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KI-Systeme – Die kommende Revolution

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Titel KI Systeme
  • 11Minuten

Menschliche Erfindungen haben unser Leben mehrfach drastisch verändert. Der nächste Schritt, die künstliche Intelligenz, steht kurz davor die radikalste Stufe zu erklimmen: Der Mensch – als produktives Wesen – wird überflüssig.

Politische Ahnungslosigkeit

Frau Neuland und die politische Ahnungslosigkeit.

Kurz vor der Bundestagswahl 2017 kam das Thema unerwartet auf und hatte somit auf den Ausgang der Wahl keinen Einfluss mehr. Unerwartet deshalb, weil das große Thema „Digitalisierung” mindestens fünfzehn Jahre zu spät in der deutschen politischen Landschaft ankam. Dass es auf die Wahl keinen Einfluss hatte, liegt daran, dass die Parteien nicht darauf vorbereitet waren. Die Problemstellung kam zu dieser Zeit vor allem aus der Richtung der Philosophie und man merkte, dass die Politik mit den Fragen, die sich daraus ergeben, völlig überfordert war. Der Zustand hält bis heute an.

Dies ist nicht erstaunlich, wenn man sich mit den Details befasst. Aus Sicht der digitalen Welt ist Deutschland ein Entwicklungsland, was durch zahlreiche Statistiken belegt wird. Das Thema Breitbandausbau ist uns vor die Füße gefallen, dabei wollte schon Helmut Schmidt den Ausbau der Glasfasernetze vorantreiben. Sein Nachfolger Helmut Kohl hingegen legte die Pläne auf Eis und setzte auf Kupfer. Das Resultat: Wer in Deutschland nicht in einem Ballungsgebiet sitzt, kann von einem schnellen Datenaustausch nur träumen. Die Folge ist, dass innovative Ideen und Start-ups bereits im Keim erstickt werden, selbst wenn viele an der zweiten Hürde, einen Geldgeber zu finden, in Deutschland ebenfalls scheitern würden.

KI schlägt alles

Doch das Land der Dichter und Denker macht nur rund 1% der Weltbevölkerung aus und die restlichen 99% drehen erheblich am digitalen Rad. Die Hardware, die sich trotz aller Fortschritte stetig weiter entwickelt, ist dabei nicht einmal mehr der entscheidende Faktor. Wir haben Maschinen mit beeindruckender Effizienz erfunden, die das menschliche Fassungsvermögen um ein Vielfaches übertrifft. Maschinen können, richtig eingesetzt, schneller und besser arbeiten als jeder Mensch. Ihr Vorteil liegt darin, Aufgaben extrem präzise mit einer enormen Konstanz zu erledigen. Tätigkeiten, die frühere Hochkulturen an Sklaven auslagerten. Viele der Tätigkeiten müssen dabei nicht einmal digital sein. Eine herkömmliche Stanzmaschine stellt jeden Menschen, auch Sklaven, in den Schatten.

Noch entscheidend ist heute die Software. Das digitale Innenleben, welches erst ermöglicht, das gewaltige Potential der Maschinen zu nutzen. Wie ein Fahrer, durch den ein Rennwagen erst in Bewegung gesetzt wird. Nur ist in diesem Fall der Fahrer kein Mensch mehr.

Schach, Mensch gegen Mensch, macht Spaß. KIs sind hier seit einigen Jahren unschlagbar.

In einigen Punkten haben uns künstliche Intelligenzen weit übertroffen. Von den gewöhnlichen Schach-KIs sind heute die rund 70 besten in der Lage jeden Menschen, der je gelebt hat, im Schach zu besiegen. „Gewöhnlich” deshalb, weil diese KIs auf klassische, für den Menschen nachvollziehbare, Algorithmen basieren. Die derzeit beste dieser KIs ist Stockfish, aktuell in der Version 10. Nach ELO-Maßstäben (die Einheit für die Spielstärke) ist sie knapp sieben Ligen über dem aktuellen Weltmeister Magnus Carlsen, der in den Medien oft als Schach-Genie bezeichnet wird. Es wäre so, als ob sich im Fußball eine Kreisligamannschaft ernsthaft mit einer Bundesligamannschaft messen wollte. Ein Vergleich Mensch gegen Maschine ist in diesem Bereich längst Nonsens.

Stockfish ist Open Source. Jeder kann sich anschauen, wie die KI das macht und trotzdem kann ein Mensch unter normalen Bedingungen nicht gegen sie gewinnen. Stockfish ist aber nicht mehr das Maß aller Dinge. Ende 2017 machte Alpha Zero die Schlagzeilen. Die von Google entwickelte KI basiert auf neuronale Netze und brachte sich Schach über einen Zeitraum von vier Stunden im Selbststudium bei. Anschließend wusste die KI mehr über Schach als die ganze Menschheit. Im Kampf gegen Stockfish, damals in der Version 9, endete der Vergleich nach hundert Partien mit 64:36 Punkten – für Alpha Zero. Die Google-KI steckte nicht eine Niederlage ein und führte den damaligen Platzhirsch streckenweise regelrecht vor.

Abbildung eines neuronalen Netzes.

Der theoretische Ansatz dahinter ist relativ simpel. Man programmiert zunächst ein neuronales Netz. Dieses funktioniert vergleichbar mit dem menschlichen Gehirn, aber nicht identisch. Digitale neuronale Netze sind hierarchisch aufgebaut und verbessern ihre Leistungsfähigkeit, indem sie ein Problem immer wieder neu berechnen, bis sie das beste Resultat erzielen. Die Auswertung, also Erfolg oder Misserfolg, hat anschließend Auswirkungen auf das Netz selbst. Die einzelnen Parameter verschieben sich immer mehr, bis ein perfektes Resultat erzielt wurde.

Die Bedingungen, unter denen Stockfish 9 gegen Alpha Zero antreten musste, sind in der Schachwelt durchaus umstritten, aber eines hat Alpha Zero klar gezeigt: Die KI ist in der Lage, mit wesentlich weniger Rechenaufwand ein viel besseres Ergebnis zu erreichen. Im Fall von Alpha Go, der Vorgängerversion für das Strategiespiel Go, geht es sogar so weit, dass weder Entwickler noch Go-Profis sagen können, warum die KI gewinnt. Die Strategie des Computers ist für uns nicht mehr nachvollziehbar. Man sieht lediglich ihren Erfolg.

Ein alter Hut

Das Thema der künstlichen Intelligenz ist nicht neu. Seit Jahrzehnten befassen sich Forscher und ambitionierte Hobbyentwickler intensiv mit verschiedenen Aspekten dieses immer wichtiger werdenden Bereichs der Informationstechnik. Es hat sich gezeigt, dass KIs, und somit auch neuronale Netze, dort gut sind, wo eine einseitige Begabung nötig ist. Sie kann, für den jeweiligen Fall programmiert, besonders gut Schach, Go, Dame, Mühle, Karten und andere Spiele spielen. In besagten Bereichen ist sie für uns schon lange unbesiegbar geworden. Dass diese Intelligenzen den Mainstream der Spieleindustrie nicht erreicht haben, hat einen simplen Grund: Kein Mensch spielt ein Spiel, bei dem er immer verliert. Deshalb werden KIs in Computerspielen auf ein menschliches Maß reduziert. Zum Beispiel, indem die KI in einem Shooter nicht perfekt zielt und auch die Reaktionszeiten stark reduziert werden.

KI im Alltag

Global betrachtet sind die Auswirkungen dieser Entwicklungen enorm. Nahezu jede einfache Tätigkeit kann heute durch Maschinen durchgeführt werden. Durch die Automation sind in den letzten 100 Jahren zahlreiche Stellen weggefallen. Durch die KIs werden noch viele weitere folgen. Bereits durch simple Hardware ist es heute schon möglich, auf alle Kassiererinnen im Supermarkt zu verzichten. Theoretisch sind bereits Läden komplett ohne Personal möglich. Maschinen können die Regale auffüllen, die Räume reinigen, alles überwachen und am Ende per Smartphone kassieren. Höchstens ein Techniker ist nötig, um den laufenden Betrieb zu sichern.

Sobald selbstfahrende Autos und LKWs zuverlässig funktionieren und zugelassen sind, fallen nach und nach alle Stellen für Taxifahrer, Kraftfahrer und Kuriere. Post, sofern sie nötig ist, kann durch Drohnen, größere Pakete durch selbstfahrende Autos ausgeliefert werden. In Japan werden bereits immer mehr Pflegekräfte durch Roboter ergänzt und zum Teil ersetzt. Vor allem in Bereichen, in denen die Arbeit für Menschen, sowohl Pflegekraft als auch Patient, schwer und unangenehm wird. Nicht nur das einfache Personal ist von diesem Wandel betroffen, sondern auch Ärzte. Moderne Sensortechnik, im Haus integriert, ersetzt einen Großteil der Arztbesuche. Digitale Helfer können heute schon dabei dienlich sein, durch Eingabe von Symptomen auf mögliche Krankheiten zu schließen. Meistens ist man damit schneller am Ziel, als die Zeit im Wartezimmer beim Hausarzt dauert. Bestückt man diese einzelnen, vorhandenen Komponenten mit einer entsprechenden KI, werden zahlreiche Allgemeinmediziner, aber auch Spezialisten, überflüssig. Dieser Trend freut zunächst die Krankenkassen, zumindest so lange, bis deren Stellen ebenfalls rationalisiert werden.

In die Mitte der Gesellschaft

Was sich momentan gravierend auf die Gesellschaft auswirkt, ist in der Industrie schon lange Standard. Von der Dampfmaschine über Fließbänder, verbesserte Automation, Roboter bis hin zu Computern in jedem Büro: Schon immer wurden Stellen abgebaut und wenige, spezialisierte Arbeitsplätze geschaffen. Der Unterschied zu heute ist, dass heutzutage keine neuen Stellen mehr gebraucht werden. Sicherlich wird man noch Programmierer und Ingenieure brauchen, aber die Vorstellung, dass Computerprogramme verbesserte Versionen von sich selbst erschaffen, ist schon lange keine Science Fiction mehr. In Zeiten, in denen man Häuser per 3D-Drucker bauen kann, ist dieser Schritt nicht mehr eine Frage von Möglich oder Unmöglich, sondern nur noch eine Frage der Zeit.

Selbst eine simple Drehmaschine ist in Sachen Präzision und Zuverlässigkeit dem Menschen weit überlegen.

In der klassischen Industrie sind seit rund zwanzig Jahren Produktionen ohne Mitarbeiter zumindest denkbar, sofern gewisse Rahmenbedingungen eingehalten werden. Bei gleichbleibender Ware und Voraussetzungen gibt es vor allem zwei Punkte, die geregelt werden müssen. Einerseits die Schnittstellen, etwa bei der Auftragsannahme, dem Be- und Entladen von LKWs oder die Annahme und Verarbeitung der benötigten Rohstoffe. Andererseits die Überwachung und Wartung der eingesetzten Technik. Mit ausreichenden Sensoren und Robotern versehen, ist heute eine kleiner bis mittlerer Betrieb mit ein bis drei Personen möglich, die vor Jahren noch hundert Mitarbeiter erforderte. Der Trend geht schon lange in diese Richtung, wenn auch in kleinen Schritten. Selbst in chemischen und elektrochemischen Betrieben geht der Trend schon lange dort hin. Dosierpumpen, mit Sensoren und Anlagensteuerung verbunden, verrichten seit vielen Jahren zuverlässig ihre Arbeit. Im Labor hat man sich schon lange von manuellen Analysen verabschiedet bzw. betreibt dies nur noch in Ausnahmefällen. Die Probe, sofern nicht online analysiert wird, muss lediglich ins Labor gebracht und anschließend ausgewertet werden. Tätigkeiten, die heute ebenfalls Roboter und eine KI übernehmen könnten. Die Berechnungen von Badzugaben macht seit der Jahrtausendwende ohnehin niemand mehr von Hand. Abgesehen von Auszubildenden, natürlich.

Zahlreiche Produktionen können heute voll automatisiert und überwacht werden. Dies hat Auswirkungen bis in die oberen Etagen. Abteilungs- und Produktionsleiter werden in einem voll automatisierten Unternehmen nicht mehr benötigt. Eine Offerte wird heutzutage berechnet, indem ein Mensch die Daten einer Mail und einer technischen Zeichnung in ein Programm eingibt. Ggf. muss der Mensch noch mehrere Optionen prüfen, überlegen, in welcher Abteilung die Ware am besten produziert wird. Selbst eine Machbarkeitsprüfung kann zu großen Teilen die Software übernehmen. Wenn die Beschichtung, die Schichtdicke, die Toleranzen, das Substrat oder schlicht die Maße nicht verarbeitet werden können, quittiert dies die Software mit einer Fehlermeldung. Setzt man dem eine entsprechende KI auf, braucht es nur noch einen Kunden, der online die Anfrage einreicht und sofort einen Preis erhält. Bis es so weit ist, wird der Kunde womöglich ebenfalls kein Mensch sein.

Die Veränderung der Welt

Auch die Dampfmaschine hat eine Weile gebraucht, bis sie sich flächendeckend durchsetzte.

Solche Veränderungen kommen nicht über Nacht sondern schleichend. Sie passieren jetzt im Moment, doch in den kommenden Jahrzehnten wird sich die Arbeitswelt völlig verändern, weil der Mensch für die meisten Tätigkeiten überflüssig wird. So wie die Dampfmaschine, der elektrische Strom und der Personal Computer die Arbeitswelt schleichend, aber über einen größeren Zeitraum betrachtet, radikal veränderten, werden dies auch künstliche Intelligenzen tun. Aufzuhalten ist dieser Trend schon lange nicht mehr. Die zentrale Frage ist, wie wir unsere Gesellschaft, die vorhandenen Strukturen und Denkweisen anpassen. Selbst heute, rund 2 Jahre nach der Bundestagswahl 2017, fehlen der Politik die nötigen Antworten. Die Piratenpartei, die zumindest in diesem Bereich über fachliche Kompetenz verfügt, hat sich selbst zerstört und ist in der politischen Landschaft zu irrelevant, um etwas bewirken zu können. Grüne, Linke und SPD sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt (oder im Fall der Grünen zu opportunistisch) und alle Parteien mit den Fragen der Zukunft komplett überfordert. Vor rund sechs Jahren amüsierten sich Presse und Öffentlichkeit noch über die Aussage von Angela Merkel, dass das Internet Neuland sei. Sechs Jahre, in denen sich die Situation weder verbesserte, noch irgendwelche brauchbaren Konzepte in Sicht wären. Der Ruf nach (mehr) Mindestlohn ist kurzfristig betrachtet richtig – und nötig. Die Predigt nach Vollbeschäftigung und mehr Arbeit hingegen geradezu antiquiert und zeigt, dass man selbst in der großen Industrienation Deutschland nicht versteht, wo die Entwicklung hingeht.

Eher zaghaft werden Diskussionen über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) geführt, während zeitgleich die „faulen Arbeitslosen” und die „Sozialschmarotzer” die Schlagzeilen füllen. Unsere Gesellschaft diskutiert über Renten, die es mit hoher Wahrscheinlichkeit in dreißig Jahren nicht mehr gibt. Über Kosten im Gesundheitswesen, die in fünfzehn, vielleicht zwanzig Jahren in dieser Form nicht mehr existieren. Gleichzeitig fördern wir Supervectoring statt den Ausbau der Glasfasernetze. Wir tun sehr viel dafür, die Illusion aufrecht zu erhalten, der Status quo würde auch in Zukunft funktionieren, obwohl klar ist, dass er bereits in der Gegenwart nicht funktioniert. Der Arbeitsalltag der Menschen ist heutzutage in den meisten Fällen Krieg, der 24/7/365 ohne Pause anhält. Wir stehen auf allen Ebenen in Konkurrenz zueinander. Kollegen, lokale und nationale Wettbewerber. Der internationale Markt. Es ist in höchstem Maße paradox, dass in einer hochtechnisierten Gesellschaft, welche alle Notwendigkeiten überwand, derart viele Menschen von Existenzangst betroffen sind. Wir wirken, in Deutschland und zu großen Teilen in Europa, ratlos, geradezu paralysiert ob der gewaltigen Aufgabe, veraltete Methoden und Denkmuster über Bord zu werfen.

Das Kollektiv und die Panik

Eines der zentralen Themen in der abendländischen Kultur ist die kollektive Wahrnehmung von Technologie. Diese befindet sich seit 2007 (Einführung des iPhones) in einem positiven Wandel, wird aber in vielen Fällen als äußerst bedrohlich angesehen. Nicht zu Unrecht. Datenkraken wie Amazon, Facebook, Google, Twitter, Apple, Microsoft und andere Unternehmen können sehr angsteinflößend sein. Der Aufschrei nach Datenschutz ist berechtigt, die derzeitigen Maßnahmen hingegen sind – wie so oft – ein völlig falscher Weg. Vor allem aber ist es die hier beschriebene Entwicklung, die den Menschen Angst macht. Maschinen machen uns überflüssig. Im schlimmsten Fall wird ein Szenario skizziert, das dem der Terminator-Filmen gleicht. Irgendwann werden Maschinen so intelligent, dass sie sich gegen ihre Schöpfer wenden. Dass sich darin alle IT-Experten einig sind, dass dieses Szenario nicht eintreten kann und wird, spielt für die irrationalen Ängste keine Rolle.

Japaner haben es geschafft, ein Hochtechnologieland zu werden, ohne die eigene Kultur und Identität zu verlieren.

Vor allem im asiatischen Raum ist man diesbezüglich anders gestrickt. Maschinen, Roboter, KIs werden in der Gesellschaft und der Popkultur als etwas Gutes angesehen. Während hierzulande eine KI wie Skynet die Menschheit vernichten will, retten in japanischen Filmen und Serien die Maschinen die Menschen vor dem Bösen. Dies spiegelt sich auch im Alltag wieder. Technologie ist hier die Sehnsucht nach mehr Freiheit, nach mehr Möglichkeiten und nicht die Angst vor einer versklavten oder überflüssigen Menschheit. Der Mensch wird als Arbeiter entbehrlich, aber nicht als Mensch. Unsere diesbezüglichen Ängste und Probleme sind darin verwurzelt, dass wir uns über die Arbeit definieren. Das wird einem spätestens dann schmerzlich bewusst, wenn sie auf einer Party eingeladen sind und eine der ersten Fragen „Was machen Sie beruflich?” lautet. Anhand der Reaktion auf ihre Antwort erhalten sie zugleich ihren Wert. Derzeit stehen sie, neben den üblichen Verdächtigen wie Unternehmer, Manager und anderen monetär attraktiven Berufen, noch als Pflegekraft hoch im Kurs. Als Kassierer, Reinigungskraft oder Bedienung hingegen tendiert ihr Wert im Allgemeinen gegen Null. In einer Gesellschaft, in der diese Denkweise vorherrscht, ist eine Zukunft, in der alle arbeitslos werden können und es auch viele werden, ein Albtraum der Dantes Inferno gleichkommt. Davon ist auch die schreibende Zunft betroffen. Zahllose Newsmeldungen werden mittlerweile automatisiert. Wetterbericht, Sportnachrichten, Börsennachrichten und vieles mehr. Alles, was sich mit Daten greifbar machen lässt, lässt sich heute automatisch als Nachricht verpacken. In einer Welt, in der immer mehr Journalisten um ihre Existenz fürchten, ist eine positive Berichterstattung über Innovationen im KI-Sektor eher selten zu finden.

Eine Zukunft ohne Geld?

Natürlich können Diskussionen über ein BGE nur ein Anfang sein. Viel wichtiger noch als Einkommen, Rente und Existenzsicherung wäre aber eine generelle Vision und Diskussion um das Thema, wie unsere Zukunft in zwanzig, dreißig oder fünfzig Jahre aussehen könnte. Noch vor zwanzig Jahren konnte sich kaum jemand vorstellen, dass wir heute im Wohn- oder Schlafzimmer mit einer Alexa reden, die unsere Fragen beantwortet, uns Musik vorspielt und Bestellungen erledigt oder ein Rezept in der Küche vorliest. Man muss nicht davon begeistert sein, aber die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Die Frage ist, wie man 82 Millionen (Deutschland), 512 Millionen (EU) oder 7,6 Milliarden (Weltweit) Menschen auf diese Zukunft vorbereitet. In einer voll automatisierten Welt werden nur noch sehr wenige Menschen in der Lage sein, Geld zu verdienen. Sie lassen von Maschinen Dinge produzieren, die sich mangels Geldes niemand mehr leisten kann. Die Grundlage einer Diskussion muss sein, ob man in einer Zukunft, in der kaum noch jemand Geld verdienen kann, überhaupt Geld braucht. Oder ob wir damit beginnen wollen, in einer vernünftigen Weise die Ressourcen dieses Planeten als Währung zu verwenden.

Karl Marx

Die Idee dahinter ist nicht neu und wurde besonders in der Science Fiction lange diskutiert. Mittlerweile ist die Frage, wie eine moderne Gesellschaft ohne Geld auskommen kann, Gegenstand der Forschung. Leider wird darüber nicht berichtet und allgemein kaum nachgedacht. Wer sich heute Star Trek anschaut und hört, wie die Menschen schon vor Jahrzehnten über ein geldloses System redeten, hat dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Wer am selben Tag für das Urinieren am Bahnhof einen Euro zahlen musste, kann sich eine solche Welt schwer vorstellen. Dabei könnte die Grundidee des BGEs der Schlüssel sein. Die Idee ist, dass jeder, egal was er verdient, egal wie alt, ein Grundeinkommen erhält. Bedingungslos. Das bedeutet: Jeder Mensch hat einen Wert und ein Grundrecht auf Existenz, egal was er für die Gesellschaft leistet. Dieses Grundrecht, als Mensch ohne gesellschaftliche Verpflichtungen existieren zu dürfen, lässt sich auch auf ein geldloses System übertragen. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf einen Teil der vorhandenen Ressourcen, damit eine unbeschwerte Existenz möglich ist. Wer sich mehr in die Gesellschaft einbringt, hat – bis zu einem bestimmten Maß – ein Anrecht auf mehr Ressourcen. Selbst wenn alle Arbeiten durch Maschinen erledigt werden können, heißt es nicht, dass Menschen nicht mehr arbeiten dürfen. Es gibt genug Menschen die gerne kreative Dinge tun, die von Herzen forschen, sich um andere Person kümmern oder mit den eigenen Händen etwas bauen möchten. In einem kapitalistischen Geldsystem ist dies aber nicht möglich, da Menschen bezahlt werden wollen bzw. müssen. Entweder sie sind zu teuer, oder sie werden unwürdig bezahlt und können von der Arbeit kaum leben. In den letzten Jahren erlangt deshalb ein Zitat von Karl Marx immer größere Beliebtheit:

“Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirte oder kritischer Kritiker und muss es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will – während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirte oder Kritiker zu werden.”

Der Kommunismus ist gescheitert, aber die Idee einer menschenwürdigen Arbeit, die jeder nach Belieben wählen und wechseln kann, lebt weiter und ist dank Digitalisierung greifbarer denn je. Wir müssen aber, um diesen Sprung zu schaffen, die Gefahren sowie die eigene, beschränkte Denkweise, überwinden.

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