Die Geschichte der Adventure Teil 3 – Lucas und die SCUMM-Lokomotive

10. Juli 2018

Mitte der 1980er Jahre war Sierra On-Lines der ungekrönte König der Adventure-Szene. Da man auf einem Bein schlecht stehen kann, versuchte das Unternehmen die Palette an Spielen zu erweitern, was nur bedingt gelang. Die Haupteinnahmequelle blieben die Abenteuerspiele und hier tat sich gewaltige Konkurrenz auf.

Der Fluch des Erfolgs

In der Spielebranche ist es wie überall: Wenn etwas Erfolg hat, wird es endlos kopiert. Dieses Phänomen gab es schon immer, nicht erst seit Minecraft. Nach Wolfenstein 3D und spätestens Doom wollten zahlreiche Studios das Spielprinzip und die Technik kopieren, was eine Fülle von schlechten Shootern hervorbrachte, hinter denen sich nur wenige Perlen verbargen. id-Software mit dem genialen Programmierer John Carmack konnte jahrelang den Vorsprung durch technische Innovationen im 3D-Bereich halten, mussten sich dann aber irgendwann geschlagen geben, da der technischen Brillianz spielerisch keine Innovationen folgten. Dieses Schicksal traf einige Spieleschmieden und auch Sierra blieb nicht völlig verschont.

Mit King’s Quest I brachten sie zwar 1984 das erste Grafikadventure hervor, die Nachfolger bauten aber zunächst auf das immer gleiche Konzept. Bereits 1985 veröffentlichte ICOM Simulations mit Déjà Vu: A Nightmare Comes True das zweite Grafikadventure und kratzte damit am Alleinstellungsmerkmal von Sierra. Nachdem mehrere kleinere Studios versuchten auf den Zug aufzuspringen legte Activision 1986 mit Murder on the Mississippi nach. Das Spiel kam bereits komplett ohne Tastatureingabe aus und wurde durch Joystick-Kommandos gesteuert. Sierra veröffentlichte zu diesem Zeitpunkt bereits King’s Quest III und Space Quest I, die beide auf Tastatureingaben setzten.

Der Verzicht auf Texteingabe machte viele Spiele erheblich leichter, was vor allem eingefleischte Fans, die noch sehr gerne Textadventures spielten, verärgerte. Durch die Vereinfachung erweiterte sich aber die Zielgruppe. Ein oder zwei Jahre waren zu dieser Zeit in der Spielebranche eine Ewigkeit, die Sierra komplett verpennte.

Lucasfilm Games

Zunächst ein kleiner Blick zurück. 1982 wurde Lucasfilm Games (später LucasArts) als Tochterfirma von Lucasfilm gegründet. Erst 1984, also im Jahr von King‘s Quest I, veröffentlichte Lucasfilm Games die ersten beiden Spiele: Ballblazer (Sportsimulation) und Rescue on Fractalus (Shoot ’em up). Neben weiteren Titeln erschien 1986 Labyrinth und zeigte erste Anleihen von Abenteuerspielen.

Lucasfilm Games hätte es sich einfach machen und sofort mit der Versoftung von Filmmarken wie Star Wars und Indiana Jones beginnen können, aber dies nicht zu tun war äußerst clever. Diese Spiele sollten irgendwann kommen, aber zunächst wollte man Erfahrungen sammeln und ein gewisses Maß an Qualität erreichen. Die Marke, so wusste das Unternehmen, war für sich schon ein Zugpferd, konnte aber mit schlechter Qualität sehr leicht ruiniert werden. Somit gelten die ersten Jahre der Firma als experimentelle Phase, in der viele verschiedene Genres ausprobiert und neue Marken getestet wurden. »Lucas« selbst stand bereits für eine gewisse Qualität, weshalb die ersten Spiele Aufmerksamkeit genossen. Durch die Zusammenarbeit mit Atari und Epyx konnte zusätzlich Erfahrung gewonnen werden, was sich mittelfristig auszahlen sollte.

Maniac Mansion

Es dauerte fünf Jahre, nämlich bis 1987. Lucasfilm Games landete mit Maniac Mansion seinen ersten Megahit. Einem Adventure, das im Genre und darüber hinaus förmlich ein Erdbeben auslöste und bis heute Kultstatus genießt. Die meisten Spieler vergnügten sich bis dahin entweder mit Arcade-Titeln, Sportspielen oder Abenteuer von Sierra.

Das Point-and-Click-Adventure erhielt nicht nur von der Fachpresse ausgezeichnete Bewertungen sondern führte dazu, dass sich jugendliche, denen das Genre sonst am Allerwertesten vorbei ging, sich darin verliebten. Maniac Mansion war in vielen Punkten anders als der Rest. Es war innovativ, verrückt, lustig, höchst unterhaltsam und voller faszinierender Ideen. Man steuerte nicht einen Charakter sondern drei. Neben der Hauptfigur Dave durfte man zu Beginn zwei weitere aus sechs Spielfiguren wählen. Je nach Team fielen die Lösungen der Rätsel unterschiedlich aus, was den Wiederspielwert enorm erhöhte. Um das Spiel zu beenden, waren gar vier Hauptwege möglich.

Die Ausgangslage ist dabei einfach, aber zweckmäßig. Ein Meteor schlägt in der Nähe eines Landhauses ein, in dem der verrückte Wissenschaftler Dr. Fred mit seiner Familie lebt. Dieser Entführte die Freundin von Dave, Sandy, um sie für wissenschaftliche Experimente zu missbrauchen. Dave versucht nun mit zwei Freunden Sandy zu befreien. Da die Familie unter dem Einfluss des Meteors steht, entwickeln sie komische Angewohnheiten und Verhaltensweisen.

Im selben Jahr veröffentlichte Sierra Space Quest II, weshalb man die Begeisterung für Maniac Mansion am besten mit einem direkten Vergleich aufzeigt. Die zwei offensichtlichsten Merkmale sind die Steuerung und die Grafik. Optisch wusste das Spiel von Lucasfilm Games viel mehr zu beeindrucken, was vorwiegend daran lag, dass die Kamera viel näher am Geschehen war. Damit waren die Spielfiguren und alle Objekte größer und detailreicher. Während SQII noch mit Texteingabe arbeitete, basierte Maniac Mansion auf ein Verben-System. Statt zu erraten, welche Wörter für Aktionen möglich waren, konnten Spieler aus einer Liste von 15 Verben wählen, was das Spiel diesbezüglich enorm vereinfachte. Aufgrund dessen war es einfach, das Spiel in den Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch, Japanisch und Spanisch zu veröffentlichen.

Die Space Quest – Serie war immer bekannt für ihren makaberen Humor, doch Maniac Mansion stand dem im nichts nach. Vor allem den genialen Ron Gilbert, der für weitere Kultspiele verantwortlich ist, zeigte im Spiel einen Humor mit einer Mischung aus Hochbegabung und Hammerschlag. Unvergessen war der Moment, in dem man einen Hamster in einer Mikrowelle entsorgen konnte. Dies führte in den meisten Computerzimmern für angenehme Heiterkeit. Den explodierten Hamster konnte man seinem Besitzer zurückgeben, woraufhin die Überreste im Garten begraben wurden.

Typisch für Sierra Abenteuer war, dass man darin sterben konnte. Das war im Prinzip bei Lucasfilm Games ähnlich, in Maniac Mansion aber nicht so extrem ausgeprägt. Im Haus liefen die Bewohner herum und gingen ihren Aktivitäten nach. Wurde man als Eindringling erwischt, landete man im Gefängnis des Hauses. Wurden alle drei eingesperrt, hatte man scheinbar verloren. Es gab aber die Möglichkeit die gefangenen Kameraden zu befreien, oder, wenn zwei oder mehr gefangen wurden, den Raum über einen geheimen Stein in der Wand zu verlassen, indem einer den Stein drückte und der andere den Raum über die geöffnete Tür verließ. Neben den klassischen Rätseln, dem untersuchen der Räume und dem Sammeln von Gegenständen kam damit eine zusätzliche Komponente der Spannung hinzu. Insgesamt fühlte sich Maniac Mansion dadurch viel lebendiger an, zumal das Gefängnis ein wichtiger Durchgang zum Geheimlabor war und man die Gefangennahme zu bestimmten Zeitpunkten bewusst einsetzen musste, um die Bewohner abzulenken.

Der Humor zeigt sich nicht nur in Anspielungen, Dialogen, einer Treppe die »außer betrieb« ist, sondern auch dadurch, dass gewisse Elemente über zwei oder mehrere Spiele hinweg miteinander verbunden sind. In Maniac Mansion beispielsweise findet man eine Kettensäge, die aber kein Benzin hat. Man kann sie einsammeln, untersuchen aber sonst nichts damit machen. In Zak McKracken and the Alien Mindbenders (1988), einem Adventure das außer der Engine und dem Erfinder Ron Gilbert nichts mit Maniac Mansion gemein hat, findet man auf dem Mars das passende Benzin. Dafür gibt es im Haus von Dr. Fred in einem Spielzimmer ein Poster zum Spiel Zak MacKracken. Diese zahlreichen Details machen diese Spiele heute noch unglaublich liebenswert.

SCUMM Engine

Hinter den Lucas-Adventures stand eine hauseigene Engine mit dem Namen »Script Creation Utility for Maniac Mansion«, kurz SCUMM. Das Konzept dahinter war ziemlich genial. Die Engine unterteilte sich in eine Skriptsprache und einer virtuelle Maschine. Der VM-Teil musste für jedes System angepasst werden, der eigentliche Gamecode wurde damit interpretiert und war somit »frei«. Diese strickte Trennung vereinfachte nicht nur die Entwicklung sondern vor allem die Portierung. Mit ScummVM können heute noch die alten Maschinen unter Windows lauffähig gemacht werden.

Die Engine wurde laufend weiterentwickelt und noch bis 1997, also zehn Jahre lang, in zahlreichen Spielen eingesetzt. Erst 1998 setzte LucasArts bei der Entwicklung von Grim Fandango auf die hauseigene Grim Engine bei der statt eine eigene die Skriptsprache Lua zum Einsatz kam.

Durch das einfache System ließen sich die Spiele leicht portieren. Maniac Mansion entstand zunächst für den Commodore 64, wurde dann aber noch für Amiga, Apple II, Atari ST, DOS (EGA und später eine VGA Version) und NES portiert, wobei neben der Engine ggf. noch Grafiken und Sound angepasst werden mussten.

SCUMM war so einfach, dass man kaum etwas von Programmierung verstehen musste, um Spielinhalte schreiben zu können. Im Idealfall konnte man das Manuskript ohne viel Aufwand in die Skriptsprache umschreiben. camera-follow personenname ließ die Kamera zur Person bewegen, say-line personennameTEXT gab einen Text auf dem Bildschirm aus. Einfacher geht es kaum und ließ die Designer auf das Wesentliche konzentrieren.

Bereits in Maniac Mansion war ein weiterer Trumpf der, dass gewisse Ereignisse und Parameter zufällig generiert wurden. Zum Beispiel waren Zahlencodes mit jedem Spielstart anders. In The Dig (1995) waren Zahlencodes und Formen zufällig angeordnet. Das machte die Lösung nicht nur etwas schwieriger sondern das Spielen auch individueller. Dies war eines der Elemente um der üblichen Linearität im Genre entgegenzuwirken.

Erfolgrezept

Auch bei Lucasfilm Games galt: Was Erfolgreich ist, wird kopiert! 1988 erschien Zak McKracken and the Alien Mindbenders. Die Handlung um den frustrierten Boulevardreporter Zak McKracken begeisterte nicht nur Kritiker, sondern vor allem Spieler aus Deutschland. Auch dieses Spiel wurde für zahlreiche Plattformen umgesetzt (Amiga, Apple II, Atari ST, C64, FM Towns, MS-DOS) und basierte im Kern auf den gleichen Mechanismen wie Maniac Mansion. Während das ein Jahr zuvor erschienene Spiel nur in einem Haus und dessen Umgebung spielte, durfte der Spieler in Person von Zak zahlreiche Orte, darunter auch den Mars, besuchen.

1989 war es dann soweit und Lucas veröffentlichte mit Indiana Jones and the Last Crusade ein Spiel, basierend auf einem der bekanntesten und beliebtesten Filmen aus dem eigenen Hause. Der gleichnamige Film der Reihe erschien im selben Jahr und bei Produktionskosten von 48 Millionen US-Dollar ließ sich der Filmgigant nicht lumpen und von der Tochterfirma das Spiel zum Kinohit entwickeln.

Abgesehen von ein paar Verben war die Steuerung und das Spielprinzip immer noch wie bei Maniac Mansion, aber im Gegensatz zu Sierra legte Lucas nicht ein Serienei nach dem anderen. 1990 zeigte die Firma mit dem Spiel Loom, dass es in Sachen Steuerung sogar ganz andere Wege einschlagen kann. Statt Verben wurden für die Befehle Töne benutzt. Im mystischen Spiel war es eine Kernaufgabe des Spielers Tonfolgen zu erkunden um damit magische Zaubersprüche auszuführen.

Ebenfalls 1990 erschien das legendäre The Secret of Monkey Island. Der Spieler musste sich zwar immer noch mit zwölf Verben »plagen«, erhielt aber dafür eines der genialsten Abenteuergeschichten die je geschaffen wurden. Wer sich auch nur ansatzweise mit Piraten anfreunden konnte, musste dieses Spiel unbedingt mal versucht haben, selbst wenn er mit Rätseln nicht allzu viel anfangen konnte. Monkey Island und sein Nachfolger Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge (1991) prägten das Genre so sehr, dass sich jedes nachfolgende Adventure an diesen beiden Titeln messen lassen musste.

Das Rezept sah wie folgt aus: Intelligente Rätsel werden in einer interessanten, ungewöhnlichen Handlung eingebettet und mit schrulligen, abgedrehten aber liebenswerten Charakteren zum Leben erweckt. Dazu kommen sehr lustige Dialoge und ein paar außergewöhnliche Ideen. Wenn als Sahnehäubchen eine gute Grafik und eine mitreißende Musik hinzukommen, ist es ein »typisches LucasArts Adventure«.

Im Gegensatz zu Sierra verstand es Lucas immer besser Frustmomente zu reduzieren und den Spieler zu begeistern. Weniger Langeweile, mehr Erlebnis und das alles in einer sehr hohen Qualität. Indiana Jones and the Fate of Atlantis (1992) wurde aus dem Grund immer wieder verschoben, bis alle beteiligten mit der Qualität des Spiels zufrieden waren. Das Spiel um den heldenhaften Archäologen bot dem Spieler drei sehr unterschiedliche Lösungswege, bestach durch seine hervorragende Grafik und Atmosphäre. Durch den finanzkräftigen Mutterkonzern und den ersten Erfolgen konnte sich LucasArts den Aufwand auch leisten, im Gegensatz zu den meisten anderen Entwicklern.

Mit Day of the Tentacle (Maniac Mansion 2) gelang der Firma 1993 ein weiterer Meilenstein und das Spiel gilt bis heute für viele als das beste Adventure aller Zeiten. Zwar konnte man die Charaktere nicht mehr frei wählen, hatte dafür aber immer noch drei, die in der Zeit verteilt waren. Durch einen Unfall landete einer 200 Jahre in der Vergangenheit, einer 200 Jahre in der Zukunft und der dritte in der Gegenwart. Einige Rätsel mussten über die Zeiten hinweg gelöst werden, was ein einmaliges Spielerlebnis hervorrief. Neben der für damalige Verhältnisse grandiose Grafik und dem Inhalt wusste auch die Sprachausgabe der CD-ROM Version zu begeistern.

Sam & Max Hit the Road (1994), Full Throttle (1995) und The Dig (1995) fanden ebenfalls ihre Liebhaber und waren von hoher Qualität, flachten aber vom spielerischen Anspruch her immer weiter ab.

Steuerungsprobleme

Sierra hielt bis 1989 an der Texteingabe fest, ehe es mit King’s Quest V: Absence Makes the Heart Go Yonder! 1990 auf eine reine Maussteuerung ohne Verben umstieg. Was den Komfort betraf, war es dem Verb-System von Lucas weit überlegen, erntete aber auch viel Kritik. Bei einem Verb-System muss man immerhin noch unterscheiden, ob man etwas drücken oder ziehen, ob man Ein- oder Ausschalten will. Beim neuen System gab es nur reden, untersuchen und benutzen. »Benutzen« war alles. Man nahm ein Objekt aus dem Inventar, klickte es auf ein Objekt auf dem Bildschirm und entweder es passierte etwas, oder nicht. Das Spiel interpretierte selbst, was der Spieler gemeint haben könnte und löst die vorgesehene Aktion damit aus. Der Aufwand für den Spieler wurde damit auf ein Minimum reduziert, dafür aber auch der Anspruch.

Lucas wartete mit der Umstellung und versuchte erst 1993/1994 mit Sam & Max Hit the Road ein neues System. Im Spiel mit den beiden Privatdetektiven, dem Hund Sam und dem verrückten Hasen Max, wurden statt Verben fünf Cursor-Varianten der Maus angewandt, die für »gehen«, »untersuchen«, »nehmen«, »rede mit« und »benutzen« standen. Obwohl es von der PC Player als »freakige Steuerung« bezeichnet wurde, bekam das Spiel wegen seiner Grafik, Rätsel und vor allem dem genialen schwarzen Humor 89 Wertungspunkte. Wirklich durchgesetzt hat sich das Steuerungskonzept aber nicht. Im laufe der Jahre steuerten sich Adventure immer einfacher, bis am Ende nur noch ein bis zwei Steuerbefehle übrig blieben.

Da Sierra in vielerlei Hinsicht den Trend verpennte, musste es spätestens 1990 seine Vormachtstellung aufgeben und war vorwiegend darum bemüht den Anschluss an LucasArts zu halten. Das gelang nur mäßig, da bereits Anfang der 1990er das Genre in einer Krise steckte, die selbst LucasArts trotz aller Qualität irgendwann nicht mehr so recht abwenden konnte.

Der Anfang vom Ende

Dass Point-and-Click-Adventure an Beliebtheit einbüßten, ist unbestritten. Sowohl in absoluten wie in relativen Zahlen waren die Verkäufe bis zum Ende der 1990er Jahre stark rückläufig. In einigen Quellen wird als Grund angegeben, dass diese Art von Spielen unzeitgemäß wäre. Dies ist sicher ein guter Grund, aber nur einer von vielen.

Produktionskosten

Bereits beim ersten King‘s Quest Teil 1984 betrugen die Kosten 700.000 US-Dollar und stiegen in den Folgejahren weiter an. Dies hatte mehrere Gründe. Zwar konnten Engines in den meisten Fällen länger verwendet werden als in anderen Genres, dafür wurden die Spiele immer umfangreicher und erforderten damit größere Teams. Alleine wenn man Maniac Mansion mit dem ein Jahr später erschienenen Zak McKracken vergleicht, stellt man fest, dass der Umfang um ein Vielfaches gestiegen ist. Plötzlich spielte sich nicht mehr alles in einem Haus, sondern an zahlreichen Orten auf der Erde, einem Raumschiff und dem Mars ab. Bereits in Maniac Mansion konnte man drei Personen spielen, in Zak McKracken waren es bereits vier und zudem Tiere, die zusätzlich animiert werden mussten.

Das Kernproblem war: Jeder neue Inhalt war ein enormer Aufwand. Hintergründe, Personen, Objekte, Dialoge und später die Sprachausgabe (die in King’s Quest V völlig misslang, da sie von den Entwicklern selbst eingesprochen wurde) mussten immer neu erstellt werden. Bei einem Shooter wie Doom war es relativ egal, ob die Leveldesigner zehn oder hundert Level erstellten. Abgesehen von wenigen Grafiken und Gegnern lebte alles vom selben Gameplay. In Adventures hingegen ging man bei den Rätsel auch gerne individuelle Wege, die sich mit der gängigen Mechanik nicht realisieren ließen. Puzzleteile mussten verschoben, Objekte speziell animiert werden, manche hatten sogar Minispiele, Schachrätsel und andere Elemente. Den Zusatzaufwand hatten die meisten anderen Spiele nicht. Dazu kamen zahllose Skripte und Kombinationsmöglichkeiten die alle getestet werden mussten.

Die Grafikqualität änderte sich mit der Zeit. Während Lucas vorwiegend auf Comics setzte, ging Sierra den Weg Schauspieler zu fotografieren und zu filmen. Im Vergleich zu einem Doom stiegen auch hier die Kosten enorm an.

Spielspaß pro Zeit

Ein großes Abenteuer bei dem man viele Orte entdecken kann klingt gut. Das Problem des Genres wurde immer mehr der Leerlauf. Wenn man ein Objekt nicht fand oder eine Kombination von Objekten übersah, konnte man stundenlang im Spiel verbringen ohne das irgendwas passierte. Ohnehin waren Adventure eher langsame Spiele die vor allem durch Atmosphäre, Dialoge und Rätsel punkteten. Doch die Knobelei konnte durchaus anstrengend werden. Wenn man zum Beispiel Zak McKracken mit Lösung spielte, war man in rund zwei Stunden am Ende angelangt. Ohne Lösung konnte es zwanzig bis dreißig Stunden dauern, falls man es überhaupt schaffte. Das bedeutet, dass mehr als 90% der Spielzeit Leerlauf war, in der man nur Dinge versuchte, die nicht funktionierten.

Dies stieß vor allem ein jüngeres Publikum ab. Zugleich war ein älteres Publikum immer weniger dazu bereit diese Zeit nach Feierabend zu opfern. Sicher: Das Glücksgefühl, wenn man endlich weiter kam, war riesig, aber solche Erfolgserlebnisse hatte man in anderen Spielen andauernd, etwa wenn man in Command & Conquer (1995) eine Mission schaffte.

Neue Genres

Adventure stammen aus einer Zeit, als es normal war mit Texten zu spielen. Selbst bei modernen Point-and-Click-Adventuren kann man viele Elemente als Textspiel umsetzen ohne das sich am Kern etwas ändert. Noch Mitte der 1980er Jahre bestand die Spielelandschaft vorwiegend aus Arcade-Titeln, Sportspielen, Denkspielen, Plattformern, Abenteuern (auch Rollenspielen) und ein paar »Simulationen«. Bereits 1992 begann sich dies mit den aufkommenden First-Person-Shootern wie Wolfenstein 3D zu ändern. Damit wurde nicht nur ein neues Genre erschaffen sondern auch der Grundstein für andere Genres gelegt, die mit den Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. Third-Person-Shooter, Taktik-Shooter, simulierte 3D-Welten wie Comanche (1992) waren nun möglich und ebneten bestehenden Genres die Möglichkeit in die dritte Dimension vorzustoßen.

Point-and-Click-Adventure versuchten, wie etwa King’s Quest 8: Maske der Ewigkeit (1998) diesem Trend zu folgen, scheiterten aber kläglich. Die Spiele schauten im Vergleich zu anderen Genres furchtbar aus und die Idee, den Schwerpunkt auf den Kampf zu verlegen, sorgte nur für Frust bei den verbliebenen Genre-Fans. Die Folge war, dass kein Publisher oder Investor mehr Geld in das Genre stecken wollte.

Gamebreaker

In Spielen zu sterben war und ist heute noch relativ normal. Adventure hatten aber eine Eigenart, die selbst dem geduldigsten Spieler die Zornesröte ins Gesicht trieb: die Gamebreaker. Dabei handelte es sich um Stellen im Spiel, an denen man nicht mehr weitermachen konnte, weil man zuvor eine falsche Entscheidung traf. Selbst wenn man hundert Stunden probierte oder überlegte, ging es einfach nicht weiter. Ein Klassiker ist in Maniac Mansion zu finden. Das grüne Tentakel lässt einen nicht vorbei, weil es hunger hat. Bietet man ihm Orangensaft an, nimmt es dies, hat aber immer noch hunger. Wenn man ihm genug Essen besorgte, hat es Durst, aber der Spieler keinen Orangensaft mehr.

Sierra hielt lange an Gamebreakern und skurrilen Todesarten des Spielers fest und wurde für ein jüngeres, eher verwöhntes Publikum immer unzugänglicher. Als man diesen Irrtum bemerkte, war es bereits zu spät. Kaum jemand hatte noch Lust sich auf potenziellen Frust einzulassen, für den man damals auch noch 100 bis 130 DM bezahlen musste. Der Trend, ein Adventure immer mehr wie einen interaktiven Film zu gestalten, half dann auch nichts mehr. Man vergraulte eher noch die alten Fans statt neue Zielgruppen zu erschließen.

Das Ende von Sierra

Das Ende von Sierra Entertainment, wie sie zum Schluss hießen, hatte nicht nur etwas mit dem Niedergang des Genres zu tun. Sierra hatte sich in den Jahren breit aufgestellt und neben zahlreichen Serien wie Caesar, The Incredible Machine, Dr. Brain, NASCAR Racing, SWAT und andere Spiele auch Anwendungsprogramme geschrieben. Schon 1991, also vor dem WWW, bot die Firma mit The Sierra Network eine Onlineerfahrung an, bei der man in einer grafischen Umgebung sich mit anderen Leuten austauschen und spielen konnte.

Dazu kam, dass das Unternehmen mehr als ein Dutzend Firmen aufkaufte um die eigene Palette zu erweitern oder unliebsame Konkurrenz zu beseitigen. Das Problem war, dass Sierra mit dem enormen Wachstum nicht klar kam und ein schlecht organisierter, teurer Gigant wurde dem langsam aber sicher die finanziellen Mittel ausgingen. Bei dem ganzen Chaos blieb bei zahlreichen Produkten das wichtigste auf der Strecke: Die Qualität.

1993 veröffentlichte LucasArts Sam & Max und erhielt von der PC Player, einem der beliebtesten Spielemagazine im deutschsprachigen Raum, 89 Punkte. Im selben Jahr brachte Sierra Freddy Pharkas heraus und ergatterte nur 68 Punkte, trotz hohem Produktionsaufwand und dem Gamedesigner Al Lowe als geistigen Vater. Das war kein Einzelfall. Egal was Sierra herausbrachte, mindestens ein Konkurrent hatte ein gleichwertiges oder viel besseres Produkt. Neue Trends, neue Genres wurden von anderen Unternehmen erfunden, Sierra hechelte der Musik nur hinterher. Selbst das damals vergleichsweise kleine Westwood Studios konnte mit The Legend of Kyrandia (1992) im eigenen Garten das Wasser reichen, auch wenn es an ein King’s Quest VI nicht ganz ran kam.

1996 verließen das Ehepaar Williams ihr eigenes Unternehmen, woraufhin die ganze Struktur zusammenbrach. In den Folgejahren wurde es immer wieder umorganisiert, aufgekauft, neu organisiert und letztlich 2008 komplett aufgelöst. 2014 wurde die Marke zwar neu gegründet, abgesehen vom Namen und dem Logo hat dies aber nichts mehr mit der ursprünglichen Firma zu tun.

Ausblick

Adventure waren nicht nur eine Sache von Sierra und Lucas, auch wenn sie das Genre enorm prägten. Erwähnenswert sind zahlreiche, teils hervorragende Spiele wie Simon the Sorcerer (1993) das wie die Lucas-Titel mit Bedienverben gesteuert wurde und sehr gute Kritiken einheimste. Discworld (1995), aber auch Alone in the Dark (1992) waren gute Spiele. Während Simon und Discworld klassische 2D Spiele waren, zeigte sich Alone in the Dark als interessantes 3D-Experiment. Ab den 1990er Jahren wandelte sich das Genre grafisch und inhaltlich sehr stark und brachte neue Firmen mit anderen Ideen hervor. Diesen Wandel möchte ich im vierten Teil der Serie beleuchten.

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