklung noch sehr exotisch. Doch gespielt habe ich ja schon immer gerne. Kaum war der erste Computer im Haus, hing ich vor dem Bildschirm und wusste: dies ist das große Hobby meines Lebens.

Ich erinnere mich noch an den 1. Weihnachtstag nach der Bescherung am Heiligabend. Die elektronische Rechenmaschine, der C64, wurde zum festen Bestandteil meines Lebens. Während der Rest der Familie noch schlief, saß ich früh morgens vor dem monochromen Monitor. Ich versuchte, mit einem Hubschrauber verstrahlte Wissenschaftler zu retten. Eine Leidenschaft war geboren!

Eine Passion – viele Spiele

Seit meiner frühen Jugend habe ich gerne gespielt. Anfangs auf dem C64 noch Geschicklichkeitsspiele, später auf dem PC dann Shooter wie Doom oder Strategiespiele wie Command&Conquer. Später zockte ich grafisch anspruchsvolle Titel in Form diverser Rollenspiele/MMOs von Gothic bis WoW. Andererseits durften Browsergames natürlich auch nicht fehlen. Vom textbasierten World of Dungeons bis zum sehr kommerziellen Marktführer Forge of Empires war vieles dabei. Durchzockte Nächte, zu viel Kaffee und immer ein starkes Gefühl der Begeisterung, welches ich bei keinem anderem Medium so empfand wie bei Spielen. Ach das waren noch Zeiten – Retro lässt grüßen.

 

screen orfaya

Orfaya – ein klassisches 3D-RPG Projekt in der Entwicklung

Mittlerweile weiß ich, das Motivation eine zarte Pflanze ist und doch soviel zu bewegen weiß. So kann uns die Motivation dazu verleiten, ein Spiel zu spielen, und uns Tage, Wochen oder Monate faszinieren. Doch die Ansprüche steigen. Viele AAA-Titel wirken auf mich heutzutage irgendwie steril. Es fehlt mir die Seele im Projekt, die Ecken und Kanten. Insofern fehlt mir der unvergleichliche Charakter des Werkes. Ein schon etwas älteres Beispiel dafür ist Diablo 3. Hier sollte der Spieler von der Qual der Wahl der richtigen Skillung entbunden werden. Die Fertigkeiten sind jederzeit flexibel, der Loot aus einer persönlichen Loottabelle ausgesucht. Dummerweise stieß vielen Spielern genau das sauer auf. Wenn man nichts mehr falsch machen kann, wenn alles „weich” designt wird, leidet das Spielerlebnis. Ja, man kann sagen: wenn ich mich nicht mehr stoße, empfinde ich immer weniger.

Spieleentwicklung bietet viel

Diesen fehlenden Charakter finde ich im Gegensatz zu den großen Produktionen in den kaum beachteten, kleinen Hobbyentwicklungen. Es ist für mich enorm befriedigend, solche Projekte anzutesten und dem/der Entwickler/in ein umfangreiches Feedback zu geben. Dabei rede ich hier von Projekten, welche vielleicht ein Stündchen Spielzeit ermöglichen. Storyelemente werden vielleicht nur angeschnitten und man weiß noch nicht: ist das jetzt ein echter Bestandteil der Geschichte oder nur ein Provisorium? Wo es natürlich echte Bugs gibt, aber einen Entwickler, der nur ein Alt+Tab entfernt im Forum auf dein Feedback wartet. Zeitnah erfolgt dann auch in den meisten Fällen eine Fehlerkorrektur und ein Update.

Seegurkotchi von Zionwarez ist eine Seegurken-Tamagotchi-Simulation 

Die Reaktionen der Entwickler/innen auf mein Feedback gehen immer über das Sachliche hinaus. Für den von mir geleisteten Respekt für die Arbeit anderer ernte ich echte Dankbarkeit. Natürlich sind meine Feedbacks auch wohlwollend. Ich spiele die Demos/Alphas ja nicht, um andere fertig zu machen, sondern um einen positiven Einfluss auf einen kreativen Prozess zu nehmen. Ich bin damit so nah an der Spieleentwicklung, wie ich es sein möchte.

Entwickler sind auch nur Menschen

Und man lernt viele bemerkenswerte Menschen kennen, welche in der Spieleentwicklung tätig sind. Da ist der Hobbyentwickler, der unentgeltlich schon an seinem fünften Spielprojekt sitzt. Er freut  sich so sehr über ein fundiertes Feedback,  das er mich fragt, ob ich seine älteren Kreationen nicht auch mal antesten möchte. Da ist der junge Mann der mit RPG-Maker eine Geschichte erzählt. Er weiß noch nicht, wie er die Grafiken für den Fortgang der Story finanzieren soll. Beim testen erlebe ich eine jugendliche Sprache und eine erzählerische Dichte, die ich einem so jungem Menschen kaum zugetraut hätte. 

Tribulation – die Demo wurde mit RPG-Maker erstellt – Spannende Story und junge Sprache

Entwickler/innen stecken soviel Arbeit in ihre Projekte. Wochen und Monate an Zeit und Mühe, Investitionen in Assets wie Grafiken, Sprache und Sounds. Sie präsentieren Ihre Projekte in diversen Foren und auf diversen Webseiten. Und sie müssen oft mit einem Minimum an Feedback überleben können.

Feedback ist wichtig für die Seele

Wer ständig gibt, doch fast nichts zurückerhält, muss entweder ein besonderer Typ Mensch sein oder irgendwann droht der Burnout. Mir tut es oft wirklich weh, wenn ich liebevoll erstellte Projekte sehe, die einfach keine Beachtung finden. Selbst Entwickler unter sich tun sich oft sehr schwer mit gegenseitiger Anerkennung. Ob die Beschäftigung mit dem eigenen Spiel bei vielen zu einer Art Tunnelblick führt? Vielfach ist es einfach nur Zeitmangel, da jede freie Minute in das Traumprojekt gesteckt wird.

Dabei ist das „Feedbacking” so einfach. Auf einer Webseite wie pewn.de eines von hunderten Projekten downloaden und antesten. Dann einfach ein paar nette Worte und ehrliche Gedanken dem/der Entwickler/in zukommen lassen. Natürlich gehört da etwas Fingerspitzengefühl dazu, Social Skills sind auch hier gefragt. In der Regel beginne ich meine Feedbacks mit etwas Positiven. Was hat mir gefallen? Die Grafik, der Sound? Das Setting? Konnte mich die Story abholen und neugierig machen? Waren die Dialoge lebendig geschrieben und machten Spaß beim lesen? Gab es spannende Kämpfe oder taktische Herausforderungen?

Rotate PDF – verdrehte Welt von fi-le überzeugt durch Scherenschnitt-Optik, anspruchsvolle Texte und klassische Musik

Konstruktive Kritik gehört in der Spieleentwicklung dazu

Anschließend findet sich oft der Raum für etwas konstruktive Kritik. Vieles ist natürlich noch holprig, fehlerhaft, manchmal unlogisch oder nicht so schön formuliert. Da sind Tippfehler, Teleport-Fehler beim Wechsel der Maps, eine rumeiernde Lernkurve oder auch Passagen, die mir streckenweise etwas zu viel Geduld abverlangten.

Abschließend würdige ich gerne die Arbeit, die da vollbracht wurde. Ich erwähne die positiven Erlebnisse mit denen ich nicht gerechnet hatte oder die Motivation, die einfach Hunger nach mehr geweckt hat.

Fertig ist das Feedback zur Demo, der Alpha oder der abgeschlossenen Indie-Spieleentwicklung.

Cast Away – The Oddysee ist ein umfangreiches Rollenspiel von TheLuigiplayer – die Schreibweise ist ein Wortspiel mit „odd” (engl. seltsam)

Und Feedback geben lohnt sich. Ich erlebe viele kleine, besondere Werke mit Ecken und Kanten, mit Fehlern und Bugs, aber auch mit mutigen Designentscheidungen und viel Individualität. Es bleibt spannend! Bei manchen Projekten bin ich nahezu der einzige Tester. Updates werden auf Basis meiner Reports erstellt, das hat schon sehr viel persönliches.

Reichlich Projekte

Der Vorrat an Hobby- Indie- und Alphaentwicklungen ist riesig. Eine Armee an feedback-spendenden Testern und Testerinnen würde nicht ausreichen, diesen komplett abzuarbeiten. Täglich kommen brandneue Projekte hinzu. Dies liegt auch an immer mehr kostenfreien Game-Engines, welche relativ einfach zu bedienen sind. Selbst Anfänger/innen können nach ein wenig Einarbeitung schon sehenswerte Werke vorweisen. Eine Entwicklung, die ich im übrigen begrüße.

Wer die großen Spiele-Titel mal leid ist, dem empfehle ich aufrichtig, es mir gleich zu tun. Statt ein anonymer Nutzer einer Megaproduktion zu sein, gehe ich lieber mit der Entwicklung eines Projektes auf Tuchfühlung. Legt mal eine Runde als feedbackgebender Tester in der Indie-Spieleentwicklung ein und erlebt ein völlig neues Spielgefühl!

Links:

//pewn.de

Screens von Game-Entwicklungen:

Orfaya
Seegurkotchi
Tribulation
Rotate PDF – verdrehte Welt
Cast Away – The Oddysee

Titelbild:

Bild von athree23 auf Pixabay

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