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Am Ende dieser kleinen Serie wird es Zeit, die Gegenwart der Adventure anzuschauen. Es ist schon lange nicht mehr das große Genre, auf das Spieler und Presse schauen, aber es hat sich erhalten, eine Nische gefunden und auch im Hobbybereich einen Platz ergattert.

Sterbende Genres

Nach fünf Folgen „Mimimi“ und „Früher war alles besser“ wird es höchste Zeit, ein wenig zu relativieren. In den letzten 40 Jahren kamen viele Genres auf und starben wieder. Manche, wie etwa Rollenspiele, hatten ihre Durststrecke und kamen gestärkt, versehen mit neuen Elementen, zurück.

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Starcraft II

Seit vielen Jahren wird Echtzeitstrategiespielen der Tod nachgesagt. In der Tat gibt es seit Starcraft II kaum noch einen großen Titel und selbst die Jahre davor waren sehr mager. Noch schlechter geht es der Rundenstrategie. Aber dennoch haben es beide Genres geschafft eine Fangemeinde zu erhalten und es erscheinen weiterhin noch tolle Titel, wenn auch nicht so viele wie in früheren Tagen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Der PC Markt wird immer kleiner und typische PC-Genres schrumpfen. Eine Ausnahme sind Egoshooter, deren Steuerung für Konsolen mittlerweile recht brauchbar angepasst wurden. Ein weiterer Grund ist die Änderung des Spielverhaltens. Spieler zocken heute teils Jahrelang einen Titel bzw. eine Serie. Während man in den 1980ern und 1990ern noch vieles probierte, darunter auch verschiedene Genres, haben wir heute Spieler, die nur FIFA, nur Fortnite oder nur die Call of Duty Serie spielen. Es muss schon viel passieren, dass solche Menschen etwas ganz anderes probieren.

Selbst große Firmen mit großen Marken haben so ihre Probleme damit. So hat Epic die Entwicklung eines neuen Unreal Tournament aufgegeben, da sie während der ohnehin schon spartanischen Entwicklung nicht genug Spieler begeistern konnten.

In der Retrospektive kann man also sagen, dass das auf und ab von Adventures ein eher normaler Prozess ist. Das Genre hatte seine Blütezeit, seinen Tiefpunkt und wurde in den 2000ern wiederbelebt. Dies ist kleinen Entwicklerteams und einer eisernen Fangemeinde zu verdanken, auf die gleich tiefer eingegangen wird.

Abenteuer heute

Schaut man sich die aktuelle Lage von Adventurespielen an, stellt man eine Sache unmittelbar fest: Unter dem Begriff versammeln sich mittlerweile eine Vielzahl ganz verschiedener Spiele. Darunter fallen mittlerweile Open World Spiele, sehr actionlastige Titel, Storyabenteuer und vieles mehr. In den meisten Fällen sind die Rätsel, wenn überhaupt vorhanden, so einfach gestrickt, dass klassische Adventurespieler in etwa so unterfordert sind, als müsste ein Mathestudent das Einmaleins aufsagen.

Die meiste Zeit war somit lediglich die Rede von einem Sub-Genre, nämlich den Point & Click Adventuren, was sich langsam aus den Textadventuren entwickelte. Man muss also schon ein bisschen suchen, um die eine oder andere Perle finden zu können.

Lamplight City
Lamplight City

Lamplight City (2018) ist so eine Perle. Das Detektiv-Abenteuer erinnert nicht nur grafisch an die alten Zeiten. Als Privatdetektiv Miles Fordham klärt man verschieden Fälle auf und darf in klassischer Manier Rätsel lösen und viele Dialoge führen. Auf Steam wurde das Spiel mit 165 Rezensionen sehr positiv bewertet. Leider fehlt der deutschen Version – die einzige neben der englischen – eine entsprechende Tonspur. Spieler müssen sich mit Untertiteln, wie im Screenshot zu sehen, begnügen.

Unforeseen Incidents (2018) ist ebenfalls ein neueres Point & Click Adventure – mit deutscher Tonspur. Die ganze Welt wurde handgezeichnet und zusammen mit Musik und Soundeffekten entsteht eine sehr düstere, teils beklemmende Atmosphäre. Das liegt natürlich auch an der Handlung. Der Spieler muss das Rätsel um eine mysteriöse Krankheit, die sich in einer Stadt ausbreitet, aufklären. Mit 167 Rezensionen wurde das Spiel ebenfalls sehr positiv bewertet.

Angelo and Deemon: One Hell of a Quest
Angelo and Deemon: One Hell of a Quest

Angelo and Deemon: One Hell of a Quest (2019) soll das letzte Beispiel sein. Grafisch und akustisch ganz ordentlich umgesetzt zeigt das Spiel, wie schmal der Grad zwischen einem sehr guten und einem durchschnittlichen Adventure sein kann. Der junge Blogger Angelo wird vom Sensenmann versehentlich mitgenommen und es ist die Aufgabe des Spielers, den Charakter in die Welt der Lebenden zu führen. Das Hauptproblem des Spiels zeigt bereits die Steam-Beschreibung: Es ist bemüht lustig. Zwar entlockt es immer wieder ein Schmunzeln, aber der Versuch, wirklich jede Banalität lustig kommentieren zu müssen, nervt auf Dauer extrem. Die bisher 20 Rezensionen bewerten das Spiel im Schnitt aber positiv.

Auch wenn manches Messing ist, was glänzt, gibt es gerade im Indie-Bereich zahlreiche sehenswerte Vertreter des Genres. Doch dem nicht genug, schließlich gibt es auch zahlreiche Tools, mit denen man selbst Abenteuerspiele erstellen kann!

Adventure-Engines

Spieleengines gibt es mittlerweile mehr als Schimmel in einer Studenten-WG. Egal ob Unity, Unreal, Godot oder GameMaker, mit allen kann man Point & Click Adventures machen. Das Problem ist nur: Bis man alles zusammen hat, was dieses Genre ausmacht, vergeht viel Zeit. Deshalb gibt es für Adventures spezielle Engines, die einem viel Arbeit abnehmen.

Point & Click DK

Adventure-Creator.com
Schon die Startseite von Adventure-Creator.com zeigt, worum es beim Programm geht.

Das kostenlose Programm ist darauf ausgelegt, klassische 2D Abenteuer zu erstellen. Es unterstützt die gängigen Bild- und Audioformate. Die HP sowie die Menüführung im Programm wirken etwas altbacken, davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Nach etwas Einarbeitungszeit lassen sich mit der Engine wunderbare Abenteuerspiele erstellen. Bei Problemen kann man sich im Forum Hilfe suchen. Hier findet man auch einige Projekte, die mit der Engine erstellt wurden.

Link: //www.adventure-creator.com/

Visionaire Studio

Visionaire Studio
Visionaire Studio

Wer es etwas professioneller mag und ein wenig Geld ausgeben kann, sollte sich unbedingt Visionaire Studio anschauen. Damit wurden nicht nur Hobbyprojekte realisiert, sondern auch einige kommerzielle, die in dieser Serie bereits erwähnt wurden. Zak McKracken: Between Time & Space, die Deponia Serie, Harvey’s neue Augen und viele andere Perlen wurden mit Visionaire erstellt. Die Spiele lassen sich auf Windows, Mac, Linux, Android, HTML5, Xbox One und PS4 portieren. Bereits ab 49€ kann man als einzelner Entwickler einsteigen und bekommt eine Engine, die für das Point & Click Adventure Genre ihresgleichen sucht.

Link: //www.visionaire-studio.net/

Adventure Creator (for Unity)

Wer bereits mit Unity arbeitet, muss sich nicht in eine andere Engine einarbeiten. Mit der kostenpflichtigen Erweiterung lassen sich 2D, 2,5D und 3D Adventures relativ einfach erstellen. Die Spiele lassen sich für Windows, Mac, Linux, iOS, und Android exportieren. 

Link: //www.adventurecreator.org/

Textadventures

Quest
In Quest lassen sich eigene Textadventure erstellen.

Darf es Text sein? Grafische Abenteuer zeichnen sich, wie sollte es sein, vor allem durch mehr oder weniger aufwändige Grafik aus. Manchmal will man aber nur eine tolle Geschichte erzählen, deren visuelle Kraft sich im Kopf entfaltet. Seit einigen Jahren lässt sich dies nicht nur auf dem Desktop, sondern auch im Browser relativ leicht verwirklichen. Mit Quest lassen sich die Spiele lokal erstellen. Wer lieber im Browser arbeitet und die Spiele über die Plattform der ganzen Welt zeigen will, sollte einfach auf den unten stehenden Link klicken. Auf der Seite findet man, wie auch bei den anderen genannten Engines, Beispiele und viele Adventures, die von den Usern erstellt wurden. Wer also nur spielen und nichts erstellen will, kommt auch hier voll auf seine Kosten.

Link: //textadventures.co.uk/

Natürlich gibt es noch viele andere Engines. Das Problem ist in den meisten Fällen, dass diese relativ alt sind und teilweise nicht mehr gepflegt werden. Dennoch ist es erstaunlich, wie bequem man heute selbst als Anfänger solche Spiele erstellen kann. Egal ob Text, 2D oder 3D: Es ist für jeden etwas dabei, um seine Abenteuerträume zu erfüllen.

Abenteuer Fans

Zum Genre gibt es natürlich zahlreiche Fanseiten und Foren. Wer ein wenig bei der Suchmaschine seiner Wahl nachfragt, bekommt zahlreiche Treffer. Von denen möchte ich eine Seite hervorheben.

Adventure Treff

Auf der Seite erscheinen sehr regelmäßig Artikel über Neuigkeiten im Genre. Das Spielearchiv umfasst mehr als 2.600 Titel mit Infos und Screenshots. Sogar ein Firmenverzeichnis knapp 1.700 Firmen, die Adventures machten, ist dort zu finden.

Das Forum mit knapp 23.000 Themen, rund 725.000 Beiträgen und mehr als 8.500 Mitgliedern sucht bei dem Genre im deutschsprachigen Bereich seinesgleichen. Hier findet man Tipps und Tricks, wenn man nicht weiter kommt, technische Hilfe und es gibt sogar einen Bereich für Entwickler von Abenteuerspielen. Wer an das Genre sein Herz verloren hat, sollte hier unbedingt einen Blick rein werfen.

Link: //www.adventure-treff.de/

Zukunft?

Prognosen sind immer so eine Sache. Aufgrund der starken Fanbase ist kaum vorstellbar, dass das Genre in absehbarer Zeit völlig ausstirbt, allerdings ist auch klar, dass die besten Zeiten schon lange vorbei sind. Dennoch gibt es immer wieder großartige Titel und tolle Geschichten. Genau das ist es, was das Genre im Kern ausmacht: Es ist auch heute noch perfekt, um tolle Geschichten zu erzählen, weil jeder Interaktion dazu dient, diese in kleinen Schritten weiter zu treiben.

Eine interessante Entwicklung der letzten Jahre ist VR. Dank der enormen Immersion ist es möglich, Geschichten noch intensiver zu erleben. Erste, mehr oder weniger zaghafte, Versuche, das Adventure-Gefühl in diese Welt zu transportieren, gibt es bereits. Was vielleicht noch fehlt, ist eine größere Lebendigkeit der Welten.

Telltale Games hat gezeigt, dass man mit Story-Adventuren durchaus massentaugliche Titel machen kann. Vielleicht ist dies ein Weg, das Genre in einer seichteren Form einem breiten Publikum schmackhaft zu machen. Allerdings bedarf es bei solchen Titeln eines relativ hohen Budgets – verbunden mit einem vergleichsweise hohen Risiko. Während in anderen Genres die Handlung und die Charaktere oft austauschbar sind, ist dies das Fundament eines jeden Adventures. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass hier schon Kleinigkeiten die Spieler vergraulen kann, in etwa wie in einem Roman, bei dem man auf den ersten Seiten nicht mit dem Hauptcharakter warm wird.

Zum Ende hin möchte ich mich noch bei den Lesern dieser doch recht Seitenlangen Serie bedanken. Auch wenn einige Teile recht anstrengend waren, hat mir die Recherche und das Schreiben großen Spaß gemacht. Ich bin zwar mit dem Genre groß geworden, dennoch bin ich über einige Fakten und Spiele erst durch die Arbeiten an dieser Serie gestolpert. Mein Respekt und meine Begeisterung für dieses Genre stieg damit erheblich an.

Weitere Teile

Teil 1 – Im Anfang war das Wort
Teil 2 – Der Berg ruft
Teil 3 – Lucas und die SCUMM-Lokomotive
Teil 4 – Fotorealistisch?
Teil 5 – Aufbruch in neue Abenteuer

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